Essen. Caroline Masson aus Gladbeck ist Deutschlands beste Golferin. In den USA hält sie sich auf Golfplätzen fit - und hofft, dass es bald weitergeht.
Ein Anruf bei Deutschlands bester Golferin. Weil Caroline Masson in Florida lebt, ist es hierzulande bereits Abend. Die 30 Jahre alte Gladbeckerin kommt gerade, sechs Stunden zurückgerechnet nach amerikanischer Ostküstenzeit, vom Platz. Wie in der restlichen Sportwelt hat die Coronavirus-Pandemie auch die LPGA, die größte Golf-Tour für Frauen, vorübergehend zum Erliegen gebracht. Immerhin, Masson, die Nummer 36 der Weltrangliste, kann noch regelmäßig auf die Golfbahnen, um sich fit zu halten. „Es ist alles anders und merkwürdig“, sagt Masson. „Aber wir sind gesund, das ist die Hauptsache.“
Frau Masson, kommen Sie gerade von der Driving Range oder von einer Runde?
Carolin Masson: Ich habe eine Runde gespielt. Das war auch sehr ordentlich.
Halten Sie gerade mit Golfprofis im Wartestand ein Trainingscamp ab?
Masson: Nein, gar nicht. Ich bin mit Freunden und Bekannten unterwegs. Wir haben zwei gegen zwei gespielt. Bei meinem Spielpartner ist das ein wenig wie eine Wundertüte, da weiß man nie, was dabei herumkommt. Er hat gut gespielt, ich habe ordentlich gespielt – wir haben den Zock gewonnen.
Dass Profis sich so in Form halten…
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Masson: Das ist das Gute am Golf: Man muss nicht unbedingt auf einem Level sein, um mit- oder gegeneinander zu spielen. Mit ein paar Extraschlägen hier und da lässt sich das sehr ausgeglichen darstellen. Wir haben einfach Spaß – und der steht für mich an erster Stelle. Also rauszugehen, das Spiel zu genießen ohne Erfolgsdruck, der sonst immer da ist. Es ist gerade halt nicht die Zeit, um von morgens bis abends zu trainieren. Ich will mir den Spaß und das Rüstzeug behalten, was ich mir für die Saison aufgebaut habe. Wenn es wieder los geht, will ich hundertprozentig motiviert sein.
Fühlt sich gerade das Golfspielen anders an?
Masson: Wir hatten das Glück, dass die Golfplätze hier nicht geschlossen waren, es gibt andere Countys in Florida, in denen man nicht auf die Spielbahnen durfte. Aber es ist anders. Wenn ich in den zwei Monaten in der Offseason frei habe, fasse ich ein paar Wochen wirklich keinen Schläger an, lege aber dann wieder richtig los. Jetzt bin ich bereit und gut vorbereitet, weiß aber, dass ich Monate nicht spielen werde. Jetzt mal 18 Löcher zu gehen, ist etwas anderes als eine Turnierrunde, wo du mit dem Caddy jeden Schlag detailliert und bestmöglich planst. Jetzt ist es einfach entspannter.
Wie schwer fällt es Ihnen, seit Februar keine Turniere mehr spielen zu können?
Masson: Normalerweise hätte ich zu diesem Zeitpunkt der Saison bereits acht Turniere auf der Tour gespielt, so sind es nur zwei. Der erste Termin ist für Mitte Juni angesetzt, wird wohl auch noch auf Anfang Juli verschoben. Golf wird spannend – ich kann es mir aber momentan noch nicht so richtig vorstellen, wie es funktionieren soll. Wir sind eine globale Tour mit internationalen Spielerinnen, die teilweise nicht in den USA leben. Die ersten Turniere sind aber hier – wie läuft das dann mit der Quarantäne ab? Wir haben derzeit noch nicht so viele Infos und müssen daher geduldig bleiben.
Wie überbrücken Sie die Zeit mental?
Masson: Ich versuche, das Positive in dieser Zwangspause zu sehen. Ich möchte es trotzdem genießen, um dann neue Motivation aufzubauen. Wenn es losgeht, will ich mich darauf freuen und Bock haben. Je länger man weg vom Sport ist, desto mehr vermisst man ihn mit der Zeit und hat dann auch wieder 100 Prozent Lust.
Zumal es ja auch Ihr Beruf ist.
Masson: Für Sportler ist es eine beunruhigende Zeit. Manchmal denke ich: Wir haben Glück, wenn wir nächstes Jahr ansatzweise wieder das machen können, was wir sonst auf der Tour erleben. Man hat kein Einkommen, keine Chance, da etwas zu machen. Aber ich muss sagen, dass ich mich glücklich schätzen kann, dass mir dies im elften Jahr der Karriere passiert und ich finanziell einige Rücklagen habe, dass es mich nicht so ganz hart trifft.
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Laufen denn die üblichen Kosten weiter?
Masson: Es ist ein Vorteil, dass, was das Golfspielen angeht, bei ausbleibenden Einnahmen keine Kosten anfallen. Die sind normal sehr hoch: Trainerkosten, Caddy, Flüge, Hotels, Startgelder für Turniere, die Woche für Woche für jedes Turnier bezahlt werden. Das liegt zum Glück auch auf Eis.
Kann man einen Monatsausfall genauer beziffern?
Masson: Ich würde es eher auf eine Saison herunterbrechen. Grundsätzlich: Das hängt immer davon ab, wie gut und erfolgreich man spielt. Caddys werden prozentual beteiligt. Aber in einem guten Jahr muss man für Caddy, Trainer und Reisekosten schon mal mit 200.000 Dollar rechnen.
Nicht gerade ein Pappenstiel.
Masson: Stimmt. Und es ist auch das, was nicht gesehen wird. Klar, die Preisgelder im Golf sind sehr gut, auch im Vergleich mit vielen anderen Damensportarten. Aber man ist komplett auf sich selbst und eventuell noch Sponsoren angewiesen. Man muss Woche für Woche Leistung bringen, um Geld zu verdienen. Spielst du schlecht, machst du nicht den Cut, verdienst du nur wenige oder gar keine Dollar. In anderen Sportarten haben Athleten Verträge mit garantierten Summen – egal, ob man gut oder schlecht spielt, man verletzt ist oder gerade Corona ist.
Mit Ihrem Verlobten Jason, der auch Ihr Caddy ist, leben Sie in Florida, vor zwei Jahren ging es von Orlando nach Melbourne an die Ostküste. Seit wann haben Sie den Sunshine State nicht mehr verlassen?
Masson: (lacht) Ich war vielleicht 13 Jahre alt, als ich das letzte Mal so lange an einem Ort war. Es ist nicht verboten zu reisen, wurde den Leuten aber schon nahe gelegt, es nicht zu tun. Aber gerade in Florida gibt es viele Reisende – hier nennt man sie Snow Birds (Schneevögel, d.Red.), Menschen aus den nördlichen Staaten, die hier einen Zweitwohnsitz haben und nach dem Winter in der Sonne wieder nach Hause fahren. Von denen kamen viele wieder, gerade aus New York, als die Lage dort schlimmer wurde.
Es gibt ja einen berühmten New Yorker, der auch sehr gerne in Florida ist: Donald Trump hat dem Coronavirus persönlich den Kampf angesagt, da kann eigentlich nichts mehr schief gehen.
Masson: Trump hält täglich lange Pressekonferenzen ab. Ich möchte mich nicht politisch äußern, aber so wie es in Deutschland gehandhabt wird, ist es wohl besser: Wenn etwas von Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt wird, ist es an die Bevölkerung gerichtet. Und nicht wie hier an Journalisten. Die Fernsehsender berichten nicht sonderlich neutral – die einen sind pro Trump, die anderen contra. Da ist es unheimlich schwierig, das genau einzuschätzen.
Haben Sie den US-Präsidenten eigentlich mal auf dem Golfplatz erlebt?
Masson: Begegnet bin ich ihm richtig noch nicht. Wir haben vor ein paar Jahren mal die US Open auf einem seiner Plätze gespielt. Da kam er dann mal fürs Wochenende vorbei. Es war verrückt, wie dann die Sicherheitsvorkehrungen geändert wurden. Alles wurde kontrolliert, er saß dann in einer Box aus kugelsicherem Glas, um ein, zwei Löcher überblicken zu können.
Wenn Sie mal mit ihm auf dem Platz stünden: Was würden Sie ihm sportlich raten?
Masson: Er soll ja angeblich schon sehr gut sein. Ich müsste mir erst einmal sein Spiel ansehen, um dann Ratschläge zu erteilen.
Na, von der 36. der Weltrangliste könnte er sich trotzdem noch einiges abschauen. Sie haben Ihre erfolgreichste Saison hinter sich.
Masson: Ich habe das ganze Jahr über gut und konstant gespielt, aber irgendwie wollten die Top Tens nicht her. Und dann ist es so: Je mehr du versuchst, desto schwieriger wird es. Aber nach zehn, elf Jahren weiß ich auch, dass man geduldig sein muss. Zum Ende der Saison kamen dann auch die Top Tens. Und beinahe in Taiwan auch der zweite Sieg nach 2016. Ich hatte einen Putt an der 18 zum Sieg – keinen, der unbedingt rein musste. Ich habe dann leider im Stechen verloren. Aber mich in die Situation zu bringen, am Sonntag am 72. Loch um den Sieg mitzuspielen, war ein cooler Abschluss.
Und eigentlich auch ein perfekter Übergang ins Jahr 2020, oder?
Masson: Dazu kam es jetzt ja leider nicht. Aber grundsätzlich zeigt meine Entwicklung Jahr für Jahr immer noch nach oben. Das ist sehr schön. Wenn man Stillstand empfindet, erschwert das die Motivation. Da ich mich aber immer noch stetig verbessere, mache ich mir auch keine Gedanken, dass ich zuletzt einen guten Trend hatte und der sich jetzt nicht fortsetzen konnte. Mein Spiel und mein Schwung sind konstant besser geworden, um auch diese Situation jetzt zu überdauern – wann immer wir wieder rausgehen und spielen werden.