Lens. Ein Duell zweier Brüder für verschiedene Nationen gab es bei einer Europameisterschaft noch nie. Am Samstag stehen sich die Xhaka-Brüder bei der EM-Premiere Albaniens gegen die Schweiz gegenüber. Das gesamte Schweizer Team steht vor einer undankbaren Aufgabe.

Der künftige Arsenal-Star Granit Xhaka hat für das kuriose wie brisante EM-Duell mit seinem Bruder Taulant ein ganz simples Rezept. "Am besten fliegen wir beide nach zwei Minuten vom Platz, dann geht es einfacher", sagte der Schweizer Nationalspieler vor dem Match am Samstag in Lens (15.00 Uhr/ZDF) gegen Albanien. "Ich muss schon aufpassen, dass ich ihn nicht umfräse", erklärte Taulant Xhaka, der der EM-Premiere von Albanien entgegenfiebert: "Das ist schon sehr speziell."

Bei den WM-Turnieren 2010 und 2014 trafen die Boateng-Brüder aufeinander

Was im Boxen zwischen den Klitschko-Brüdern undenkbar wäre, könnte am Samstag auf dem Fußballplatz in der Tat passieren: Ein direktes Duell ohne Rücksicht aufeinander. Die Mittelfeldspieler Xhaka gelten beide als Heißsporne und langen auf dem Platz schon mal heftig hin. "Da müssen wir versuchen, für 90 Minuten beide Augen zuzumachen", kündigte der bisherige Gladbacher Granit Xhaka bereits an. Auch dessen Bruder dürfte im Fall der Fälle kaum zurückziehen. "Taulant wird keine Geschenke verteilen, auch nicht an seinen Bruder", sagte Albaniens Kapitän Lorik Cana.

Das auch laut Cana "besondere Duell" ist an sich schon brisant genug. Etliche Spieler auf beiden Seiten spielten in der Jugend Seite an Seite für Schweizer Juniorenteams. "Die Emotionen werden da sein. Weil wir gegen Albanien spielen, gegen unsere Freunde spielen", sagte der frühere Bundesligaprofi Xherdan Shaqiri.

Dass aber zwei Brüder für zwei verschiedene Nationen gegeneinander spielen, gab es bei einer Europameisterschaft bislang noch nie. Nur bei den WM-Turnieren 2010 und 2014 traten Deutschlands Jérôme Boateng und der Ghanaer Kevin-Prince Boateng gegeneinander an, allerdings haben die Halbbrüder unterschiedliche Mütter. "Es ist ehrlich gesagt ein Scheißgefühl", bekannte der jüngere Xhaka-Bruder Granit (23) zum Familienduell: "Das ist das letzte, was wir uns gewünscht haben."

Beide wurden als Kinder albanischer Eltern in Basel geboren. Beide durchliefen Schweizer Jugend-Nationalteams, aber nur Granit startete später auch in der "Nati", dem A-Team der Schweiz, durch. Überhaupt scheint Granits Karriere glanzvoller zu werden. Mit 19 ging er für bis zu 8 Millionen Euro vom FC Basel nach Mönchengladbach, nun legte der FC Arsenal 45 Millionen Euro auf den Tisch.

Der nicht minder aggressive und zweikampfstarke Taulant ist noch immer beim Schweizer Spitzenclub FC Basel und erspielte sich dort den Spitznamen "Gattuso von Albanien". So taufte ihn Albaniens italienischer Nationalcoach Gianni De Biasi in Anlehnung an den früheren Weltklassespieler der Squadra Azzurra, Gennaro Gattuso.

Viele Schweizer Nationalspieler haben albanische Wurzeln

De Biasi nahm den älteren Xhaka-Bruder gerne auf. "Ich habe mit der Zusage alles richtig gemacht", sagte Taulant. Ein Jahr nach seinem ersten Spiel für Albanien war die erste EM-Qualifikation überhaupt für den Fußballzwerg perfekt. Davor haben die Schweizer großen Respekt. "Die Euphorie ist riesig. Das werden wir morgen spüren. Es werden vielleicht mehr Albaner als Schweizer im Stadion sein", sagte Shaqiri. Die favorisierten Schweizer stehen vor ihrem ersten EM-Spiel in Frankreich vor einer undankbaren Aufgabe.

Zumal es neben dem kuriosen Bruderduell auch zum Treffen alter Weggefährten kommt. Albaniens Amir Abrashi vom Bundesliga-Aufsteiger SC Freiburg etwa früher für Schweizer Jugend-Auswahlteams: "Die gemeinsame Zeit war riesig, das macht die Sache außergewöhnlich."

Auch dem Schweizer Trainer Vladimir Petkovic ist bewusst, dass das Spiel für Granit Xhaka, Shaqiri und Co. etwas Besonderes ist. "Die Partie gegen Albanien ist wie ein Derby. Viele Schweizer Nationalspieler haben albanische Wurzeln, viele Spieler im albanischen Team sind in der Schweiz hervorragend ausgebildet worden, leben und spielen in der Schweiz. Darum werden auch viele Emotionen mitspielen", prophezeite Petkovic, ermahnte seine Spieler jedoch: "Die Emotionen sind wichtig. Wir brauchen Emotionen, müssen sie aber in positive Bahnen lenken." (dpa)