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Derzeit ist er Schweizer Nationaltrainer – in der Bundesliga werde er „nicht mehr arbeiten“, sagt Ottmar Hitzfeld. Und doch gibt es kaum einen besseren Experten zum Thema BVB und Bayern. Ein Interview.
Herr Hitzfeld, Fußball-Deutschland fiebert dem Rückrunden-Beginn der Bundesliga mit dem Duell des BVB in Leverkusen entgegen. Gibt es bei Ihnen auch schon Vorfreude?
Ottmar Hitzfeld: Natürlich. Ich schaue mir das Spiel im Fernsehen an, Samstag bin ich dann auf Schalke. Ich bin gespannt, wie Borussia Dortmund in die Rückrunde startet und ob der BVB nach der Niederlage in Frankfurt zurück in die Spur kommt. Die Erwartungshaltung ist groß.
Die Bundesliga-Vereine, bei denen Sie Trainer waren, der BVB und Bayern München, stehen unter besonderer Beobachtung. Wer wird Mitte Mai über die Meisterschaft jubeln können?
Hitzfeld: Dass die Bayern noch um die Meisterschaft spielen, ist möglich, aber unwahrscheinlich. Der Vorsprung ist einfach zu groß. Die Chance ist enorm, dass Dortmund Meister wird. Die Qualität der Mannschaft, das fußballerische Potenzial und die Klasse sprechen dafür. Dazu hat der BVB in Jürgen Klopp einen erfahrenen Trainer.
Was ist das Erfolgsrezept des BVB?
Hitzfeld: Die Kompaktheit der Mannschaft. Sie verteidigt sehr gut, verrichtet viel Laufarbeit, ist fleißig und zeigt beeindruckendes Teamwork. Dazu das schnelle Umschalten von der Defensive auf die Offensive, das zügige Spiel nach vorne, diese Zielstrebigkeit. Dortmund spielt einen schönen, interessanten und unterhaltsamen Fußball.
Sind Sie von einem Spieler besonders angetan?
Hitzfeld: Der überragende Spieler ist Nuri Sahin. Er ist der Spiritus Rector der Mannschaft und mit seinen 22 Jahren schon sehr routiniert. Auch Lucas Barrios, ein hervorragender Einkauf, und Shinji Kagawa gefallen mir sehr gut. Einen Kagawa-Transfer will doch jeder Bundesligist einmal landen. Das ist wie ein Sechser im Lotto.
Kann der BVB den Vorsprung noch verspielen, wenn die Ergebnisse nicht mehr stimmen und der verbale wie sportliche Druck zunimmt?
Hitzfeld: Bei einer jungen Mannschaft droht immer Gefahr. Und der Psychokrieg wird sicher beginnen. Noch sind die Bayern vorsichtig, aber wenn die Dortmunder wanken, geht es richtig los. Es gehört zur Bundesliga, dass man versucht, die Gegner einzuschüchtern und zu verunsichern. Die Frage ist, wie die Mannschaft mal mit zwei Niederlagen in Serie umgeht? Was passiert, sollte der Vorsprung langsam schmelzen? Wenn dann Angst entsteht, wenn überlegt und gerechnet wird, kann es gefährlich werden. Aber ich will keine negativen Szenarien hochspielen. Jürgen Klopp weiß, wie er mit Situation umgehen muss und wie man die Jungs psychologisch einstellt. Er wird dafür sorgen, dass keine Zweifel aufkommen. Der BVB hat das nötige Selbstbewusstsein und die Chance, Meister zu werden.
Bleibt das Ergebnis in Leverkusen eine Momentaufnahme oder kann man davon den Rückrunden-Verlauf ableiten?
Hitzfeld: Es ist für Dortmund psychologisch wichtig, nicht zu verlieren. Sonst wittert Bayer Leverkusen die Chance. Und auch der FC Bayern, der aber auch erst mal in Wolfsburg gewinnen muss.
Warum lief es für Ihren Ex-Klub Bayern München in der Liga bislang nicht wie erwartet?
Hitzfeld: Es ist immer schwer, das sensationelle Ergebnis einer Vorsaison mit Double und Champions-League-Finale zu bestätigen. Da ist ein Einbruch nicht ungewöhnlich, das sieht man auch bei Inter Mailand. Den Ausfall von Arjen Robben und Franck Ribery, die als Weltklasse-Spieler oft genug Spiele entschieden haben, kannst du zudem nicht kompensieren. Und wenn Bayern nur ein Spiel verliert, ist ja immer gleich eine Krise da.
Könnte sich aus den Personalentscheidungen der Winterpause, dem Torwart-Wechsel zu Thomas Kraft und dem Einkauf von Luiz Gustavo, eine neue Dynamik entwickeln oder werden diese erst mittelfristig greifen?
Hitzfeld: Thomas Kraft war ja schon da, wenn auch als Ersatzmann. Luiz Gustavo muss sich erst eingewöhnen. Ich denke, beide können erst mal gewisse Risikofaktoren mit sich bringen.
Wo sehen Sie Bayern am Ende der Saison?
Hitzfeld: Die Bayern werden sich nicht mehr so viele Blößen wie in der Hinrunde geben und sich für die Champions League qualifizieren. Sie wollen sich ja die Aussicht auf das Heim-Endspiel in der Königsklasse 2012 in München nicht verbauen.
Für Ihre Schweizer läuft es mit Platz 3 in der EM-Qualifikationsgruppe G auch noch nicht optimal. Was ist in den anstehenden Spielen nötig?
Hitzfeld: Nur Siege helfen uns weiter. Wir haben Pech gehabt und mit Montenegro einen überraschend starken Außenseiter in der Gruppe. Ende März treten wir im ersten Spiel des Jahres gegen die Bulgaren von Lothar Matthäus an. Da stehen beide Mannschaften unter Zugzwang.
Haben Sie schon konkrete Pläne für die Zeit nach der EM 2012? Wird man Ottmar Hitzfeld noch mal als Trainer in Deutschland sehen?
Mein erster Ansprechpartner ist der Schweizer Fußballverband. Im Frühjahr soll es Gespräche über eine mögliche Zusammenarbeit bis 2014 geben. In der Bundesliga werde ich nicht mehr arbeiten.