Essen. Steffen Simon, Sportchef des WDR, kommentiert am Samstag das DFB-Pokalfinale zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern München. Mit uns sprach er im Interview über das Duell, das System “Pep Guardiola“, sein Lieblingsspiel als Kommentator und die Chancen auf den Pokalsieg des BVB.
Wenn am Samstag um 20 Uhr das DFB-Pokalfinale im Berliner Olympiastadion angepfiffen wird, hat Steffen Simon einen der besten Plätze im Stadion. Die Stimme des Sportchefs des Westdeutschen Rundfunks wird dann über Millionen Fernseher zu hören sein, denn er kommentiert das Spiel für die ARD. Er sprach mit uns über das Duell der beiden besten Mannschaften Deutschland, seine Vorbereitung auf Fußballspiele und welche Partie sein persönlicher Höhepunkt war.
Herr Simon, am Samstag kommentieren sie das Pokalfinale zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern München für die ARD. Was erwarten Sie für ein Spiel?
Steffen Simon: Ich erwarte Fußball auf dem allerhöchsten Niveau und eine sehr enge Partie.
Der BVB kommt mit Schwung aus den letzten Wochen, der FC Bayern mit dem Titel. Welches Team ist am Samstag favorisiert?
Simon: Generell ist es im deutschen Fußball so, dass der FC Bayern immer in einer Favoritenrolle ist. Nach meiner Einschätzung haben sie auch mehr zu verlieren als der BVB. Obwohl sie über weite Strecken der Saison einen unglaublich dominanten Fußball gespielt haben, könnte es für die Bayern am Ende so kommen, dass die Saison als eine verpatzte angesehen wird, wenn sie nach dem Aus in der Champions League auch noch das Pokalfinale verlieren würden. In sofern ist der BVB in einer etwas komfortableren Situation.
Der BVB ist in den vergangenen Jahren eine der wenigen Mannschaften, die dem FC Bayern Paroli bieten konnte. Wo liegt für Sie der Grund?
Simon: Es ist die Konstanz und die Ruhe auch in schwierigen Phasen. Es gab ja auch in der Bundesliga zwei Monate, in denen es nicht funktioniert hat. Trotzdem wird in Dortmund niemand nervös. Es ist ein sehr gesundes Selbstvertrauen, das man beim BVB lebt. Das ist für mich ausschlaggebend, dass der BVB es in den vergangenen Jahren trotz prominenter Abgänge und einschneidenden Veränderungen im Team immer wieder geschafft hat, konkurrenzfähig zu bleiben.
Ist der BVB nun der eigentliche Favorit?
Simon: Ganz interessant ist, dass die Stimmung im Verein in diesem Jahr ganz anders ist, als noch im Vorjahr beim Champions-League-Finale. Die sind intern sehr viel optimistischer und rechnen sich da eine gute Chance aus.
Wird das Selbstvertrauen, was Borussia Dortmund an den Tag legt, der ausschlaggebende Punkt sein, wenn es am Ende um den Titel geht?
Simon: Im Klub sind sie immer nur realistisch. Im letzten Jahr, vor London, war der BVB ein klarer Außenseiter. Dass man dem FC Bayern im Finale so einen überragenden Fight liefern würde, war vor dem Spiel nicht allen klar und auch nicht abzusehen. Dieses Jahr ist es sehr viel offener.
Nach der Niederlage des FC Bayern gegen Real Madrid wurde viel über das „System Guardiola“ diskutiert. War das für Sie der Grund des Ausscheidens?
Simon: Wir neigen in Deutschland grundsätzlich dazu, Dinge in beide Richtungen - im Guten wie im Schlechten - zu dramatisieren. Natürlich waren die Spiele gegen Real Madrid nicht gut, aber am Ende waren es zwei Standardsituationen, bei denen der Ball in den Strafraum geflogen ist und die sie nicht verteidigt bekommen haben. Deshalb sind sie gegen Real untergegangen. Da muss man nicht über das System diskutieren. Nichtsdestotrotz hat Guardiola hinterher zugegeben, dass er sich selbst untreu geworden ist und auf Anraten der Spieler mit zwei Sechsern hat spielen lassen.
Also doch eine Systemfrage?
Simon: Sein System hat über weite Strecken der Saison überragend funktioniert. Trotzdem müssen sich die Bayern die Frage gefallen lassen, warum sie nach dem extrem frühen Titelgewinn einen Spannungsabfall hatten. Das hatten sie in der letzten Saison unter Jupp Heynckes deutlich besser hinbekommen. Vielleicht würde Herr Guardiola bei einer Wiederholung die Saison nicht wieder für beendet erklären. Das war, glaube ich, nicht ganz so clever.
Sehen Sie darin den größten Fehler von Pep Guardiola?
Simon: Also danach kam das 3:3 gegen die TSG Hoffenheim und dann ging der ganze Ärger los. Nun kann man darüber spekulieren, ob es damit zusammenhängt, aber der Verdacht liegt nahe.
Nun bietet das DFB-Pokal-Finale besondere Umstände: Zum Beispiel spielt Robert Lewandowski - wie einst Lothar Mattäus - im letzten Spiel für seinen alten Klub gegen den neuen. Zusätzlich herrscht „Eiszeit“ auf den Führungsebenen.
Simon: Was die Geschäftsführer da untereinander auskaspern, mag für etwas mehr Brisanz sorgen. Herr Rummenigge hat dann irgendwann die „Eiszeit“ ausgerufen. Was Robert Lewandowski angeht, glaube ich das nicht. Das ist für mich ein Beispiel, das es durchaus Sinn machen kann, einen Spieler auch gegen seinen Willen zu halten und darauf zu pochen, dass er seinen Vertrag erfüllt. So wie er sich die ganze Saison reingehauen hat, ließ er zu keinem Zeitpunkt den Gedanken aufkommen, dass er schon in München ist. Ich traue ihm das auch zu, dass er das in den 90 oder 120 Minuten zu Ende lebt.
Ein Fußballspiel ist wie ein "1000-Teile-Puzzle"
Kommen wir zu „Ihrem“ Finale. Wie sehen Ihre Vorbereitungen auf ein Fußballspiel aus?
Simon: Die Vorbereitung ist auf jeden Einsatz ist wie ein 1000-Teile-Puzzle, egal ob es ein Finale ist oder ein vermeintlich kleines Spiel. Man sucht Informationen zusammen und die drei, vier, die relevant sein können, will man dann in passenden Situationen anbringen. Die Vorbereitung am Tag selbst verläuft so, dass ich mich mit unserem ARD-Team zusammensetze und wir jede Eventualität durchspielen. Was kann passieren, wie gehen die Mannschaften das Spiel an. Für mich sind dabei die Gespräche mit Mehmet Scholl immer besonders wertvoll.
Hören Sie sich auch andere Fußballreportagen an und nehme Sie davon etwas mit?
Simon: Ich bin Fußball-Fan wie jeder andere auch und gucke und höre deshalb auch viel Fußball. Ich habe aber inzwischen meinen eigenen Stil und gucke mir da nichts mehr ab und sage auch nicht „Das und das ist aber toll“. Das war in den Anfangsjahren eher der Fall.
Haben Sie einen Albtraum, der bei einem Live-Kommentar bloß nicht passieren soll?
Simon: Ich habe keinen Albtraum, aber es gibt immer wieder Situationen, mit denen man gar nicht rechnet. Sei es im Spiel oder drum herum. Letztendlich muss ich in solchen Situationen versuchen, so spontan wie möglich zu sein.
Haben Sie ein Spiel, wo sie sagen, das ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Simon: Ich habe tatsächlich ein Lieblingsspiel, bei dem ich selbst gearbeitet habe. Das ist das Viertelfinale bei der Europameisterschaft 2008 zwischen Deutschland und Portugal. Damals sind unsere Jungs nicht unbedingt als Favoriten rein gegangen; und sie haben das erste Mal 4-2-3-1 gespielt haben. Das war damals in Basel wirkliche ein sehr besonderes Erlebnis.
Können Sie das genauer begründen?
Simon: Es war eine sensationelle Stimmung, es ging 3:2 damals für Deutschland aus. Die ganzen Jungstars haben total brilliert, wie auch zwei Jahre später gegen England. Das ist etwas, wo sich eine besondere Emotionalität eingestellt hat, weil es ein Stück weit überraschend kam.
Ihnen wird häufig angelastet, dass Sie den FC Bayern nicht mögen und haben im Netz auch den Ruf einer „Schlaftablette“ weg. Wo gehen Sie mit dieser Kritik um?
Simon: Ich bin ein selbstkritischer Mensch und setze mich auch gerne mit Leuten auseinander die eine konkrete sachliche Kritik äußern. Wenn mir jemand eine Mail schreibt, bekommt er in der Regel auch eine Antwort. Ich möchte das aber auch nicht mehr weiter kommentieren, weil wir alle wissen, was im Netz abgeht. Jeder muss am Ende selbst entscheiden, wie er damit umgeht.
Dann kommen wir noch einmal zum Endspiel zurück: Auf welchen Ausgang der Partie tippen Sie?
Simon: Ich sage, es geht 2:1 nach Verlängerung aus.
Für wen?
Simon: Sage ich nicht, keine Ahnung. (lacht)