Herzogenaurach. Serge Gnabry gehört auch unter Hansi Flick zu den wichtigsten Spielern beim DFB. Doch wie sieht seine Zukunft beim FC Bayern aus?

Serge Gnabry lacht. Es ist kein leises Glucksen, sondern ein lautstarkes Juchzen, das über den ganzen Trainingsplatz in Herzogenaurach schallt, minutenlang. Der Stürmer japst nach Luft, stützt sich auf die Knie, sinkt dann zu Boden, rollt über den Rasen – und lacht immer noch.

Grund für den Heiterkeitsausbruch ist Mannschaftskollege Timo Werner. „Ich weiß nicht, ob ich ihn jetzt reinreiten soll, aber er hat sich beim Zweikontaktspiel den Ball selbst ins Gesicht geschossen“, verrät der immer noch grinsende Gnabry später. „Und Niklas Süle neben mir hat ein sehr ansteckendes Lachen, da konnte ich mich irgendwann nicht mehr halten. Es war eine sehr lustige Aktion.“

Die Stimmung ist also gut vor dem Auftaktspiel der Nations League in Bologna gegen Italien am Samstag (20.45 Uhr/RTL) – zumindest sieht es so aus und zumindest sagt Gnabry das: Sehr viel Spaß habe er, es sei immer eine Ehre und Freude, im Kreis der Nationalmannschaft dabei zu sein, das erste Spiel könne er gar nicht erwarten. Und selbst der Teamabend samt Trommelworkshop am Mittwoch sei ein großer Spaß gewesen – was man nun glauben kann oder nicht.

Serge Gnabry erlebte ein wechselhaftes Jahr

Aber vielleicht taugt die Nationalmannschaft ja derzeit wirklich als Art Sanatorium für die geschundene Profiseele eines Serge Gnabry nach einem wechselhaften Jahr: Die Europameisterschaft war eine einzige Enttäuschung, die Saison beim FC Bayern startete berauschend und endete bestenfalls befriedigend. „Wir haben viel mehr gewollt“, sagt Gnabry. „Der Champions-League-Sieg war unser großes Ziel, das haben wir leider nicht geschafft – deswegen war die Saison nicht zufriedenstellend.“ Klar, auf den Meistertitel sei man auch sehr stolz, beteuert Gnabry, aber der ist in München längst das Minimum der Erwartungen. In den Pokalwettbewerben dagegen kam das Aus jeweils viel zu früh, weil die Formkurve bei Gnabry wie bei den meisten Bayern-Kollegen in der zweiten Saisonhälfte deutlich nach unten zeigte.

Das ist schlecht für die deutsche Nationalmannschaft, denn der pfeilschnelle Außenstürmer Gnabry ist schon lange ein essenzieller Bestandteil – mit beeindruckenden Zahlen: 20 Tore hat er in 31 Länderspielen geschossen, vier Treffer waren es in bislang fünf Partien unter Hansi Flick. Gnabry ist wichtig für den Erfolg der Mannschaft, das ist keine ganz neue Erkenntnis. Und noch weniger neu ist, dass das auch für seine Klubkollegen gilt, dass der Bayern-Block noch immer wesentlich mitbestimmt über Wohl und Wehe der Nationalmannschaft.

Kein Wunder: Mit acht Profis stellt der Rekordmeister nach wie vor deutlich mehr Nationalspieler als jeder andere Klub, fast alle von ihnen haben einen Stammplatz sicher – da ist es nur logisch, dass jede kleine Formschwankung des FC Bayern, jede Unruhe, jedes Theater auch beim DFB genauestens registriert wird. Und davon gab es zuletzt reichlich in München, zu den sportlichen Misserfolgen kam gewaltiger Wirbel um den wechselwilligen Mittelstürmer Robert Lewandowski. Und auch Gnabrys Zukunft ist ungeklärt, den 2023 auslaufenden Vertrag hat er bislang nicht verlängert.

Serge Gnabry: „Zu meiner Vertragssituation werde ich mich hier nicht äußern"

Als die Rede darauf kommt, verzichtet Gnabry auf ein rhetorisches Dribbling, wie es zu seiner Spielweise vielleicht passen würde. Er grätscht den Fragesteller rigoros ab. „Zu meiner Vertragssituation werde ich mich hier nicht äußern, bitte keine weiteren Fragen dazu“, sagt er, gar nicht mehr grinsend. Die Situation bei den Bayern ist vertrackt, ihnen ist ja schon der Leistungsträger Niklas Süle von der Fahne gegangen. Und immer wieder war zuletzt Geraune zu hören, den Spielern mangle es an Wertschätzung – woraufhin die Vereinsoberen durchblicken ließen, dass Wertschätzung für die Spieler doch nur ein Synonym für Gehaltserhöhung sei. „Anders als oft behauptet denken wir nicht immer nur ans Geld“, kontert Gnabry. „Im Arbeitsverhältnis gibt es auch andere Dinge, die eine große Rolle spielen.“

Bundestrainer Flick tut viel dafür, dass die schlechte Stimmung nicht überschwappt in die Nationalmannschaft, dass die Hoffnungsträger nicht zur Hypothek werden. Er hatte schon als Bayern-Trainer einen guten Zugang zu Gnabry, er vermittelt Vertrauen und Wertschätzung – hat aber auch die klare Erwartungshaltung, dass der sich mit guten Leistungen bedankt. Die Voraussetzungen sind geschaffen, meint Gnabry: „Mein Fitnessstand ist ganz in Ordnung, auch wenn wir jetzt nach der Saison eine kleine Pause hatten“, sagt er.

Selbstbewusstsein hat Serge Gnabry

Das Selbstbewusstsein ist ohnehin unverändert groß – das verrät die Antwort auf die Frage, ob sich der 26-jährige Flügelspieler auch die Position des Mittelstürmers zutraut, die seit Jahren nicht optimal besetzt ist im DFB-Team: „Das ist nicht meine Stammposition“, sagt er. „Aber wenn ich in den letzten Jahren Mittelstürmer gespielt habe, habe ich einen recht guten Job gemacht und eine gute Torquote gehabt. Deswegen kann ich die Rolle gut ausfüllen.“

Die Ziele bleiben ambitioniert, für die Winter-Weltmeisterschaft in Katar sowieso – aber auch für die anstehenden Partien in der Nations League: „Wir wollen gute Spiele machen, die Spiele gewinnen und ins Finale einziehen“, sagt Serge Gnabry. Damit das klappt, hätte er bei allem Spaß sicher nichts dagegen, wenn der Mittelstürmer Timo Werner den Ball künftig weniger ins eigene Gesicht und mehr ins gegnerische Tor schösse.