Mainz. Dortmunds Profis sehen sich nach dem Sieg in Mainz enger zusammengerückt. Für einen wiederbelebten Titelkampf braucht der Kampfgeist Konstanz.

Wie viel ein Tor auslösen kann, konnte nach dem Schlusspfiff in den Tiefen des Mainzer Stadions studiert werden, als Emre Can und Axel Witsel den Journalisten erzählten, wie die Mannschaft enger zusammengerückt sei.

„Wir haben Kampfgeist und Moral bewiesen“, sagte Witsel. Die Kapitänsbinde ruhte an seinem linken Oberarm, Rasenflecken zeichneten sich auf seinem Trikot ab, während von draußen die Rufe der Fans in den Kabinentrakt drangen, die ein Trikot ihrer Lieblinge ergattern wollten. „Es wäre gut, wenn wir wieder zurück an die Spitze kämen“, erklärte Witsel. „Wir werden alles bis zum Ende geben und werden dranbleiben.“

Unerwartete Glücksgefühle

Es gehört zu den Pointen dieser Saison, dass ausgerechnet der 33-jährige Belgier, der im Sommer Borussia Dortmund verlassen soll, die neue Euphorie durch seinen späten Treffer zum 1:0-Sieg im Nachholspiel beim FSV Mainz 05 ausgelöst hat. Ein Freistoß von Giovanni Reyna erreichte Witsel im Sechzehnmeterraum, dem es im Springen irgendwie gelang, den Ball mit seinem rechten Fuß über die Linie zu tätscheln.

Ohne diesen Treffer wäre die Erzählung der 90 Minuten eine andere gewesen, hätten Can und Witsel nach dem Schlusspfiff wohl nicht den neuen Geist gelobt. Zu lange wirkte die Borussia wie eine Mannschaft, die nichts im Titelkampf zu suchen hat, bis Witsel unerwartete Glücksgefühle aus dem BVB herauskitzelte. Vier Punkte beträgt der Rückstand jetzt auf den Tabellenführer FC Bayern, beide Klubs treffen am 23. April in München noch aufeinander.

Die Spieler hätten viel geredet, seien dadurch enger zusammengerückt, berichtete Emre Can. „Wir hatten Spiele drin, nach denen der eine oder andere den Kopf hängen gelassen hat. In diesem Punkt haben wir dazugelernt.“

Entsteht da was?

Nach einem Sieg lasse sich so etwas leichter sagen, bemerkte Trainer Marco Rose. „Ich möchte Nachhaltigkeit sehen, ich beobachte das.“ Man müsse eine Truppe schaffen bei Borussia Dortmund, „die gemeinsam auftritt und in der Lage ist, große Spiele zu leisten“.

Intern herrschen Zweifel an den BVB-Profis

Im Vertrauen berichten die Verantwortlichen des Vereins schon länger von Zweifeln an ihren Profis. Rose hat sogar öffentlich davon gesprochen, dass der Kader umgebaut werden müsse, um den Ansprüchen des Umfelds gerecht zu werden. Es wäre daher eine weitere Pointe, wenn der BVB die Bayern noch einmal ernsthaft gefährden würde mit einer Elf, der man intern den nötigen Willen dafür abspricht.

Fortschritte lassen sich allerdings durchaus erkennen. Die Dortmunder treten gefestigter auf, in den vergangenen fünf Ligaspielen musste Torhüter Gregor Kobel nur einen Ball aus dem Tornetz holen. Gegen Bielefeld (1:0) und Mainz verteidigte zwar eine zusammengeflickte Viererkette bestehend aus Felix Passlack, Emre Can, Marin Pongracic und Nico Schulz, die zuvor noch nie zusammengespielt hatte, trotzdem kassierte der Klub kein Gegentor. Wenn Erling Haaland nach seiner Muskelverletzung bald wieder 90 Minuten auf dem Platz stehen kann, könnte auch das Spektakuläre in der Offensive zurückkehren.

Rummel um Jude Bellingham

Den nötigen Willen verkörpert der 21-Jährige ohnehin. Genauso wie Jude Bellingham. Der bekam nicht mit, wie Can und Witsel mit den Journalisten sprachen. Der 18-Jährige musste zur Dopingprobe, zuvor hatte er für Verwunderung gesorgt, weil er nach einem Zusammenprall benommen vom Platz getorkelt war und anschließend trotzdem weitergespielt hatte. „Wir haben alle nötigen Tests gemacht“, versicherte Rose. „Das ist halt Jude. Der kommt dann einfach zurück.“ Witsel sagte: „Wenn er gesund bleibt, wird er der beste Achter der Welt. Hoffentlich bleibt er noch viele Jahre hier.“ Dass Witsel selbst den Klub aller Voraussicht nach verlassen wird, schien ihn in diesem Moment nicht zu interessieren. Dafür hatte sein spätes Tor zu viele Endorphine freigesetzt.