Dortmund. Die Weltmeisterschaften der Leichtathleten in Berlin sind so nah und doch so fern. Die 800-Meter-Läuferin Jana Hartmann von der LG Olympia Dortmund trennen derzeit nur 71 Hundertstel-Sekunden von ihrem Traum. Die Zeit aber rinnt der 28-Jährigen durch die Finger.
Noch ist Jana Hartmann knapp an der vom Deutschen Leichtathletik-Verband geforderten Norm von 2:00,00 Minuten für 800 Meter gescheitert. Am 2. August nach der DLV-Gala in Wattenscheid wird endgültig die Liste geschlossen. Dort will sie endlich die Zwei-Minuten-Grenze durchbrechen: „Die WM ist mein Traum. Sonst würde ich mich nicht so im Training quälen.“ Dabei hat sie sich in diesem Jahr schon gewaltig gesteigert: Bei der Team-EM in Leiria (Portugal) schraubte sie ihre Bestzeit auf 2:00,71 Minuten, im Jahr zuvor hatte die noch bei 2:02,53 Minuten gestanden.
Einen harten Rückschlag hat sie in dieser Saison hinnehmen müssen. Und das ausgerechnet bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm. Sie stand als klare Favoritin an der Startlinie, die Ziellinie aber überquerte sie als Vierte. Das schmerzte und rief in Jana Hartmann vor allem Schuldgefühle hervor. Sie machte sich Vorwürfe, sagte, dass sie ihren Verein enttäuscht habe. Der Verein, der sie so freundlich aufgenommen hat, bei dem sie sich so stark verbessert hat: „Ich war doch die Einzige von uns, die in Ulm eine Medaille holen konnte.“ So wohlklingende Namen wie Frank Busemann, Silbermedaillengewinner bei Olympischen Spielen im Zehnkampf 1996, Karsten Kobs, Hammerwurf-Weltmeister 1999, Ingo Schultz, Europameister 2002 über 400 Meter, oder die Sprinter-Zwillinge Gabi und Birgit Rockmeier gehören bei der LGO Dortmund der Vergangenheit an.
Frustbewältigung auf der Homepage
Hartmann bloggt
Während der Weltmeisterschaft in Berlin wird Jana Hartmann für DerWesten.de ein WM-Tagebuch führen.
Entweder schreibt sie als Teilnehmerin von der WM in Berlin oder, falls sie an der Norm scheitern sollte und vom DLV keine Ausnahme-Nominierung erhält, als Expertin. Dann wird sie in Dortmund die Finger über die Tasten fliegen lassen.
Ab Samstag, 15. August, können Hartmann- und Leichtathletik-Fans der Dortmunderin hier folgen.
Jana Hartmann ist auch die Einzige, die die LGO in Berlin vertreten könnte. Der Verein bedeutet für sie Familie, sie schätzt den Umgang mit Trainer Pierre Ayadi. Gerade deswegen schmerzt die Ulmer Erfahrung. Sie greift im Internet-Tagebuch auf ihrer Homepage zu starken Worten. Sie gehört zu der Generation von Athleten, die sich offen präsentiert, die regelmäßig im Netz schreibt und die sich auch nicht zu schade ist, Niederlagen einzugestehen und dort zu analysieren.
Sie schreibt, dass es unverzeihlich gewesen wäre. Dass es ihr leid täte, „dass ich meinen Verein und auch viele Menschen, die an mich geglaubt haben, am Wochenende so enttäuschen musste.“ Was sie aber auszeichnet, ist die Professionalität, mit der sie an die Niederlage herangeht. Abhaken und nach vorne schauen, lautet die Devise und: „Ja nicht aufgeben. Sonst würde ich mich das ganze Training doch nicht antun.“ Denn das ist das Ziel, auf das sie seit über einem Jahr ganz klar hinarbeitet.
WM-Teilnahme ist auch ohne Norm realistisch
Die Norm ist hoch angesetzt, klagen will Jana Hartmann darüber aber nicht. Der Deutsche Leichtathletik-Verband hat als Gastgeber zudem die Möglichkeit, einen Athleten pro Disziplin ohne Normerfüllung zu nominieren. Aber auch daran will sie sich nicht klammern: „So kann man nicht enttäuscht werden.“ Bei einer Nicht-Nominierung bricht bei Jana Hartmann eben nicht die Welt zusammen. Die gebürtige Dresdenerin hat sich ein zweites Standbein aufgebaut und arbeitet als Polizeiobermeisterin der Bundespolizei am Flughafen Dortmund: Nur trainieren, das wäre nichts für sie: "Da verblödet man doch“, sagt sie.
In Dortmund hat sie ihre Arbeitsstelle, die perfekt auf ihren Leistungssport abgestimmt ist; ihren Verein, der froh und dankbar ist, dass er sie hat; ihren Trainer, der es versteht, die für sie optimalen Trainingspläne zu schreiben. Und sie hat ihren Freund, einen Dortmunder Handballspieler. Da fehlt zum optimalen Glück nur noch die Nominierung für die WM in Berlin. Noch ist es nicht zu spät. Vielleicht wird der Traum von der Weltmeisterschaft im eigenen Land für die Wahl-Dortmunderin doch noch wahr.