Essen. Lance Armstrong verlor seine sieben Tour-de-France-Siege. Der Radsport-Weltverband UCI strich sämtliche Ergebnisse des 41 Jahre alten Amerikaners seit 1998. Zudem sperrte die UCI den Texaner lebenslang. Wir erklären, wie es zum Urteil kam und welche Folgen es für Armstrong und den Radsport hat.

70 Millionen Menschen tragen weltweit die gelben Bändchen seiner Stiftung Livestrong. Lance Armstrong,  der erst den Krebs besiegte und dann die besten Radprofis der Welt abhängte, war einer der größten Sportstars der Geschichte. Seit Montag ist sein Denkmal endgültig eingestürzt. Lance Arm­strong verliert seine sieben Tour-de-France-Siege. Wie erwartet strich der Radsport-Weltverband UCI sämtliche Ergebnisse des 41 Jahre alten Amerikaners seit dem 1. Januar 1998. Zudem sperrte die UCI den Texaner lebenslang. Wir erklären, wie es zum Urteil kam und welche Folgen es für Armstrong und den Radsport hat.

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1. Auf welchen Ermittlungen basiert die UCI-Entscheidung?
Die Anti-Doping-Agentur der USA (Usada) untersuchte akribisch den Fall Armstrong. Auf 202 Seiten (plus einem Anhang von 1000 Seiten) wurde der größte Dopingskandal in der Geschichte des Sports dokumentiert. Die Usada kam zu dem Ergebnis, Armstrong habe das „höchstentwickelte, professionellste und erfolgreichste Dopingprogramm, das die Sportwelt jemals gesehen hat“, entwickelt. Von 1998  bis 2011 habe er mit Hilfe von Ärzten und Betreuern systematisch gedopt und auch mit Dopingmitteln gehandelt. 15 Radprofis wurden verhört.

2. Gibt es Beweise gegen Armstrong?
 Im juristischen Sinn nicht, aber eine dichte Indizienkette belegt seine Schuld.  Bei der Tour de France 1999 wurde Armstrong in sechs Fällen Epo-Doping nachgewiesen - allerdings erst bei Nachuntersuchungen 2005, als die Proben sportrechtlich nicht mehr verwertbar waren.

3. Welche Rolle spielt der Weltverband?
Pat McQuaid, der Präsident der UCI, wählte am Montag drastische Worte. „Lance Armstrong hat keinen Platz mehr im Radsport“, sagte er, „er muss vergessen werden. “  McQuaid  will jetzt nach vorne blicken: „Der Radsport hat eine Zukunft. Wir müssen jetzt Strukturen entwickeln, um so etwas in Zukunft zu verhindern.“

4. War der Weltverband schon immer so kritisch gegen Armstrong?
Überhaupt nicht. Die UCI hat jahrelang den Eindruck hinterlassen, die Ermittlungen gegen Armstrong zu verschleppen. McQuaids Vorgänger Hein Verbruggen galt als enger Freund des siebenmaligen Toursiegers. Im Abschlussbericht der amerikanischen Anti-Doping-Agentur geht es auch um eine mögliche vertuschte Dopingprobe Armstrongs bei der Tour de Suisse 2001. Die UCI hatte in der Vergangenheit eingeräumt, Geldspenden von Armstrong in Höhe von 125.000 Dollar erhalten zu haben.

5. Wie geht es jetzt weiter im Fall Armstrong?
Wahrscheinlich bleibt dem Texaner nur der Weltmeister-Titel aus dem Jahr 1993. Am Freitag fallen weitere wichtige Entscheidungen auf  einer Sitzung des UCI-Management-Komitees. Dann geht es nicht nur darum, ob Armstrong seine Preisgelder zurückzahlen muss, sondern auch, ob seine Tour-Erfolge neu verteilt werden. Die Tour-Organisation will keine neuen Sieger küren. Ansonsten würde der Radsport weiter an Glaubwürdigkeit verlieren, weil beispielsweise Jan Ullrich, der selbst als Dopingsünder überführt worden ist, drei weitere Toursiege zugesprochen bekäme.

6. Drohen Armstrong weitere Schadenersatzklagen?
Ja. Die Versicherungsgesellschaft SCA hatte Armstrong für seinen fünften Toursieg fünf Millionen Dollar gezahlt. Nach Bekanntwerden der ersten Dopingverdächtigungen forderte die SCA das Geld zurück, verlor aber den Prozess gegen Armstrong, dessen Vermögen auf 125 Millionen Dollar geschätzt wird. Auch die britische „Sunday Times“, die  nach einer Verleumdungsklage eine Million Euro an Armstrong zahlen musste, strebt ein neues Verfahren an. Viele von Armstrongs Sponsoren wie der  Sportartikel-Konzern Nike, die Brauerei Anheuser-Busch (Budweiser), der Fahrradbauer Trek sowie die Fitnessstudio-Kette 24 Hour Fitness haben ihre Verträge mit Armstrong beendet.

7. Gibt es auch negative Reaktionen auf das Urteil?
Ja. Armstrongs Anwälte kritisieren, dass die Usada als „Ankläger, Richter, Geschworener, Berufungsrichter und Henker“ gleichzeitig aufgetreten sei. Die vermeintlichen Doping-Belege seien „einseitig verfälscht“ und stellten „eine ungeprüfte Version der Ereignisse“ dar. Der Heidelberger Anwalt Michael Lehner, der schon viele Dopingsünder vertreten hat, behauptet, dass die Aberkennung aller Resultate zurück bis 1998 gegen den Code der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada verstoße. Die Usada dürfe das Sportrecht nicht beliebig handhaben. Dopingvergehen unterliegen einer achtjährigen Verjährungsfrist.

8. Was sagt Armstrong zum Urteil?
Bisher nichts. Anlässlich des 15-jährigen Bestehens der von ihm gegründeten Stiftung „Livestrong“ hat Armstrong am Sonntag vor 1700 Unterstützern zugegeben, er habe zuletzt eine schwere Zeit erlebt. Zumindest in naher Zukunft dürfte es für den einstigen Superstar nicht leichter werden.