Willingen.. Martin Schmitt beendet seine Laufbahn als Skispringer. Am Freitag erklärte er in Willingen endgültig seinen Rücktritt. Der viermalige Weltmeister verhalf seinem Sport in Deutschland mit Hilfe des Privatsenders RTL zu riesiger Popularität.

Die Kameramänner und Fotografen drängelten um die besten Plätze, einige Dutzend Journalisten fanden sich ein im Willinger Haus des Gastes. Es war fast wie vor zehn, elf, zwölf Jahren, als Martin Schmitt das Skispringen in bis dahin in Deutschland unvorstellbare Popularitäts-Höhen führte. Nur diesmal warteten nicht Dutzende von Teenagern vor seinem Stamm-Hotel Hochsauerland, die beim Anblick des jungen Mannes mit der lila Mütze kreischten.

Damals mussten Eltern ihre Töchter nach Willingen kutschieren. Schon vor Sonnenaufgang wanderten sie zur Mühlenkopfschanze, um die Plätze ganz vorne hinter der Barriere zu erobern. Weil sie wussten, dass es noch einige Stunden dauern würde, ehe ihr Liebling an ihnen vorbei gehen würde, legten sie Pampers an, um nur ja nicht wegen eines kleinen Geschäfts die erste Reihe vorzeitig räumen zu müssen. Auf Transparenten schrieben nicht wenige „Martin, ich will ein Kind von Dir!“ Und die etwas Älteren in Reihe zwei wünschten sich: „Martin, lass mich Deine Schwiegermutter sein!“

Zehn, elf, zwölf Jahre später erklärte Martin Schmitt am Freitag in Willingen endgültig seinen Rücktritt, nachdem er seit seinem letzten Weltcup-Sprung am Neujahrstag in Garmisch-Partenkirchen intensiv über die Konsequenzen seiner verpassten Olympia-Qualifikation gegrübelt hatte. „Ich habe meinen Sport mit extremer Leidenschaft betrieben. Es war eine tolle Zeit. Ich bin stolz auf das Erreichte, aber jetzt ist das Ganze ausgereizt.“ Der 36-jährige Schmitt hatte sich seine Worte gut überlegt und brachte sie ohne große Emotionen über seine Lippen. Erst als sich die Journalisten erhoben, um sich für die faire Zusammenarbeit mit dem immer geduldigen, niemals pampigen Sportler zu bedanken, schluckte Schmitt, und es schien so, als ob sich für einen kurzen Moment seine Augen mit Tränen füllen würden.

Freundlich und bescheiden

Mit Martin Schmitt geht ein ganz Großer des Sports. Mit seinen 28 Weltcup-Triumphen, mit seinen insgesamt vier Weltmeister-Titeln 1999 und 2001, mit dem Gewinn von zwei Gesamt-Weltcups und mit dem Olympiasieg 2002 mit der deutschen Mannschaft entzündete er – auch mit Hilfe des Privatsenders RTL – einen vorher nie vorstellbaren Hype fürs Skispringen. Kaum einer in Deutschland kannte nicht den Martin und seinen kongenialen Teamkollegen Sven Hannawald. Die beiden waren Popstars des Sports.

Mit der ungeahnten Popularität musste sich Schmitt erst zurechtfinden. Der Schwarzwälder ist genau das Gegenteil eines Selbstdarstellers. Immer freundlich, immer geduldig. „Ich habe eine sehr abwechslungsreiche Karriere gehabt. Mit vielen Höhen und einigen Tiefen“, sagte Schmitt. Sein letzter Weltcup-Sieg liegt lange zurück. Fast zwölf Jahre. Jahr für Jahr versuchte Schmitt, an seine großen Erfolge anzuknüpfen. Vergeblich. Was früher so leicht ging, wurde zur schweren Arbeit. Viele, sehr viele legten ihm den Rücktritt nahe. Aber Schmitt tüftelte weiter, trainierte verbissen. Er fühle noch etwas in sich, erwiderte er seinen Kritikern. 2009 brachte er sie wenigstens für einen Winter zum Verstummen. Silber bei der WM, das tat gut. „Eine Riesenbestätigung für mich“, gibt Schmitt zu. Aber jetzt ist seine Mission zu Ende: „Skispringen ist kein Kinderspiel. Ich habe jetzt alles ausgereizt.“

Studium in Köln

Und weil Schmitt einen Anspruch an sich selbst hat, wird er seinen Abschied in Willingen nicht mit einem letzten Sprung bei den Weltcups am Samstag und Sonntag feiern. Und so wird er, der bis Ende 2015 noch ein Diplomtrainer-Studium in Köln absolviert, am Samstag an der Mühlenkopfschanze seinen Fans nur im Auslauf zuwinken und Autogramme bis zum Abwinken schreiben. Vielleicht werden ja Teenies aus der Boom-Zeit kommen. Pampers werden diesmal nur ihre Kinder tragen.