Hunderttausende stehen im Stau auf der Autobahn, legen auf dem Sofa die Beine hoch, freuen sich, fluchen. Es ist Samstag, 15.30 Uhr, Fußball-Bundesliga-Konferenzschaltung im Radio. 2008 ein Renner. Die Radiomanie begann vor 81 Jahren in England. Am 23. April 1927.
Sabine Töpperwien ist am Mikro. Sie sitzt im Leverkusener Stadion und schildert: „Bernd Schneider führt den Ball, spielt auf Gekaaaaas, doch: Abseits!“ Aus Bochum brüllt Manni Breuckmann dazwischen: „TOOOOOR in Bochum!“
Hunderttausende stehen im Stau auf der Autobahn, legen auf dem Sofa die Beine hoch, freuen sich, fluchen. Es ist Samstag, 15.30 Uhr, Fußball-Bundesliga-Konferenzschaltung im Radio. 2008 ein Renner. Die Radiomanie begann vor 81 Jahren in England. Am 23. April 1927.
Wembley-Stadion, 93.000 Zuschauer. König Georg V. sitzt genauso auf der Tribüne wie David Lloyd George und Winston Churchill – die beiden wichtigsten englischen Premierminister des frühen 20. Jahrhunderts. Arsenal London trifft im Finale um den traditionsreichen FA-Pokal auf den großen Außenseiter Cardiff City aus Wales. Die erste Ausgabe dieses Pokals gewann 1872 der Wanderers FC. 45 Jahre später setzt Arsenal auf die Stars Buchan, Hulme, Parker und John. Cardiff – 1925 an Sheffield United gescheitert (0:1) – vertraut derselben Abwehr. Aber die Offensivreihe ist komplett anders.
Nicht nur im Stadion fiebern die Zuschauer mit. Wer schon ein Hörfunkgerät besitzt, lauscht am Radio. Die BBC überträgt. Es steht 0:0. Sehr lange. Noch hat die schwarze Katze, die Cardiffs Stürmer Hughie Ferguson nach dem Fünftrunden-Spiel gegen die Bolton Wanderers adoptierte, nicht geholfen.
Ferguson fand „Trixie“ auf dem Golfplatz Royal Birkdale und dachte sofort. „Ein gutes Omen“. Ferguson einigte sich mit dem Besitzer: Die Katze gegen zwei Tickets, wenn Cardiff City das FA-Pokalfinale erreicht. Gesagt, getan.
Doch Ferguson spielt schlecht. Denn beide Abwehrreihen überzeugen, lassen nur wenig Chancen zu. Schnell wird klar: Wem der erste Fehler unterläuft, der verliert das Spiel. In der 74. Minute patzt tatsächlich jemand: Arsenals Torwart Lewis. Einen harmlosen Schuss von Ferguson bekommt er nicht zu fassen. Der Ball kullert und kullert und kullert unter seinem Körper hinweg ins Netz. 1:0 für Cardiff.
Lewis schiebt dieses peinliche Gegentor auf sein neues Torwarttrikot. „Es ist zu glitschig“, sagt er nach dem Schlusspfiff. Der folgt eine Viertelstunde nach dem „Tor des Tages“. Als erste nicht-englische Mannschaft entführt Cardiff City den FA-Pokal aus London. Als erste! Ein Spiel der Premieren.
Inzwischen gibt es nicht mehr nur die Radio-Übertragung, auch Fernsehen, Internet und Handys. Doch trotz dieser atemberaubenden technischen Entwicklung fasziniert der Hörfunk immer noch die Fans. Auch am 17. Mai beim diesjährigen englischen Pokalfinale werden die Massen zu Hause hocken. Oder im Auto. Dann steht der Premier-League-Club FC Portsmouth im Endspiel. Der trifft… Jawohl, richtig geraten, auf Cardiff City.
Die Waliser spielen mittlerweile in der zweiten englischen Liga und schmissen im Halbfinale den Favoriten-schreck FC Barnsley mit 1:0 aus dem Rennen. Joe Ledley war in der 9. Minute der Torschütze. Sollte Ledley auch im Endspiel treffen, hat er einen Platz in den Vereinsannalen sicher.
So wie Hughie Ferguson. Sein Tor war das erste, das live im Radio übertragen wurde. Lange vor Schneider, Gekas, Leverkusen, Bochum, Töpperwien und Breuckmann.