Nach dem einzigartigen Betrugsfall zweier Dopingkontrolleure fordern Experten die Schließung der Lücken im Kontrollsystem. "Es muss künftig verstärkt eine Qualitätskontrolle der Firmen stattfinden, die hier im Einsatz sind", sagte Michael Vesper, Generalsekretär des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), dem Sport-Informations-Dienst (SID): "Ich gehe davon aus, dass der Vorfall und notwendige Konsequenzen auf der nächsten Kuratoriumssitzung der NADA zur Sprache kommen werden."
Auch Doping-Experte Werner Franke fordert ein Umdenken. "Es müssen erstens Leute kontrollieren, die nicht bestechlich sind, beispielsweise ehemalige Kriminalbeamte. Zweitens müssen auch die Kontrolleure kontrolliert werden", sagte der Molekularbiologe dem SID: "Das ist nicht aufwendig. Jeder Kontrolleur muss jederzeit auffliegen können."
Am Sonntag war durch einen Bericht der ARD-Sportschau und des WDR-Magazins "sport inside" bekannt geworden, dass ein Dopingkontrolleur bei zwei Handballspielen nicht erschienen war. Anstatt eine ordnungsgemäße Probe von den zu kontrollierenden Handballspielerinnen zu nehmen, soll eine Bekannte insgesamt achtmal beauftragte und abgerechnete Proben mit eigenem Urin gefüllt haben. Die entsprechenden Abnahmeprotokolle seien fingiert und mit gefälschten Unterschriften der Sportlerinnen eingereicht worden.
DHB stellte bereits im Februar Strafanzeige
"Wir ermitteln gegen den Mann wegen Betrug und Urkundenfälschung, gegen die Frau wegen Beihilfe dazu", sagte Jochen Seiler von der Staatsanwaltschaft Mannheim. Die geschädigte Firma Serco, die den Mann als freien Mitarbeiter beschäftigt hatte, sowie der Deutsche Handball-Bund (DHB) hatten bereits im Februar Strafanzeige gestellt.
"Beide Personen haben von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Eine DNA-Probe wurde inzwischen durchgeführt, das Ergebnis steht allerdings noch aus", so Seiler. Als Strafmaß könnten bis zu fünf Jahren Haft verhängt werden.
Auch Doping-Analytiker Wilhelm Schänzer sieht die Kontrolleure in der Pflicht. "Die Kontrolleure haben eine wichtige Position. Wenn die manipulieren, haben wir eine ganz schwierige Situation", sagte der Leiter des Instituts für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule in Köln: "Ein Polizist muss sich auch korrekt verhalten."
In dem IOC-akkreditierten Doping-Labor war der Betrug aufgefallen und durch einen Steroidprofilvergleich der Proben nachgewiesen worden. "Dieses Verfahren ist wie ein DNA-Test sehr aufwendig und wird nicht routinemäßig, sondern nur bei Verdachtsmomenten gemacht, wenn beispielsweise Proben identisch aussehen", sagte Schänzer.
"Stereoidprofilpass" soll kommen
In Zukunft könnte eine solche Art der Manipulation sowieso bedeutend schwieriger werden. Schon seit einiger Zeit arbeitet die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) an der Einführung eines sogenannten "Stereoidprofilpass". Mit diesem könnte eine Probe einem Sportler "mit hoher Sicherheit" zugeordnet werden, und Unregelmäßigkeiten würden auffallen. "Die WADA hat das Projekt auf der Agenda", sagte Schänzer: "Es wird aber noch einige Zeit dauern."
Der Deutsche Handball-Bund (DHB) hat den Vertrag mit der beauftragten Firma bereits gekündigt. "Wir haben über zehn Jahre mit der Firma zusammengearbeitet und konnten nur Positives berichten", sagte DHB-Sportdirektor Peter Sichelschmidt. Die Firma war unter anderem auch für die Dopingproben bei der Handball-WM 2007 in Deutschland zuständig. Dennoch will der DHB auch in Zukunft die Wettkampfkontrollen in Eigenregie durchführen, mit den Tests wurde eine andere Firma beauftragt.