Wattenscheid/Essen. Mit 22 Jahren ist die Wattenscheiderin Julia Ritter auf dem weg nach oben. Und das in gleich zwei Disziplinen.


Julia Ritter ist am Telefon gut gelaunt. Überhaupt ist es schwer, die 22-Jährige einmal in schlechter Laune zu erwischen. „Dann muss schon ordentlich was schief gelaufen sein“, sagt sie und lacht. Die Freisprechanlage in ihrem Auto lässt ihr Lachen noch herzhafter schallen.

Julia Ritter ist gerade auf dem Weg von ihrer Heimatstadt Bergkamen zum Training nach Wattenscheid. Sie hat allen Grund, hochmotiviert zu sein, denn die Leichtathletin des TV Wattenscheid hat am Wochenende bei ihren Siegen in Osterode zwei persönliche Bestleistungen aufgestellt. Ihr Diskus flog mit 59,64 Metern so weit wie noch nie, die Kugel stieß sie erstmals über die magische 18-Meter-Marke. Mit ihren 18,14 Metern führt sie aktuell sogar die deutsche Jahresbestenliste an.

Im Sprint durchs Stadion

In der Tat ist Julia Ritter eine außergewöhnliche Athletin. „Dass man im Erwachsenbereich noch beide Disziplinen macht, kommt nicht oft vor“, sagt sie. Im vergangenen Jahr bei der Deutschen Meisterschaft in Berlin sorgte sie für ein Novum. „Da habe ich quasi noch als dritte Disziplin den Sprint hinzugenommen.“ Weil Kugelstoßen und Diskuswerfen zeitgleich stattfanden, musste Julia Ritter ganz schön Gas geben, um rechtzeitig im richtigen Ring zu stehen. Das Ergebnis: Platz vier mit der Kugel, Platz sieben mit dem Diskus. Sie ist die Herrin der Ringe.

„So lange es funktioniert, werde ich beides machen“, sagt sie. „Aber der Schwerpunkt liegt auf der Kugel.“ Von dem technisch filigraneren Diskuswerfen würde auch ihr Kugelstoßen profitieren. „Ich bin ein Kraftmensch. Beim Diskus reicht das aber nicht – da braucht es mehr Konzentration auf die Technik. Beim Kugelstoßen ergänzt das meine Kraft sehr gut.“

Christina Schwanitz als Vorbild

Wenn man Julia Ritter sieht, glaubt man ihr das mit der Kraft sofort. Breite Schultern, breiter Rücken, breites Grinsen. Sie steckt voller Power. In ihrer Art erinnert sie an eine, die das Kugelstoßen in Deutschland geprägt hat wie keine andere: Christina Schwanitz. „Sie ist die absolute Vorzeigeathletin, sie war Sportlerin des Jahres“, sagt Julia Ritter über die 34-jährige Weltmeisterin von 2015. „Als Leistungssportlerin muss man etwas Besonderes haben. Sie bringt das mit, weil sie sportlich top ist und immer viel lacht.“ Auch Julia Ritter beschreibt sich als „positiven Menschen, der es liebt, zu lachen“. Und: „Wenn man beim Kugelstoßen in Deutschland irgendwann nicht mehr nur an Christina Schwanitz, sondern auch an Julia Ritter denkt – dann hätte ich nichts dagegen.“

Julia Ritter macht in ihrer Karriere einen Schritt nach dem anderen. Die 18 Meter nennt sie „eine kleine Schallmauer“ auf dem Weg Richtung Weltspitze. Sie fühlt sich auf dem besten Weg dahin, und dass, obwohl ihr bisheriger außergewöhnlich war. Mit Leichtathletik hatte die Bundespolizistin zunächst nichts zu tun. Handball war ihr Sport, seit sie vier Jahre alt war. Doch aus Neugier nahm sie an einer Leichtathletik-AG teil. „Beim Medizinballstoßen habe ich gemerkt, dass alle Jungs schlechter waren als ich.“ Mit ihrem Vater Reiner begann sie, das Kugelstoßen zu trainieren – obwohl dieser Fußballer war. „Weil wir keine Ahnung von der Technik hatten, haben wir uns das alles über Youtube-Videos selbst beigebracht“, sagt Julia Ritter. So brachte sie es bis zur U18-Weltmeisterin. 2016 kam sie nach Wattenscheid ins Team von Miroslav Jasinski – Vater und Trainer des Diskus-Olympia-Dritten von 2016, Daniel Jasinski.

Ritter will magische Marken knacken

Neben ihrer Familie ist dies das Umfeld, das Julia Ritter braucht – genauso wie Wettkämpfe. Sie ist glücklich, nach der Corona-Pause wieder im Ring zu stehen. „Für uns junge Athleten ist es wichtig, Wettkämpfe zu machen, wir haben noch nicht die Routine wie die älteren.“ Am 8. und 9. August findet in Braunschweig die Deutsche Meisterschaft statt. Ihr Ziel mit der Kugel: „Es wäre cool, wenn Gold drin wäre, ich nehme es mir vor.“ Ihr erster DM-Sieg würde für sie nicht weniger wert sein, nur weil es ein „Corona-Titel“ wäre.

Überhaupt hat die Situation durch Corona für Julia Ritter nicht nur Nachteile. Die Verschiebung der Olympischen Spiele um ein Jahr in den Sommer 2021 kommt ihr zugute. „In diesem Jahr wäre Olympia für mich fast unmöglich gewesen.“ Aber 2021? Da will sie teilnehmen.

Dass sie magische Marken knacken kann, weiß Julia Ritter bereits. Der Rest ist Kraft und gute Laune.