Essen. Reinhard Grindel ist nicht mehr Präsident des DFB. Das Profilager drängt auf Reformen. Am 27. September wird ein Nachfolger gewählt.
Sein letzter Auftritt war einer mit Symbolcharakter: Reinhard Grindel kam und verschwand auch durch die Hintertür, als am Montagabend in Dortmund im Fußballmuseum die Hall of Fame des deutschen Fußballs eingeweiht wurde. Tags drauf beugte er sich dem Druck, der wegen umstrittener Einnahmen und einem teuren Luxus-Geschenk immer größer wurde, und räumte seinen Posten als Präsident des Deutschen Fußball-Verbands. „Ich bin tief erschüttert, dass ich wegen eines solchen Vorgangs meine Funktion als DFB-Präsident aufgeben muss“, katzenjammerte Grindel.
DFB-Bundestag wählt Nachfolger am 27. September
Eine kurzfristige Nachfolgeregelung war schnell gefunden: Reinhard Rauball und Rainer Koch, bisher die Ersten Vizepräsidenten, führen den Verband, bis beim DFB-Bundestag am 27. September ein Nachfolger gewählt wird. „Unser Ziel ist es jetzt, einen gemeinsamen Kandidaten von DFB und DFL außerhalb des Präsidiums zu finden, der die Anliegen des Amateurfußballs ebenso im Blick hat wie den Spitzenfußball“, erklärte Koch. Doch wer soll das sein?
Die Vertreter der Bundesliga wollen mehr, sie wollen den Verband neu und moderner aufzustellen. „Dieses Amt hat eine enorme Aufgabenfülle – von der Kreisliga C bis zur Fußball-Weltmeisterschaft“, erklärte Peter Peters im Gespräch mit dieser Zeitung. „Das ist ein Spektrum, das normalerweise ein Einzelner nicht bewältigen kann.“ Schalkes Finanzvorstand ist als Vizepräsident der Deutschen Fußball-Liga Mitglied im DFB-Präsidium und fordert: „Wir müssen also unseren Blick nicht nur auf Personen richten, sondern auch mal über Strukturen nachdenken. Aber es gibt noch keine Lösung. Eine Lösung benötigt ja auch Mehrheiten.“
Möglich ist vieles: eine Doppelspitze ebenso ein hauptamtlicher Vorstandsvorsitzender – dann wäre das Amt auch für Kandidaten interessanter, die sonst deutliche Einkommenseinbußen hinnehmen müssten. Philipp Lahm etwa, bislang Organisationschef für die Europameisterschaft 2024 in Deutschland, der aber auch geschäftlich bestens vernetzt ist. Oder Christoph Metzelder, Inhaber einer Agentur und Vorsitzender des Oberligisten TuS Haltern – den sich allerdings der FC Schalke 04 gut als neuen Sportdirektor vorstellen kann. Lahm erklärte am Montag zwar, er habe „überhaupt keine Ambitionen“ auf den Posten. Aber bis September kann sich vieles ändern.
Grindel ließ sich eine Luxus-Uhr von Grigorij Surkis schenken
Beide wären den Vertretern der Bundesliga gut zu vermitteln – anders als Grindel, dem das Profilager schon bei seiner Wahl 2016 eher ablehnend gegenüber stand. Und in den vergangenen Tagen war der Präsident im eigenen Verband zunehmend isoliert.
Das endgültige Aus brachte eine Luxus-Uhr, die sich Grindel vor anderthalb Jahren vom ukrainischen Fußball-Oligarchen Grigorij Surkis schenken ließ – angeblich 6000 Euro wert. „Ich habe keinerlei Gegenleistung für die Annahme des Geschenks erbracht“, beteuerte Grindel. „Ich bin davon ausgegangen, dass ich die Uhr als Privatgeschenk annehmen darf.“
Beim DFB aber herrschte Fassungslosigkeit, als die Geschichte am Montagabend publik wurde. Ausgerechnet der Mann, der bei der Uefa der Compliance-Kommission vorsitzt, der also über korrektes Verhalten wacht, soll die Dimension der Angelegenheit nicht erkannt haben? Dass es eben keine reine Privatsache ist, wenn ein Fußballfunktionär einem anderen ein derart wertvolles Geschenk macht, sondern unbedingt zu melden ist?
Die Kritiker im DFB-Präsidium erhöhten am Dienstag noch einmal deutlich den Druck: Grindel müsse zurücktreten – und dürfe dafür seine mit 500.000 Euro im Jahr üppig dotierten Ämter im Fifa-Rat und dem Uefa-Exekutivkomitee behalten. Dem blieb nichts anderes mehr übrig, als auf diesen Kuhhandel einzugehen.
Der DFB-Präsident ist offiziell ehrenamtlich tätig
Der Präsident war schon über das Wochenende in arge Bedrängnis geraten, als herauskam, dass er insgesamt 78.000 Euro als Aufsichtsratsvorsitzender einer DFB-Tochter verdient hatte. Das war nicht nur moralisch problematisch, weil Grindel mit monatlich 7200 Euro Aufwandsentschädigung und 7200 Euro sogenanntem Verdienstausfall ja schon üppig entlohnt wurde für einen Posten, der offiziell ein Ehrenamt ist. Grindel versäumte auch, die dem DFB-Präsidium zu melden.
Das Schlingern im Fall um die umstrittenen Bilder der Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, die schleppende Aufarbeitung des WM-Scheiterns, sein Verhalten rund um die Ausbootung der Weltmeister Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng – all das schadete Grindels Ansehen öffentlich und im Verband.
Diese Dinge wird er nicht im Sinne gehabt haben, als er appellierte: „Ich bitte einfach um eine faire Beurteilung meiner am Ende leider nur dreijährigen Amtszeit.“ Doch die Erfolge wie der Zuschlag für die EM 2024 konnten ihn angesichts der vielen Fehltritte am Ende nicht mehr retten.