Essen. Die deutschen Wasserballerinnen sind für die EM qualifiziert – aber das Turnier in Kroatien ist zu teuer. Auch wegen der fehlenden Förderung.
Die Reihenfolge der Gefühle im Februar: Begeisterung, Euphorie, Vorfreude. Dann einige Tage später: Ernüchterung, Zweifel, Fassungslosigkeit. Und nun: leise Hoffnung, vorsichtige Zuversicht, ein Hauch Euphorie.
Das ist die Gefühlswelt, die die deutschen Wasserballerinnen in den jüngsten Monaten durchlebten. Seit sie im Februar das EM-Qualifikationsturnier in Rumänien erfolgreich beendet hatten. Vier Spiele, vier Siege – das Ticket für die Europameisterschaft ab 27. August war souverän gelöst worden. Von einer Mannschaft, die sich zum Großteil aus Junioren-Nationalspielerinnen zusammensetzte. Jung, hungrig, erfolgreich. Euphorisch wurde in Bukarest gefeiert. Kurz darauf die Hiobsbotschaft: Die EM-Teilnahme ist zu teuer – Qualifikation hin, Qualifikation her.
Nur Erfolg wird gefördert
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Seitdem sind einige Wochen vergangen. Und der Countdown läuft weiter. 80 Tage sollen reichen, um den Traum von der EM doch noch wahrwerden zu lassen. Ein Förderverein unter dem Vorsitz des Düsseldorfer Hoteliers Dirk Lindner sammelt Spenden, um der Mannschaft von Bundestrainer Sven Schulz die Reise und den Aufenthalt in Split zu ermöglichen. In den Sozialen Medien wird der Aufruf immer wieder geteilt. Das anvisierte Gesamtziel in den noch verbleibenden 57 Tagen: 50.000 Euro. „Die EM-Teilnahme wäre ein riesiger Schritt für uns als Mannschaft“, sagt Nationalspielerin Jana Stüwe vom Bundesligisten Blau-Weiß Bochum. „Das ist ein wahnsinnig junges und talentiertes Team, dem die Zukunft gehört“, sagt Bundestrainer Schulz.
Doch die Zukunftsaussichten sind derzeit eher schlechte. Hauptgrund ist der Paradigmenwechsel im deutschen Spitzensport. Potenzialanalyse im deutschen Sport, kurz Potas, ist der offizielle Name des Verbands-Rankings, das seit diesem Jahr das neue Hauptkriterium des Bundesinnenministeriums für die Verteilung der finanziellen Zuwendungen an die olympischen Sommersportverbände ist. Damit soll die jahrzehntelange Undurchsichtigkeit bei der Sportförderung gelichtet, sollen die 38 Millionen Euro Verbandsförderung, der Kern der auf 300 Millionen budgetierten Spitzensportförderung, transparenter verteilt werden. Die schnörkellose Kurzfassung der von vielen Sportverbänden kritisierten Änderung: Gefördert wird nur noch, was Erfolg verspricht und bringt. Viele Randsportarten haben es dadurch noch schwerer. Und die deutschen Wasserballerinnen stehen im Potas-Ranking weit unten. Zur Finanzierung der EM-Teilnahme 2022 gibt es keine öffentlichen Mittel.
Ein Teufelskreis, findet Bundestrainer Sven Schulz. „Wie soll man eine Mannschaft an die erweiterte Weltspitze heranführen, wenn nur die bisher Erfolgreichen gefördert werden? Wir brauchen internationale Vergleiche, wir brauchen die Teilnahmen an Europa- und Weltmeisterschaften.“
Schwimm-Verband muss sparen
Alleine kann auch der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) die Turnierteilnahmen nicht stemmen. Die Corona-Pandemie hat den DSV gebeutelt, rund zehn Prozent der Mitglieder traten aus, zwei Jahre lang gab es keine Wettkampfeinnahmen. Der Verband, der in Becken und Freiwasserschwimmen, Wasserspringen, Synchronschwimmen und Wasserball fünf olympische Sportarten unter seinem Dach versammelt, muss haushalten. Der Wille im DSV, die Frauen zur EM zu schicken, sei durchaus vorhanden, heißt es – ein Weg aufgrund der eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten aber nicht.
„Momentan sieht es so aus, als können wir nicht teilnehmen“, sagt Sven Schulz. Die Meinung des 50-Jährigen zur aktuellen Förderung des Frauen-Wasserballs: „Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig. Ein Trainingslager vor der EM ist finanziell nicht drin. Die Kosten für die Anreise und Hotels sind in den vergangenen zwei Jahren weiter gestiegen.“
Die Hoffnung der Wasserballerinnen richtet sich nun auf den Spendenaufruf. „Ich hoffe, dass wir viel Unterstützung erhalten“, sagt Sinia Plotz, Duisburger Nationalspielerin in Diensten des Bundesligisten SV Bayer Uerdingen. „Wir haben so hart für diese EM-Teilnahme gekämpft. Laut Förderrichtlinien wird keine Hoffnung in uns gesetzt – aber wir wollen das Gegenteil beweisen.“