Die Temperaturen fallen in den Keller. Doch was bedeutet dies für den Trainingsplan bei Freizeitsportlern? Unser Lauf-Experte Dr. Joachim Schubert beantwortet die wichtigsten Fragen. So absolvieren Sie Ihre Laufstrecken auch bei Minustemperaturen sicher und vermeiden dabei Verletzungen.

Die Temperaturen stürzen derzeit in den Keller. Bedeutet das für Läufer, tunlichst auf Ihr Training zu verzichten?

Dr. Joachim Schubert: Keinesfalls – jeder, der gerne läuft, kennt den Reiz des Laufens in Kälte und Schnee. Es ist ein besonderes Natur-Empfinden. Man fühlt, wie sich der Körper beim Laufen erwärmt, man empfindet die Kälte dann immer weniger und es kann soweit kommen, dass man sich gerade bei Kälte richtig wohl fühlt. Gewisse Dinge sollten dabei beachtet werden.

Sich für sportliche Aktivitäten aufzuraffen, fällt bei Kälte und Dunkelheit aber nicht immer leicht. Ist das ein rein psychologisches Problem oder auch aus sportmedizinischer Sicht erklärbar?

Dr. Joachim Schubert: Gut, Kälte und Dunkelheit sind nicht gerade die Phasen emotionaler Hochstimmung. Aber der Läufer wird gerade auch in diesen Momenten das Verlangen nach Bewegung haben. Laufen ist ja auch eine Art antidepressive Therapie (man denke an die Ausschüttung von positiv stimulierenden Hormonen beim Ausdauersport), man wird sich beim und nach dem Laufen wesentlich besser fühlen, als wenn man zu Hause auf dem Sofa die Zeit verbringt.

Viele Läufer klagen im Winter beim Lauftraining über Atemprobleme. Was muss hierbei beachtet werden?

Dr. Joachim Schubert: Nicht jeder kommt mit der kalten Außenluft zurecht. Alle Sportler, die an Erkrankungen der Atemwege wie Asthma, chronische Bronchitis oder einem übererregbaren (hyperreagiblen) Bronchialsystem leiden, müssen bei Kälte vorsichtig sein. Viele dieser Patienten vertragen Temperaturen bei Minusgraden nicht – sie sollten an diesen Tagen in die Halle wechseln. Alle anderen müssen ihre persönliche „Kälte-Toleranz“ herausfinden. Diese liegt irgendwo zwischen -5° und -20°, die meisten Sportler kapitulieren bei -10° bis -15°. Wichtig ist dabei, dass man bei Kälte die Atemwege schont, also mehr im Grundlagenausdauerbereich trainiert, um das sehr tiefe, also Bronchien-belastende Atmen zu reduzieren. Kalte Atemluft kann auch beim Gesunden zu einer übermäßigen Verengung der Atemwege (Broncho-Konstriktion) führen. Auch sollte man die Nasenatmung bevorzugen, da hierbei die Atemluft angewärmt wird.

Was genau versteht man unter einer Kälteallergie?

Dr. Joachim Schubert: Die Kälteallergie ist eine Form der Nesselsucht. Bei direktem Kontakt mit Kälte oder bei kaltem Wind auf der Haut kommt es zu einer Histamin-Ausschüttung (ein Gewebehormon, das bei allergischen Reaktionen eine wichtige Rolle spielt), die zu Gefäß- und Hautreaktionen führen kann. Das ist zwar meist harmlos, kann bei intensiver Exposition aber zu schweren Kreislaufreaktionen führen.  Wenn man zur Nesselsucht neigt (also auch bei anderen Expositionen entsprechende Reaktionen bemerkt – zum Beispiel beim Genuss von Nüssen, Erdbeeren etc.), dann sollte man einen Dermatologen oder Allergologen aufsuchen.

Laufen bei Kälte: Ein richtiges Aufwärmprogramm ist unverzichtbar.
Laufen bei Kälte: Ein richtiges Aufwärmprogramm ist unverzichtbar. © Unbekannt | Unbekannt

Während der Anstrengung haben Sportler die kalte Außentemperatur schnell vergessen. Wie sollten sich Läufer für das Training kleiden? Dick eingepackt oder eher luftig-sportlich?

Dr. Joachim Schubert: Auch hier sollte sich jeder individuell auf die Kälte einstellen. Zu dick verpackt ist sicherlich ungünstig – man wird schnell sehr stark schwitzen und kann sich unterkühlen. Die Kleidung sollte die Feuchtigkeit nach außen transportieren und den Wind abhalten (Funktionskleidung), dabei nicht beengen und leicht sein. Diese Bekleidung findet man in jedem Fachgeschäft.

Erhöhen Sportler durch ein Training im Winter das Risiko, sich eine Erkältung einzufangen?

Dr. Joachim Schubert: Nein, es sei denn, man neigt dazu, schnell Erkältungen zu bekommen. Treibt man regelmäßig in der Kälte Sport – gut bekleidet, vitaminreiche Nahrung vorausgesetzt und frei von Krankheiten – sollte man gegen Erkältungskrankheiten besser gewappnet sein.

Welche Verletzungsrisiken bestehen generell zur kalten Jahreszeit und vor allem: Wie kann man diese vermeiden?

Dr. Joachim Schubert: Muskelverletzungen können auftreten, wenn man sich nicht ausreichend aufwärmt. Dies sollte man tatsächlich berücksichtigen und die Muskeln sehr schonend auf das Training einstimmen. Sonst natürlich Vorsicht: bei Schnee und Eis besteht erhöhte Rutschgefahr und damit können Schäden an Bändern und Sehnen oder auch Prellungen aller Art durch Stürze auf glattem Untergrund verbunden sein.

Ist vor dem Training im Winter gegenüber anderen Jahreszeiten ein spezielles Aufwärmprogramm vonnöten?

Dr. Joachim Schubert: Es empfiehlt sich, sehr langsam im Grundlagenausdauerbereich I anzufangen und erst zu steigern, wenn man sich tatsächlich warm fühlt – von Kopf bis Fuß, wenn man das Gefühl hat, das alle Gelenke „eingelaufen“ sind.

Muss der Trainingsplan generell angepasst werden? Benötigt der Körper im Winter häufiger Ruhepausen?

Dr. Joachim Schubert: Ja, auf vermehrte Ruhephasen sollte geachtet werden. Zu empfehlen ist in den kalten Wochen das sogenannte Grundlagentraining in niedrigen Pulsbereichen (genau zu ermitteln durch eine Leistungsdiagnostik). Empfehlenswert zum Beispiel ist die Abwechslung mit dem Schwimmen in der Halle. Das Radfahren in der Kälte limitiert sich von selbst, da bemerkt der Sportler schnell seine persönliche Befindlichkeitsgrenze.

Hand aufs Herz: Wäre für Sie persönlich im Winter das Training in einer beheizten Halle eine Alternative?

Dr. Joachim Schubert: Keinesfalls. Ich habe das Laufen im Freien auch gerade im Winter sehr genossen. Einmal mit einer Fußballmannschaft im Trainingslager an der Ostsee – bei minus 10 Grad, Tag für Tag. Das war herrlich.

Das Gespräch führte Dirk Hein

Ihre Frage, bitte! In seiner Onlinesprechstunde beantwortet unser Experte Dr. Joachim Schubert die Fragen der DerWesten-Leser rund um das Thema Laufen. Schreiben Sie eine Mail an dr.schubert@derwesten.de. Die Antworten lesen Sie regelmäßig auf www.derwesten.de/schubert.