Danzig.. Kein Angst vor Italien: Bundestrainer Joachim Löw und Miroslav Klose lassen sich auch von der Vergangenheit nicht schrecken und sehen dem Halbfinale mit Zuversicht entgegen.
Die Zeit ist reif. Nach mehr als 50 Jahren will die deutsche
Nationalmannschaft ihre schwarze Turnier-Serie gegen Italien beenden und ein
weiteres Kapitel Fußball-Geschichte schreiben. „Wir sind sehr gut vorbereitet,
Italien kann kommen. Wir haben eine super Mannschaft. Wenn wir unsere Leistung
abrufen und zu unserem Spiel finden, sind wir nur schwer zu schlagen“, sagte
Italien-Spezialist Miroslav Klose am Dienstag mit breiter Brust. Er unterstrich
die kollektive Zuversicht der deutschen Spieler, die sich zur Einstimmung auf
Heldentaten am Dienstagabend den Film „Amazing Spiderman“ ansehen wollten.
Auch Bundestrainer Joachim Löw, der voll auf Bastian Schweinsteiger setzt, ist
überzeugt, dass Italien diesmal nicht zum Stolperstein für die DFB-Auswahl wird
- anders als etwa bei der Heim-WM 2006. „Das spielt keine Rolle. Diesmal wird
es anders sein“, betonte Löw - und DFB-Präsident Niersbach ergänzte im
SID-Gespräch in aller Deutlichkeit: „Die Zeit ist jetzt reif, vielleicht sogar
überreif.“
Team-Senior Klose (34) will von einem Knacks oder Trauma nichts wissen. Das sei
„Schwachsinn“. Um jedoch nicht erneut ein böses Erwachen gegen die Azzurri um
den überragenden Andrea Pirlo zu erleben, hat Löw einen (Master-)Plan: „Wir
wollen Italien unseren Rhythmus aufzwingen, die Initiative ergreifen und die
Italiener mit unserem Spiel zurückdrängen“, sagte der DFB-Coach: „Dann werden
wir auch gut und stark sein.“
WM-Niederlage von 2006 hat keine Bedeutung
Seit dem 0:0 am 31. Mai 1962 bei der WM setzte es in sechs Duellen mit Italien
bei Welt- oder Europameisterschaften drei weitere Unentschieden und drei
Niederlagen. Zuletzt hatten die Azzurri das deutsche Sommermärchen am 4. Juli
2006 durch ein 2:0 n.V. im Halbfinale jäh beendet.
Dieses Spiel sei aber kein Maßstab, „das hat keine Aussagekraft“, verdeutlichte
Löw: „Italien hat eine ganz andere Mannschaft, die sich enorm weiterentwickelt
hat. Sie ist verjüngt, spielt einen anderen Fußball und ist verstärkt auf
Offensive ausgerichtet.“
Khedira und Schweinsteiger sind gefragt
Vor allem haben die einstigen Defensivkünstler einen Spieler wie Pirlo in ihren
Reihen, der selbst dem Bundestrainer Respekt abnötigt. „Er erlebt so etwas wie
eine Renaissance. Nach 2010 hatte man eigentlich gedacht, dass er über das
Alter hinaus ist. Aber er ist ein hervorragender Fußballer, ein genialer
Stratege.“
Doch auch wenn der 34-Jährige der DFB-Auswahl „weh tun kann“, eine Manndeckung
der italienischen Schaltzentrale sei „sinnlos“. Man werde aber „gewisse
Aufgaben verteilen, um ihn zu behindern“.
Dies könnte insbesondere Sami Khedira und auch Schweinsteiger betreffen. Trotz
aufkommender Zweifel an Schweinsteigers Fitnesszustand hat sich Löw klar für
einen Einsatz des zuletzt leicht angeschlagenen Münchners ausgesprochen.
„Wir brauchen ihn auf dem Platz, er ist ein emotionaler Leader. Er ist mit
seiner Ruhe am Ball, seiner Physis und seiner Präsenz auf dem Platz sehr
wichtig für uns“, sagte Löw. Auch dass Schweinsteiger selbst eingeräumt hat,
ihm fehle derzeit die „Handlungsschnelligkeit“, sieht Löw nicht als Problem: „Ich
bin sicher, dass wir das hinbringen.“
Damit steht für Donnerstag zumindest die Defensive. Offen ist dagegen die
Besetzung der Offensive. Seinen Platz sicher hat nur Spielmacher Mesut Özil.
Torjäger und Italien-Legionär Klose von Lazio Rom geht nach seinem Treffer im
Viertelfinale gegen Griechenland (4:2) auch davon aus, „dass ich spiele“.
Er vertraue aber der Entscheidung von Löw, der „bisher ein gutes Händchen“
gehabt habe. „Und wir haben zwei super Stürmer.“ Dennoch dürfte Klose gegenüber
dem dreifachen EM-Torschützen Mario Gomez erneut leicht im Vorteil sein.
"Never change a winning team" gibt es bei Joachim Löw nicht
Auf der rechten Außenbahn kämpfen Marco Reus und Thomas Müller um einen Platz,
wobei Reus nach seiner jüngsten Vorstellung bessere Karten zu haben scheint.
Links könnte dagegen der erfahrenere Lukas Podolski wieder den Vorzug vor Andre
Schürrle erhalten.
Dass Löw nicht auf die These „Never change a winning team“ setzt, hatte er
schon nach den drei Siegen im Viertelfinale bewiesen. Entsprechend stellte er
auch vor dem Italien-Spiel klar, dass er „abwägen“ muss. „Ich mache meine
Aufstellung nicht vom letzten Ergebnis, sondern vom kommenden Gegner abhängig.“
Das einzige, so Löw, was immer gleich bleiben müsse, sei „unsere Philosophie“.
Und die ist auf das große Ziel ausgerichtet: die Teilnahme am Finale am Sonntag
in Kiew. Mit der Planung für einen Empfang in Deutschland nach der EM will Löw
(noch) nicht behelligt werden.
Müller will endlich Erster werden
Er habe Teammanager Oliver Bierhoff gebeten, ihn damit nicht zu stören. „Ich
habe immer gesagt, dass wir nicht den zweiten vor dem ersten Schritt machen
dürfen. Ich freue mich, wenn wir uns dann am Freitag gemeinsam ein paar
Gedanken machen“, sagte Löw.
Gedanken macht sich zumindest schon Bayern-Profi Müller über den
Donnerstagabend hinaus: „Ich habe jetzt zweimal den Erfolg in der Königsklasse
knapp verpasst, in dieser Saison sind wir mit Bayern dreimal Zweiter geworden.
Das reicht jetzt langsam. Von zweiten Plätzen habe ich genug.“ Und von den
Geschichten über Pleiten gegen Italien auch.
Die voraussichtliche deutsche
Aufstellung:
1 Neuer - 20 Boateng, 5 Hummels, 14 Badstuber, 16 Lahm - 7 Schweinsteiger, 6
Khedira - 21 Reus (13 Müller), 8 Özil, 10 Podolski (9 Schürrle) - 11 Klose. -
Trainer: Löw
(sid)