Kiew. Fußball-Deutschland darf sich auf einen echten Klassiker im EM-Halbfinale freuen. Dank eines 4:2-Sieges nach Elfmeterschießen gegen Engalnd sicherte sich Italien am späten Sonntagabend das Ticket für die Runde der besten Vier. England ist raus, die Revanche für 2006 möglich.
Gianluigi Buffon hat Italien in einem Elfmeterkrimi erstmals nach zwölf Jahren wieder in ein EM-Halbfinale befördert und den Fußball-Klassiker gegen Deutschland perfekt gemacht. Der Torwart der Azzurri avancierte beim 4:2 im Elfmeterschießen gegen England im Viertelfinale am Sonntagabend in Kiew mit einem gehaltenen Elfmeter zum Helden des Abends. Nach 120 Minuten hatte es 0:0 gestanden. Damit trifft die "Squadra Azzurra" am Donnerstag in Warschau auf die Elf von Bundestrainer Joachim Löw und darf weiter vom zweiten EM-Titel nach 1968 träumen.
Für England setzte sich das Elfmeter-Trauma dagegen fort. Zum sechsten Mal in sieben Duellen verlor das Fußball-Mutterland ein Elfmeterschießen bei einem großen Turnier. So nimmt die Durststrecke Englands kein Ende. Seit 1966 warten die "Three Lions" bereits auf einen Titel, und auch der letzte Halbfinal-Einzug bei einem großen Turnier liegt schon 16 Jahre zurück.
Bereits nach 180 Sekunden schockte De Rossi England mit einem Pfostenknaller
Damit kommt es zum achten Mal zu einem Duell zwischen Deutschland und Italien bei einem großen Turnier. Letztmals hatten sich die beiden Ex-Weltmeister 2006 im WM-Halbfinale getroffen. Damals siegte Italien 2:0 und holte anschließend den Titel. Auch sonst spricht die Bilanz klar für Italien. Bei Europameisterschaften gab es ein 1:1 (1988) und ein 0:0 (1996). Bei Weltmeisterschaften behielten die Italiener vor 2006 auch beim Jahrhundertspiel 1970 (4:3 nach Verlängerung) und im WM-Finale 1982 (3:1) die Oberhand. 1962 und 1978 gab es jeweils ein 0:0.
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Bei Temperaturen von über 20 Grad begann die Partie mit zwei Krachern: Nach nicht einmal 180 Sekunden schockte Kapitän Daniele De Rossi Englands Torhüter Joe Hart mit einer Direktabnahme aus 25 Metern - der Ball klatschte an den Pfosten. Nur zwei Minuten später auf der Gegenseite fast das 1:0 für England: Glen Johnson kam aus sechs Metern zum Abschluss, doch Torwart Gianluigi Buffon verhinderte mit einer Weltklasse-Reaktion den Rückstand.
England und Italien lieferten sich lange Zeit einen offensiven Schlagabtausch
Und es ging weiter hin und her: In der 14. Minute setzte Wayne Rooney nach einer Flanke von Johnson einen Flugkopfball nur knapp über das Tor. Elf Minuten später war Italiens Mario Balotelli nach Pass von Andrea Pirlo alleine durch, doch seinen Abschluss aus etwa 18 Metern konnte Englands Verteidiger John Terry noch blocken.
Der Skandalstürmer von Manchester City wurde immer mehr zur tragischen Figur: In der 32. Minute war der 21-Jährige nach einem Lupfer von Riccardo Montolivo wieder frei durch, doch den Schuss hielt Hart sicher. Als die Italiener sich noch ärgerten, legte Rooney im Gegenzug per Hacke für Danny Welbeck auf, doch der zielte nicht genau genug und schoss von der Strafraumgrenze drüber.
In der 40. Minute war es wieder Balotelli, der verzog: Pirlos Flanke legte Cassano mustergültig per Kopf auf seinen Sturmpartner ab, doch der brachte das Kunststück fertig, aus drei Metern über das Tor zu schießen. Seine Wut legte er zwei Minuten später in einen Schuss aus etwa 28 Metern, der sein Ziel ähnlich knapp verpasste.
Wayne Rooney vergab die letzte klare Chance vor der Verlängerung
Nach dem Wechsel hatte erneut De Rossi die erste Chance (48.). Diesmal traf er den Ball aus sechs Metern nicht richtig, als er überraschend zum Abschluss kam, und schoss vorbei. Besser machte er es vier Minuten später mit einem Weitschuss, den Hart vor die Füße von Balotelli abklatschte, doch wiederholt scheiterte er an seinem City-Mannschaftskollegen im Tor der Engländer; Montolivo, der die Dreifach-Chance perfekt machte, schoss den Abpraller über das Tor.
Balotelli stand auch in der nächsten Szene im Mittelpunkt: Diesmal versuchte er es mit einem Fallrückzieher aus rund elf Metern - erneut flog der Ball knapp über die Querlatte (60.). Nun wurden auch die Engländer wieder wach: Der Schuss von Ashley Young fünf Minuten später verfehlte das Ziel nur um etwa einen Meter. In der 77. Minute rutsche Rooney noch ein Freistoß von Gerrard über den kahlen Hinterkopf. Auf der Gegenseite blockte Johnson den einschussbereiten Antonio Nocerino ab (89.), ehe erneut Rooney in der Nachspielzeit die letzte Chance der regulären Spielzeit per Fallrückzieher vergab.
Italien verpasste es auch in der Verlängerung für die Vorentscheidung zu sorgen
In der ersten Verlängerung dieser EM-Endrunde riskierten beide Mannschaften dann nicht mehr alles. Italien war aber drückend überlegen, und der eingewechselte Alessandro Diamanti hätte das Spiel allein entscheiden können: In der 101. Minute setzte er einen Schlenzer an den Außenpfosten, und sein Kopfballtor in der 115. Minute wurde nicht anerkannt, weil er im Abseits stand. (dapd)