London. Große Emotionen, jede Menge Spektakel und Queen Elizabeth II als 'Bond-Girl': Mit einer bewegenden Reise durch die Geschichte Großbritanniens und Showeffekten im besten Hollywood-Stil hat London die Athleten der Welt begrüßt und vier Milliarden Zuschauer in aller Welt begeistert.
Zauberhaft, entzückend, spleenig, lustig, nachdenklich: Das sind Begriffe, mit
denen man lange nicht, vielleicht noch nie, an eine olympische Eröffnung gedacht
hat. Filmregisseur Danny Boyle hat genau das in pralle eineinhalb Stunden im
Londoner Olympiastadion hinbekommen. Auf den ersten Blick nicht bombastisch,
sogar entschieden das Gegenteil: marschierten 2008 in Peking genau 2008 Trommler
auf, ließ Boyle zum Auftakt der "Insel der Wunder" Gänse, Ziegen und Schafe in
ein idyllische Landschaft führen. Offenbar wegen Tierschützer-Protesten
trotteten sie knapp vor Beginn der Show, neun Uhr englischer Zeit, wieder
hinaus.
Und natürlich war Boyle ("Trainspotting", "Slumdog Millionaire") so
clever, nicht lange romantisch-gestrig zu wirken. So rauschte vorab eine
Fliegerstaffel der Air Force übers Stadion, und die LED-Lichter - eine
stadiongroße Anzeigetafel, jeder Zuschauer schwenkte eine eine Lichttafel -
blinkten imposant. Jetzt ließ Boyle es krachen, aber gehaltvoll.
Ungeheuer charmant, ein wenig wirr
Es begann eine bebilderte Geschichtsstunde, zugleich eine Feier
britischer Kultur, Eigenart und Großartigkeit. Hunderte kleiner und großer
Einfälle, 10.000 Mitwirkende, 25.000 Kostüme für rund 60.000 im Stadion und
mutmaßlich - hoffentlich - eine Milliarde TV-Zuschauer: Die 35 Millionen Euro,
die Boyle zu Verfügung hatte, waren jeden Penny wert. Die "größte Show der
Welt", wie versprochen? Jedenfalls ungeheuer charmant, bei dieser Größe.
Das ländliche Idyll, das idealisierte frühe England, wurde jäh
abgelöst durch das "Pandämonium", die industrielle Revolution, wandernde
Arbeitermassen, die die Verwandlung des Landes mit dem Verschwinden der Dörfer
und dem Emporwachsen der Schlote anpackten. Der Erste Weltkrieg klang an, ein
Dampfschiff schaukelte durchs Stadion, unendlich viele Details und Anspielungen
zu krachenden Rhythmen. Das war dann doch monumental, und ein wenig wirr:
Sozialgeschichte als Massen-Theater im Zeitraffer. Am Ende wurde ein frisch
geschmiedeter Eisenring emporgehoben und fügte sich in die rotglühenden
olympischen Ringe.
Rasanter Umbau, ein Einspielfilm: Bond-Darsteller Daniel Craig holt
die Queen - gespielt von sich selbst, wie cool! - im Palast ab, im Hubschrauber
geht es zum Stadion, ein Fallschirmabsprung - und Queen Elizabeth kommt
leibhaftig ins Stadion. Eine Prise Patriotismus: der "Union Jack" wird
aufgezogen, das Stadion blinkt in Rot, Weiß und Blau. Hier ging es nicht um das
Völker verbindende unter den Ringen - das hat man oft gesehen, und dafür ist die
Stadt London selbst ja Beispiel genug -, sondern um das Britische dieser
Spiele.
JK Rowling liest "Peter Pan"
Weiter ging es mit Boyles Überraschungen: eine Doppel-Hommage an die
großartige britische Kinder-Literatur und an National Health Care, das
kostenlose System der Gesundheitsversorgung. "Harry Potter"-Autorin JK Rowling,
sonst eher scheu, las den ersten Absatz aus "Peter Pan" an den Betten eines
Kinder-Krankenhauses, anschließend vertrieb die zauberkräftige Nanny Mary
Poppins eine Reihe Bösewichter von Kapitän Hook bis Lord Voldemort aus den
Kinderzimmern - alle als Pappmaché-Figuren wie im Kölner Karneval.
Schließlich die schwungvolle Liebesgeschichte von Frankie und June,
die Großbritanniens unerschöpflichen Beitrag zur Popkultur zelebriert. Und am
Ende noch ein Memento Mori, "Abide with me", ein christliches Lied über Abschied
und Tod.
Ein Show, von der man gern ein, zwei Wiederholungen sähe, weil man so
viele Details verpasst hat. Aber, wie es früher hieß: Doch nun zum Sport.