Rio de Janeiro. Nach einer bunten und stimmungsvollen Show haben die XXXI. Olympischen Spiele in Rio de Janeiro mit einem politischen Eklat begonnen.

Die von Brasiliens Interimspräsident Michel Temer gesprochene Eröffnungsformel ging am Freitagabend (Ortszeit) in einem gellenden Pfeifkonzert der 50 000 Zuschauer unter. Aus Angst vor lautstarken Unmutsbekundungen war schon zu Beginn der ansonsten sehr unterhaltsamen und effektvollen Eröffnungsfeier auf eine Begrüßung des umstrittenen Politikers verzichtet worden. 

Auch IOC-Präsident Thomas Bach hatte das derzeitige Staatsoberhaupt des Olympia-Gastgebers in seiner Ansprache nicht - wie normalerweise üblich - erwähnt.

Der ausgelassenen Stimmung unter den Athletinnen und Athleten aus über 200 Nationen tat Temers Blamage keinen Abbruch. Auch die von Fahnenträger Timo Boll angeführte deutsche Mannschaft genoss die Party-Atmosphäre im Maracanã-Stadion, wo der ehemalige Marathonläufer Vanderlei de Lima um kurz vor Mitternacht die olympische Flamme entzündete. "Was für eine Atmosphäre", twitterte Golfer Martin Kaymer begeistert.

Um 23.27 Uhr hatte Temer kaum hörbar gesagt: "Ich erkläre die Spiele von Rio de Janeiro zur Feier der XXXI. Olympiade für eröffnet." Unmittelbar danach wurde laute Musik eingespielt.

Zuvor hatten sich die Brasilianer mit einem musikalischen und tänzerischen Abriss von Geschichte und Gegenwart des Landes dem weltweiten Milliarden-Publikum an den Fernsehgeräten als sympathischer Gastgeber präsentiert.

Zu Beginn der Party, in der auch ernste Themen wie der Klimawandel nicht zu kurz kamen, wurde Thomas Bach von den 50 000 Zuschauern mit Beifall empfangen. Als Tischtennis-Ass Boll das deutsche Team um kurz vor zwei Uhr (MESZ) in die Arena führte, erhob sich der deutsche Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) von seinem Sitz und winkte freudig.

In seiner Ansprache lobte er später: "Die ersten Spiele in Lateinamerika strahlen in die ganze Welt aus." Besonders herzlich begrüßte Bach das Flüchtlingsteam. "Wir leben in einer Welt, in der sich gewisse Menschen über andere stellen wollen. Aber hier ist unsere olympische Antwort. Wir heißen euch willkommen als Bereicherung", sagte Bach.

Der Tauberbischofsheimer war zuletzt weltweit in die Kritik geraten, weil das IOC Russland trotz erwiesenen Staatsdopings nicht von den Sommerspielen ausgeschlossen hatte. Immerhin 274 Sportlerinnen und Sportler aus dem Putin-Reich hatten vor dem ersten Wettkampftag eine Starterlaubnis erhalten. Nur vereinzelt waren Pfiffe gegen das Team zu hören.

Ihren Höhepunkt erreichte die Stimmung beim Einmarsch der Gastgeber. Nur Temer blieb fast regungslos. Ihm wird von linken Gruppen vorgeworfen, im Kongress Bündnisse mit der bisherigen Opposition geschmiedet zu haben, um Mehrheiten für die Amtsenthebung der momentan suspendierten Präsidentin Dilma Rousseff zu erreichen.

Noch unmittelbar vor Beginn der Eröffnungsfeier hatte die Polizei einen Protestmarsch rund zwei Kilometer vor dem Stadion unter Einsatz von Tränengas gestoppt. Rousseff äußerte sich via Twitter tief enttäuscht darüber, nicht bei der Eröffnungsfeier im Stadion sein zu können. "Ich bin traurig, dass ich die Feier nicht live und direkt sehen kann", schrieb sie.

Den Beginn der bunten Show bildete ein Ritt durch die Geschichte des Landes mit der Eroberung durch die portugiesischen Kolonialherren und die folgende Sklavenzeit.

Später spazierte Topmodel Gisele Bündchen als "Girl from Ipanema" unter dem Jubel der Fans zu Bossa-Nova-Klängen ganz allein durch die riesige Arena, in der die deutschen Fußballer vor zwei Jahren ihren vierten WM-Triumph bejubelt hatten.

Ein besonderer Augenblick war die Auszeichnung des zweimaligen Leichtathletik-Olympiasiegers Kipchoge Keino aus Kenia, der für seine herausragenden Verdienste um Bildung, Entwicklung, Kultur und Sport den Olympic Laurel (Olympischer Lorbeer) erhielt.

All das verpasste Bundespräsident Joachim Gauck, der seine Reise zur Eröffnung wegen einer Zahnerkrankung kurzfristig absagen musste. In einem Brief an die deutsche Mannschaft wünschte er den 423 Athletinnen und Athleten viel Erfolg.

Er sei sicher, dass alle Sportler Deutschland hervorragend vertreten würden. "Das gilt natürlich auch, wenn es nicht zu einer Medaille reicht. Sie haben es zu den Olympischen Spielen geschafft - das allein ist bewundernswert!", schrieb Gauck am Freitag. Auch Innenminister Thomas de Maizière war nicht live vor Ort.