Essen. Eine bewegte Profikarriere führte Wolfram Wuttke auch nach Gladbach und zu Schalke 04. Über außergewöhnliche Begegnungen mit einem Fußballer.
Wenn Schalke 04 gegen Borussia Mönchengladbach spielt, muss ich an Wolfram Wuttke denken. Dieser Klassiker war sein Spiel.
Vor mittlerweile sieben Jahren kam mir die Idee, vor dieser Partie mich mal mit ihm zum Interview zu treffen, er hatte ja selbst für beide Klubs gespielt. Es war still geworden um den einst exzentrischen Ballkünstler, der immerhin vier, bei genauerer Betrachtung aber doch nur vier Länderspiele bestritten hatte. Er lebte schon seit 20 Jahren in Selm, wo das Ruhrgebiet ins Münsterland übergeht. Ländliche Beschaulichkeit statt wie früher große Welt. Er hatte mal für Espanyol Barcelona gespielt und in einer Villengegend gewohnt, in der seine Nachbarn die Barca-Stars Laudrup, Stoichkov und Zubizarreta waren. „Das war eine geile Zeit in einer geilen Stadt“, schwärmte der mittlerweile 50-Jährige. „Ein ganz anderes Leben.“
Er schwärmte davon, wie sehr ihn die Fans in Spanien verehrt hatten. Weil er ihnen mit den Zehen Geschenke machte, weil er ein Typ für die besonderen Augenblicke war. Wolfram Wuttke war ein Ballgenie. Doch häufig hieß sein größter Gegner: Wolfram Wuttke. Er nahm sich zu viel heraus, hatte sich zu selten im Griff, erlaubte sich Beleidigungen und andere Unverschämtheiten. Legendär, dass er Jupp Heynckes Osram taufte – weil der Gladbacher Trainer rot anlief, wenn er sich ärgerte. Nun saß Wolfram Wuttke da in seiner Wohnung in Selm und sagte zu spät: „Ich hätte öfter mal die Klappe halten sollen.“ Ich nickte, wir schwiegen.
Kein Kind von Traurigkeit
Er bestand darauf, dass wir uns duzten und ich ihn „Wutti“ nennen sollte. Denn ich hatte eine Anekdote parat, die uns gemeinsam schwelgen und lachen ließ. Als B-Jugendlicher hatte ich, gelernter Linksaußen, mal das zweifelhafte Vergnügen, in der Abwehr aushelfen und gegen ihn spielen zu müssen. Er war damals noch für die SG Castrop am Ball, aber schon auf dem Sprung nach Schalke. Der superschnelle und extrem wendige Rechtsaußen drehte mich so oft ein, dass ich drei Tage lang Schwindelanfälle hatte. Als er den Ellbogen ausfuhr, fauchten wir uns an und schubsten uns gegenseitig. Er war nicht als Einziger kein Kind von Traurigkeit.
Seine Karriere war spannend und turbulent, danach aber lief alles schief. Die Ehe scheiterte, ein Sportgeschäft ging pleite, er erkrankte an Krebs. Diese schlimme Zeit überstand er noch. Doch er litt schwer darunter, dass ihn im Fußball keiner mehr haben wollte. Er wäre so gerne irgendwo Trainer gewesen.
Vor vier Jahren starb Wolfram Wuttke, viel zu früh. Ich war sehr traurig über diese Nachricht. Ich erinnere mich, dass er mir bei unserem Treffen erzählt hatte, wie sehr er sich auf den Fernsehnachmittag mit Schalke gegen Gladbach freute – lachend betonte er: „Bei Bier und Bockwurst!“ Bestimmt schaut Wutti auch heute zu, von ganz oben. Dass sie im Himmel Sky haben, davon darf man ja wohl ausgehen.