Essen. Das IOC hat erklärt, Chinas Internet-Zensur zu akzeptieren. Ein Skandal, sagt Katrin Evers, Sprecherin von "Reporterin ohne Grenzen" im Gespräch mit DerWesten. Sie wirft dem IOC vor, eingeknickt zu sein. Und setzt nun auf den Druck der Öffentlichkeit und der Politiker.

Das IOC hat nun erklärt, Chinas Internet-Zensur zu akzeptieren. Was halten die „Reporter ohne Grenzen“ davon?

Reporter ohne Grenzen

1985 im südfranzösischen Montpellier von einigen Journalisten gegründet, ist Reporter ohne Grenzen heute eine weltweit agierende Menschenrechtsorganisation.

Ein Netzwerk aus über 120 Korrespondenten, vier Büros und neun Sektionen setzt sich rund um den Globus für Meinungs- und Pressefreiheit ein. Der Hauptsitz von "Reporter ohne Grenzen" ist in Paris, seit 1994 ist die deutsche Sektion von Berlin aus tätig.

Reporter ohne Grenzen ist als Nichtregierungsorganisation international anerkannt. Sie hat Beraterstatus beim Europarat, bei dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen sowie bei der Unesco.

Katrin Evers: Das ist aus unserer Sicht natürlich skandalös. China hat bei der Vergabe der Olympischen Spiele 2001 versprochen, die Lage der Menschenrechte und eben auch der Presse- und Meinungsfreiheit im Land zu verbessern. Das ist nicht geschehen. Wir von „Reporter ohne Grenzen“ haben schon vor einem Jahr auf diese Lage aufmerksam gemacht und vom IOC gefordert, China zu ermahnen. Das IOC hat sich jegliche Einmischung verbeten, bis heute. Und nun greift die Zensur-Regelung auch auf ausländische Journalisten über, obwohl ihnen 2007 freies Recherchieren und Berichten zugesichert worden waren. Das IOC scheint aber überhaupt nicht gewillt zu sein, von Peking diese Versprechen einzufordern, sondern beugt sich den Einschränkungen. Das ist absolut nicht akzeptabel.

Was hätte das IOC tun müssen?

Evers: Das IOC hätte China auffordern müssen, die Lage bei den Menschenrechten sowie bei der Presse- und Meinungsfreiheit zu verbessern. Außerdem hätte das IOC immer wieder nachprüfen müssen, ob die Regelungen von 2007 bezüglich der ausländischen Journalisten eingehalten werden. Wenn sich jetzt zeigt, dass es keine Bewegungsfreiheit gibt und auch keine freie Internet-Recherche möglich ist, hätte das IOC von China ganz klar fordern müssen, dass die Zusagen eingehalten werden. Auch China hat sich der Olympischen Charta verpflichtet, ebenso wie alle Sportler. Die Charta besagt unter anderem eine freie Berichterstattung der Medien und besagt aber auch, dass die Olympischen Spiele eine Gesellschaft fördern sollen, die die Menschenrechte und die Menschenwürde respektiert. Und wenn das in China nicht so ist, ist das IOC in der Pflicht, das anzumahnen und nicht ständig einzuknicken.

Welche Möglichkeiten hat denn das IOC – selbst wenn es diese Ermahnung gegeben hätte, aber China sich immer noch einer freien Internetrecherche verweigert hätte?

Katrin Evers.
Katrin Evers.

Evers: Wenn das IOC wirklich klar sagen würde, das und das habt Ihr unterschrieben und das müsst Ihr auch einhalten, würde das schon den Druck auf China erhöhen. Das IOC ist ja nicht Irgendwer und es gibt Verträge, Unterschriften und Reglements. Schließlich hat China im Jahr 2001 die Zusage für die Spiele bekommen, und zwar erst in Kombination mit dem Versprechen, die Menschenrechts-Lage zu verbessern. Und da liegt es jetzt am IOC, an die Vertragsvergabe zu erinnern.

Die Nutzer von DerWesten haben bereits kommentiert: ,Die Spiele finden nun einmal in einem kommunistischen Land statt, da muss man sich auch an die Spielregeln dort halten.'

Evers: Ein kommunistisches System ist für uns keine Maßgabe. Für uns ist die Maßgabe, dass Presse- und Meinungsfreiheit ein Menschenrecht ist, das universell gilt, für alle Menschen überall auf der Erde. Und es kann auch nicht sein, dass man einem Land, egal ob kommunistisch oder nicht, durchgehen lässt, das es Versprechen macht, diese aber nicht hält.

Welche Repressalien werden ausländische Journalisten noch befürchten müssen?

Evers: Wir hoffen natürlich nicht, dass sich die Repressalien noch weiter steigern. Aber trotz der 2007 zugesagten Bewegungs- und Berichtsfreiheit gab es immer wieder Meldungen über Einschränkungen. In den letzten Wochen sind diese massiver geworden, bis nun zum zensierten Internetzugang, wenige Tage vor der Eröffnung. Wir hoffen einfach, dass der Druck der Öffentlichkeit groß genug und es mehr Freiheiten in China geben wird.

Raten Sie zu einem Fernsehboykott der Olympischen Spiele?

Evers: Nein, der einzige Boykott, zu dem wir aufrufen, ist der Boykott der Eröffnungszeremonie. Staats- und Regierungschefs sollen eine „Politik der leeren Stühle“ verfolgen und nicht an der Eröffnungsfeier teilnehmen. Aber wir wollen nicht den Sportlern und den Zuschauern den Spaß an den Spielen verderben.

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