London. Fabian Hambüchen und Marcel Nguyen turnten an Reck und Barren zur Silbermedaille und denken schon an die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro. Drei Silbermedaillen in London, das ist das beste Abschneiden des Deutschen Turner-Bundes seit 1992.
Vorsicht, der Fabi kommt! Als Fabian Hambüchen vor der Medaillenzeremonie für eine kleine Verschnaufphase in der Greenwich Arena den Weg in die Katakomben antrat, umarmte er jeden, der es wollte oder vielleicht auch nicht. Vor vier Jahren in Peking hatte sich Hambüchen noch mächtig geärgert, als er unter der Favoritenbürde fast zerbrochen wäre und statt des von allen erwarteten Goldes nur Bronze am Reck gewonnen hatte. Ganz anders in London: Fabian im Glück strahlte über seine Silbermedaille. Nur eine knappe Stunde vorher hatte mit dem Olympiazweiten im Mehrkampf, Marcel Nguyen, am Barren ein weiterer deutscher Kunstturner ein olympisches Geräte-Finale als Zweiter beendet. Drei Silbermedaillen in London, das ist das beste Abschneiden des Deutschen Turner-Bundes seit 1992.
Fabian Hambüchen geht seinen Sonderweg mit Vater Wolfgang
„Ich bin völlig durch“, sagte der in seinem Redefluss noch schwieriger als ohnehin zu stoppende Hambüchen, „ich stecke noch voller Adrenalin. Heute Nacht werde ich nicht pennen können.“ Der 24-Jährige hat eine schwere Zeit hinter sich. Nach einem Achillessehnenriss 2010 musste er monatelang aussetzen und im Frühjahr 2011 bei der Europameisterschaft in Berlin mitansehen, wie seine Teamkollegen Philipp Boy und Marcel Nguyen Titel und Medaillen holten. Als seine teaminternen Konkurrenten aus seinem Schatten traten, taten sie es mit einigen Andeutungen, dass der Reck-Weltmeister von 2009 in der Mannschaft nicht unbedingt beliebt sei. Inzwischen hat sich das Verhältnis normalisiert. Hambüchen geht auch weiterhin seinen Sonderweg mit seinem Vater Wolfgang, aber die Animositäten sind aus dem Weg geräumt.
Und wie konsequent Hambüchen seinen Weg zurück gegangen ist, hat auch seine Kollegen beeindruckt. In London war von den Verletzungsfolgen nichts mehr zu sehen, Hambüchen zeigte an seinem Lieblingsgerät eine starke Vorstellung. „Das ist der größte Erfolg meines Lebens. Dieses Silber ist meine Nummer eins. Es meine beste Reck-Kür. Ich war nie stärker“, sagte Hambüchen, „ich habe alles auf den Punkt geturnt.“ Und dann zollte er seinem einzigen Bezwinger, dem Niederländer Epke Zonderland, ein dickes Kompliment: „Was der Epke hier abgezogen hat, das macht sonst keiner auf der Welt.“ Zonderland, der wenig originell, aber umso treffender in der Turnszene der „fliegende Holländer“ genannt wird, ist ein absoluter Reck-Spezialist. So wurde er schon zweimal Weltmeister an diesem Gerät und brachte vor einem Jahr als Europameister auch das Berliner Publikum mit seinen akrobatischen Flugteilen ins Staunen.
Nguyen holt erste Medaille eines deutschen Turners am Barren seit 24 Jahren
Einem noch etwas Besseren musste auch Marcel Nguyen den Vortritt lassen. Nguyen zeigte zwar eine fast perfekte Übung, aber der neue Olympiasieger, der Chinese Feng Zhe, konnte wegen des höheren Schwierigkeitsgrades seiner Elemente noch mehr Punkte sammeln als der Unterhachinger. Es war die erste Medaille eines deutschen Turners am Barren seit 24 Jahren. „Wir haben uns für die sichere Variante entschieden“, erzählte sein Trainer Valeri Belenki. Als er in den Katakomben mit fast schon väterlichem Stolz von den turnerischen Fortschritten seines Schützlings erzählte, da wippte der ganze Körper mit. Man hätte meinen können, jeden Moment zaubert er auch selbst den Abgang auf den Betonboden hin. Belenki könnte es wahrscheinlich wirklich, 1992 hat er für die Sowjetunion Gold geholt. „Jetzt geht es zügig auf Rio de Janeiro zu“, sagte Belenki und eilte wieder in die Halle, um sich Hambüchens Glanzvorstellung anzusehen.
Die Olympischen Spiele 2016 in Rio sind natürlich nicht nur für den 24-Jährigen Nguyen, sondern auch für den gleichaltrigen Hambüchen ein Thema. „Wir wollen mal sehen, wie mein Körper so mitspielt“, sagte Hambüchen, „ich war jetzt dreimal in olympischen Finals. Siebter, Dritter, Zweiter. Da ist doch wohl klar, was folgen muss.“ Aber dann fügte der Olympiazweite schnell hinzu: „Ein Scherz! Ich bin grad so euphorisch.“ Vorsicht, der Fabi kommt!