Vereinstreue ist im Profifußball schon lange ein Auslaufmodell. Weil dennoch viele Schalker Fans darauf gesetzt hatten, dass „ihr“ Manu auch in dieser Hinsicht etwas Besonderes sei, stehen sie jetzt als königsblauäugige Romantiker da. Ein Kommentar.
Also auch Manuel Neuer. Nicht, dass viele Schalker noch überrascht wären über die offensichtliche Pro-Bayern-Entscheidung ihres Idols. Aber ein Hauch von Bitternis schwingt schon mit angesichts der – nicht neuen – Erkenntnis, dass der deutsche Fußballstar, der dem Lockruf des Rekordmeisters widersteht, noch geboren werden muss. Was die Bayern sehr wohl als Kompliment auffassen dürfen. Ist doch ihre Anziehungskraft keinem Naturgesetz, sondern ihrer Erfolgsaura geschuldet.
Nun steht es niemandem zu, einen Menschen dafür zu kritisieren, wo er seine Zukunft sieht, und erst recht gehört es sich nicht, seine Motive in Frage zu stellen oder ihn gar als Judas zu beschimpfen. Aber sich Gedanken darüber machen, wohin die Reise des Fußballs seit den Zeiten eines Fritz Walter oder Uwe Seeler gegangen ist, die ein Leben lang für einen Verein standen, darf man schon.
Man muss nicht gleich das böse Wort vom Söldnertum bemühen, um festzustellen, dass Treue zum Verein kein Wertmaßstab mehr ist und die größte Fan-Zuneigung keinen wechselwilligen Spieler mehr halten kann. Was zählt, ist die bessere Perspektive in finanzieller wie sportlicher Hinsicht. Der Geldaspekt mag in in den meisten Fällen sogar noch zu vernachlässigen sein. Aber der Reiz, beim Branchenführer (weltweit gilt dies für Real Madrid und den FC Barcelona) zu spielen, schlägt offenbar alle anderen Argumente. Eben auch jenes, dass ein Verbleib bei einem Klub, dem man seit seiner Kindheit verbunden ist, Einzigartigkeit verheißen würde.
Aber, siehe oben: Jeder, der Kritik am Verhalten anderer übt, sollte sich fragen, wie er selbst in ähnlicher Lage handeln würde. Dass der Fall Neuer gleichwohl einen faden Beigeschmack hat, liegt daran, dass der 24-Jährige wie kein anderer Spieler die Karte der Herzensangelegenheit gespielt hat und seine treuesten Anhänger heute wie königsblauäugige Romantiker aussehen lässt. Gibt es doch verlässliche Hinweise, dass er sich schon lange mit den Münchener Bossen einig ist. Nun ließe sich einwenden, Neuer habe durch sein Schweigen keine zusätzliche Unruhe in den Verein bringen wollen. Nur: Warum befeuert er dann ausgerechnet vor dem Saison-Endspurt die Diskussion, ohne auch jetzt Klartext zu reden?