Kiew. Engelsflügel, die nackte Gattin und heimliche Botschaften: In Polen und in der Ukraine findet derzeit die wohl tätowierteste Endrunde der EM-Geschichte statt. Mit Stolz präsentieren die Spieler ihre Kunst am Körper. Einige der Bilder haben allerdings auch einen sehr traurigen Hintergrund.

Der Drache schlug zu - und stach das Herz-Ass eiskalt aus. Danach: verkehrte Welt. Ukraines Matchwinner Andrej Schewtschenko hielt sein altertümliches Glücksbringer-Tattoo am Oberarm auch nach dem 2:1 des EM-Mitausrichters brav versteckt. Schwedens Torschütze Zlatan Ibrahimovic indes präsentierte sich in voller Pracht, mit all seinen bunten Körperbildern. Spielkarten, Zahlencodes und Krieger-Symbole der Marke 'Ibrakadabra' scheinen zu bestätigen: In Polen und der Ukraine findet derzeit die wohl tätowierteste Endrunde der EM-Geschichte statt.

Zumindest in Sachen Orginalität setzt das Turnier neue Maßstäbe. Auch dank Daniele de Rossi, der Bahn-, oder vielleicht sogar Beinbrechendes präsentiert. Der italienische Nationalspieler aus der heiligen Stadt Rom hat sich ein Grätschen-'Warnschild' auf die rechte Wade tätowieren lassen. Fehlt nur noch der Hinweis: Bitte fünf Meter Abstand halten. Entsprechend energisch fegte 'Sensenmann' de Rossi im Auftaktspiel der Squadra Azzurra gegen Spanien (1:1) auch dazwischen.

Fernando Torres trägt seinen Vornamen in Elbenschrift

Apropos Spanien: Der Welt- und Europameister mag es in Sachen Tattoos weniger platt. Auf verspielte Akzente setzt Stürmer Fernando Torres vom FC Chelsea. Der 'Herr der Ringe'-Fan hat sich auf den Arm seinen Vornamen in Tengwar, der Elbenschrift aus Tolkiens Fantasy-Epos, eintätowieren lassen. Quasi ein Stück Mittelerde in Danzig - Torres sei Dank. Ganz weltlich bei ihm dagegen die eingestochene Trikotnummer auf dem Unterarm. Die Ziffer '9' kann allerdings je nach Perspektive des Betrachters für Verwirrung sorgen. Dann würde aus dem filigranen Torres plötzlich ein beinharter 'Sechser'.

Einen ernsten Hintergrund haben die Tattoos seines Teamkollegen Sergio Ramos - sie gehen doppelt unter die Haut. Der Abwehrspieler von Real Madrid erinnert mit seiner Botschaft an die Terroranschläge von New York und Madrid - und hat sich auf Englisch einen berührenden Satz stechen lassen: 'The spirit of those dead lies in the memory of those alive' (Der Geist der Toten liegt in der Erinnerung der Lebenden).

Werder Bremen verbietet seinen Profis neue Tattoos in der Saison

Ansonsten allenthalben und trotz Trikots bei dieser EM gut sichtbar: Initialen der Liebsten, Madonnen und heimliche Botschaften. Masse statt Klasse. Zumindest in Sachen Tätowierungen. Den sich abzeichnenden Trend hat offenbar schon ein Klub vorausgeahnt - und reagiert. Bereits vor geraumer Zeit hatte es Bundesligist Werder Bremen seinen Profis verboten, sich während der Saison Tattoos stechen zu lassen. Die Gefahr von Entzündungen sei zu groß. 'Es kam vor, dass Spieler für einige Tage ausgefallen sind', sagte Manager Klaus Allofs.

Deshalb ließ sich Tim Wiese auch in den Spielpausen bebildern: Sogar seine Gattin Grit in verführerischer Pose trägt der Nationalkeeper auf dem Arm. 'Frau oder Freundin, das hätte ich nicht gemacht', urteilte Wieses Werder-Kollege Marko Arnautovic, selbst eine wandelnde Litfasssäule.

Stammbaum der Familie mit 21 Namen

In der DFB-Auswahl macht vor allen Dingen Jerome Boateng Wiese Konkurrenz. Der Bayern-Verteidiger hat sich auf dem Rücken gleich den Stammbaum der Familie mit 21 Namen stechen lassen. 'Seine ersten Tattoos hat er lange vor mir versteckt gehalten. Ich verstehe nicht, wie man sich freiwillig Schmerzen zufügen kann', klagte Boatengs Mutter Nina einst im Magazin '11 Freunde'.

Viele Fußballer sehen das anders: Englands Stürmerstar Wayne Rooney trägt ganz patriotisch die englische Flagge auf dem Arm. Der Ire Stephen Ireland kommt mit tätowierten Engelsflügeln auf dem Rücken ein wenig abgehoben daher. Die Annahme aber, dass die Masse der Körperbilder auf eine wilde Lebensweise ihres Trägers schließen lässt, stimmt offenbar nicht. 'Ich bin ein Spießer im Tattoo-Pelz', meinte Stefan Kretzschmar, nicht zuletzt wegen seiner Tätowierungen als 'Enfant Terrible' des deutschen Handballs bezeichnet. (sid)