Hamburg. Marie von den Benken twittert als @regendelfin und ist fußballbegeistert. Zur Europameisterschaft erscheint exklusiv bei uns ihre Kolumne.

Fähnchen an Autos, Trikots über Sommerkleidchen. Klischees, die Freude machen. Frauen, die für vier Wochen Mascara und Rouge gegen schwarz-rot-goldene Schminkstifte tauschen. Modetrends, die aus den Stadien direkt in die Fanmeilen und Schrebergärten der Nation schwappen. Verschiedenfarbige Fußballschuhe zum Beispiel. Was bei mir mit einem schwarzen und einem weißen Louboutin aussieht, als hätte Stevie Wonder mir die Klamotten rausgelegt, wird bei Boateng & Co. sofort Kult. Die Herrschaften sind Lifestyle-Ikonen.

So bekommt man zwar den Verdacht, diese Spieler hätten immer einen Friseur in der Kabine, der in der Halbzeit kurz die Strähnen nachfärbt, freuen kann man sich aber auch auf den Antichristen der Extravaganz: Thomas Müller. Dem sind bunte Schuhe egal. Er kommt seit acht Jahren mit unveränderter Frisur und ohne chemische Farb-Optimierung aus. So ist für jeden was dabei.

Stets ein Highlight bleiben Event-Fans, die bei jedem Zweikampf frenetisch „Schlaand!“ grölen. Lassen Sie sich mal von jemandem, der „Viererkette“ für eine beliebte Praktik in Swingerclubs und „Gegenpressing“ für eine Atemübung in Schwangerschaftskursen hält, Abseits erklären.

Ein Hoch auf die Hunderttausend Teilzeit-Jogis, die mit Taktik-Phrasen á la „uns fehlt einfach ein Weltklasse Box-to-Box-Spieler“ Bundestrainer-Qualitäten suggerieren.

Große Turniere können aber auch normalen Fans Weltkarrieren eröffnen. Topmodel Toni Garrn etwa wurde während der WM 2006 auf einem Fanfest entdeckt und war zuletzt sogar mit Leonardo DiCaprio liiert. „Leonardo wer?“ fragen Sie. Zu Recht. Wo spielt der überhaupt? Und wenn er wirklich so gut ist, warum hat der FC Bayern ihn dann noch nicht vom BVB weggekauft?

Und obwohl mit Sicherheit wieder Trittbrettfahrer aus der Musikindustrie als Motivationshymnen getarnte Gelddruck-Songs in die Charts pressen, geht ein echter EM-Ruck von Freude, Zusammenhalt und Euphorie durch das Land – wie ein wehmütiger Hauch von Sommermärchen. Egal, ob glühender Verehrer der Nationalelf oder nicht: Flächendeckende Positivität kann unser Land wirklich gebrauchen.