Ribeirao Preto. Am Freitag trifft die deutsche Mannschaft im ersten WM-Viertelfinale auf Frankreich. “Der kleine Teufel“ Antoine Griezmann und “das kleine Fahrrad“ Mathieu Valbuena sind die schnellen Außenspieler der Franzosen und können an guten Tagen jeden Gegner wie eine Kneifzange traktieren.

Wer einen Brasilianer befragt, ob er Ribeirão Preto aus eigener Erfahrung kenne, der erntet Kopfschütteln. Und Unverständnis, wenn die Nachfrage folgt, ob sich eine Reise lohne. „Não, não“, rufen die einen, „muito mal“, sagen die anderen. Nein, nein, sehr schlecht. Was ist denn bloß mit dieser Stadt, die sich mehr als 300 Kilometer nordöstlich von São Paulo befindet? Selbst 900 Seiten dicke Reiseführer erwähnen den Ort nicht. Dennoch hat die Delegation der französischen Nationalmannschaft genau hier ihr Domizil gefunden. Und offenbar ihre Harmonie.

Fürs Viertelfinale gegen Deutschland (Freitag, 18 Uhr, live in unserem Ticker) holen sich die neuen Helden in ihrem Business-Kasten, dem Hotel JP, wieder Kraft. Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder reden sich die Protagonisten ihr Quartier schön, oder sie beachten es einfach nicht. Letzteres ist aus den Aussagen zweier Teammitglieder abzuleiten. „Ich versuche mich abzulenken, in dem ich viel mit meinen Mitspielern scherze“, hat Linksaußen Antoine Griezmann mal verraten. Und Rechtsaußen Mathieu Valbuena hat gesagt: „Wir versuchen alles um uns herum zu vergessen."

Valbuena und Griezmann können an guten Tagen jeden Gegner wie eine Kneifzange traktieren, und vieles deutet darauf hin, dass die französische Elf am Freitag in Rio de Janeiro so beginnt wie sie am Montag gegen Nigeria aufgehört hat. Eben mit dem 1,67 Meter kleinen Valbuena und dem neun Zentimeter größeren Griezmann. Nationaltrainer Didier Deschamps mag die Personaldebatte zwar nicht, aber er hat schon gesagt, dass die Variante Griezmann die „Option Geschwindigkeit“ sei. Und wer wäre besser geeignet, deutschen Rammböcken auf den Außenbahnen Knoten in die Beine zu spielen als dieses Duo?

 Valbuena nennen sie „le petit velo“. Das kleine Fahrrad. Der Spitzname passt zu der Heimstätte seines Arbeitgebers Olympique Marseille, dem „Stade Velodrom“. Aber es gibt auch eine Redewendung, in der es frei übersetzt heißt, man sei ein bisschen verrückt. Über den 29-Jährigen werden gerne die Geschichten erzählt, wie er sich als Kind im Schwimmbad auf dem Sprungturm das halbe Bein aufriss. Oder wie er mal seinen Luxusschlitten zu Schrott fuhr und nur durch ein Wunder nicht zu Schaden kam. Valbuena zählt zudem zu jenen vier Kräften, die mit ihrer Auswahl vor vier Jahren in Südafrika zum Schandfleck der „Grande Nation“ mutierten, auch wenn der Irrwisch damals nur eine Randfigur gab. Dass er am Freitag sein 38. Länderspiel bestreitet, gilt als ausgemacht – Deschamps hat ihn oft als „unverzichtbar“ bezeichnet.

Im Nachtclub erwischt

Griezmann nennen sie „le petit diable“. Der kleine Teufel. Wie der 23-Jährige zuletzt gegen Nigeria die Überholspur nutzte, war schon klasse. „Wenn mir jemand vor einigen Monaten gesagt hätte, dass ich bei dieser WM dabei bin, hätte ich es nicht geglaubt“, räumte der Profi von Real Sociedad San Sebastian ein. Diese Aussage hat einen Hintergrund: Ihm wurde einmal verbandsseitig eine Sperre für ein Jahr aufgebrummt, weil er während eines Trainingslagers der U-21-Nationalmannschaft mit Teamkollegen einen Nachtclub aufsuchte – erst Ende 2013 lief die Sperre ab. Ihn zur WM mitzunehmen, löste größere Debatten aus, aber rückblickend hat es Sinn gemacht. Denn er stürmt dort, wo das Land eigentlich Franck Ribéry erwartet hatte.