Melbourne. Laura Siegemund galt als Erbin von Steffi Graf. Dann riss das Kreuzband. In Australien feiert sie einen beachtlichen Sieg.
Es ist noch gar nicht lange her, da war Laura Siegemund einmal die große deutsche Tennis-Hoffnung. Im Frühling 2017 grüßte Siegemund gerade als stolze Siegerin des Stuttgarter Porsche Cup, während Angelique Kerber tief in der Krise steckte nach ihrem Jubeljahr zuvor. Siegemund galt sogar als Mitfavoritin für die French Open.
Doch dann, in einem verhängnisvollen Moment, war erst einmal alles vorbei. Beim zweiten deutschen WTA-Wettbewerb in Nürnberg erlitt Siegemund einen Kreuzbandriss. Die Hoffnungen auf einen großen Paris-Auftritt, auf ein weiteres Vorankommen in der Tennis-Hitparade, lösten sich in Schmerz und Tränen und Verzweiflung auf: „Es war, als ob du von Wolke Sieben mittenrein in die Hölle geschleudert wirst“, sagt Siegemund, „es war in jedem Fall der schlimmste Moment meines Lebens im Profisport.“
Fast ein Jahr Tennis-Pause
292 Tage brauchte Siegemund, bis sie nach dem Verletzungshorror wieder auf einem Tennisplatz stehen konnte, bei einem Turnier der dritten Liga in Italien. 2018 war kein leichtes Jahr für die drahtige Schwäbin. Aufgeben allerdings liegt nicht in der Natur von Siegemund. Bei den Australian Open konnte die einst als Erbin von Steffi Graf gehandelte Siegemund ihren bemerkenswertesten Sieg seit der Rückkehr ins Profigeschäft feiern. Am Dienstagmittag siegte sie mit 6:7 (5:7), 6:4 und 6:2 gegen die frühere Weltranglisten-Erste Viktoria Azarenka, es war ein Sieg zur Selbstvergewisserung, ein Sieg fürs Selbstbewusstsein, ein Sieg zur Bestätigung, „dass es sich lohnt, zu kämpfen, auch wenn es manchmal aussichtslos scheint“.
Nichts konnte Siegemund, aktuell die Nummer 110 der Tennischarts, in diesem hitzigen Duell entscheidend aus der Bahn werfen, nicht der unglücklich verlorene Tiebreak in Satz eins, nicht die Breakrückstände in den beiden anderen Durchgängen. Zwischendurch lag die 30-Jährige sogar mit 6:7 und 2:4 im roten Bereich, doch mit ihrer unverwechselbaren Mischung aus Spielwitz, Improvisationskunst und Kampfgeist befreite sie sich immer wieder. „Es gibt nicht viele, die so einen Fight hinlegen können“, befand DTB-Damenchefin Barbara Rittner. Siegemund sei eine, die eben auch „mal das Unmögliche möglich macht.“
Siegemund ändert ihre Pläne
Kürzlich hat sich Siegemund mal über eine Episode aus ihrem längeren Patientinnen-Dasein amüsiert. 2017 verbrachte sie nach ihrem Umzug nach Stuttgart längere Zeit daheim, an Weltreisen als Berufsspielerin war seinerzeit gar kein Gedanke. 2018 änderte sich das allmählich wieder, Siegemund war viel unterwegs, so viel, dass eine Nachbarin sie beim Zwischenstopp in Stuttgart fragte, ob sie denn „überhaupt noch hier wohne“. Inzwischen ist die Schwäbin wieder regelmäßig auf Tour, sie will auch noch einige Jährchen weitermachen. „Mit Mitte Zwanzig war der Plan, mit 32 aufzuhören. Aber ich fühle mich gut genug, über diesen Punkt hinaus zu spielen.“
Außer Siegemund schaffte aus Deutschland nur Wimbledonsiegerin Angelique Kerber (Kiel) den Einzug in die zweite Runde (Mittwoch, 9.00 Uhr MEZ gegen Beatritz Haddad Maia). Siegemund trifft am Donnerstag auf Hsieh Su-Wei aus Taiwan.