Leverkusen. Die Abwehr war in der vergangenen Saison das Problem von Bayer Leverkusen. Mit Sami Hyypiä holte die Werkself einen 36-jährigen finnischen Verteidiger. Das erstaunliche Ergebnis: Plötzlich steht die Bayer-Defensive.
Es könnte natürlich sein, dass nur die richtigen Leute gefehlt haben. Patrick Helmes ist immer noch verletzt, Paolo Guerrero und Mladen Petric werden in diesem Jahr kein Spiel mehr absolvieren, und Ivica Olic ist zu den Bayern gewechselt. Vor einem Jahr standen die vier Stürmer noch beim 3:2-Sieg des Hamburger SV über Bayer Leverkusen auf dem Platz, alle vier haben in einem mitreißenden Spiel getroffen und hinterher feierte sich die Liga für ihren neu entdeckten Mut zur Offensive. Sogar in Spitzenspielen. Geblieben ist davon so gut wie nichts: Der HSV und Leverkusen trennten sich beim Gipfel am Wochenende 0:0, und diesmal feiert die Liga einen Abwehrspieler, wenn auch einen ganz und gar erstaunlichen: Sami Hyypiä. Der Mann, der sogar Leverkusen das Verteidigen beibringt.
Mitreißend schön nach vorne - aber nach hinten?
Wer Bayer nicht mag, und dazu sollen nicht nur Kölner zählen, konnte sich bisher beruhigt zurücklehnen. Wer Bayer anhängt, und das sollen nicht nur Leverkusener sein, musste regelmäßig zittern: Das Team spielte offensiv und ansehnlich, manchmal sogar mitreißend schön. Aber irgendwann brach die Elf ein, weil sie in zu vielen Spielen ins Verderben rannte, weil sie Verteidigen für eine Todsünde zu halten schien. Man konnte im Laufe einer Saison die Uhr danach stellen. So entglitten zwei Meisterschaften, sogar ein Triumph in der Champions League. So entstand Bayer Vizekusen.
Sami Hyypiä sind die Häme und die Enttäuschungen, die Bayer ertragen musste, erspart geblieben. Er hat die letzten zehn Jahre, und damit sein halbes Leben als Profi beim FC Liverpool verbracht. Das hat den Finnen geprägt; so sehr, dass er sich innerhalb der Premier League einen Wechsel nicht vorstellen konnte. Er hält den englischen Fußball immer noch für stärker als den deutschen, auch nach dem Spitzenspiel in Hamburg. „Die Premier League ist anspruchsvoller als die Bundesliga”, hat Hyypiä gesagt. Das war nicht böse gemeint, es klang nicht überheblich, es war einfach eine Einschätzung nach 314 Liga-Spielen für die Reds und, nun ja, ein paar weniger für die Roten aus Leverkusen.
Eine Legende in Liverpool
Sami Hyypiä, auf den sich im Moment bei Bayer alles stürzt, ist jetzt 36 Jahre alt, er war eine Legende in Liverpool, er hat über 100 Länderspiele für Finnland gemacht. „Ein Top-Vollprofi”, sagt sein Trainer Jupp Heynckes. Hyypiäs erstaunliche Fitness ist eine Sache. Die andere sind diese Dinge, die man nicht lernen kann: seine fast einschüchternde Präsenz auf dem Platz, die eine Frage der Ausstrahlung ist, nicht so sehr seiner 1,95 Meter Körpergröße. Und die Fähigkeit, die nächste Spielsituation zu erahnen. Hyypiä kann sich viele Schritte schenken, weil er dort steht, wo der Ball erst hinkommt.
Er sei ein lässiger Typ, mit dem man viel lachen könne, sagt Stefan Kießling über den Finnen, der noch kein Deutsch spricht, aber mehr versteht, als er sich anmerken lässt. Hyypiä selber sagt, er fühle sich so wohl in Deutschland, weil er wieder mehr spiele als in seinem letzten Jahr in Liverpool.
Hüne Hyypiä gewann 83 Prozent seiner Zweikämpfe
Wie er das macht, nötigt mehr und mehr Respekt ab. In Hamburg hatte er es nicht mit den besten Stürmern der Liga zu tun, aber auf dem Statistik-Zettel, der nach jeder Bundesliga-Partie verteilt wird, stand unter der Rubrik „Gewonnene Zweikämpfe”: 83 Prozent. Das ist ein unglaublicher Wert, aber das wirklich Erstaunliche war, dass sich niemand erinnern konnte, welche Zweikämpfe Hyypiä verloren haben sollte. Leverkusens Neuer hat sich das angehört, er hat gelächelt und schließlich gesagt: There is no perfect day. Es gibt keinen perfekten Tag.
Aber manchmal fehlt nicht viel.