Köln. .
Box-Weltmeister Felix Sturm ist jetzt sein eigener Veranstalter. Wenn er heute in Köln siegt, ist er dick im Geschäft. Eine Niederlage hingegen könnte sein Projekt wie ein Kartenhaus zum Einsturz zu bringen.
Einige Boxer meinen, martialische Sprüche gehören zu ihrem Sport wie das Torwandschießen zum Aktuellen Sportstudio. Aber so mancher Faustfechter, der vor dem Kampf eine dicke Lippe riskierte, kroch mit noch schlimmeren Blessuren aus dem Ring. Während Muhammad Ali mit dem Leitsatz „schwebe wie ein Schmetterling, stich wie eine Biene“ in den Fight zog, greift WBA-Weltmeister Felix Sturm vor seinem Titelkampf am Samstag (22.15 Uhr/live bei Sat.1) in der Kölner Arena gegen Giovanni Lorenzo aus der Dominikanischen Republik ganz tief in die Kiste der platten Sprüche.
„Ich habe oft genug bewiesen, dass ich in den Krieg ziehen kann“, kündigte er bei der Pressekonferenz in Bonn an. „Wer mich besiegen will, muss mich töten“ legte er in der Sport-Bild nach und erklärte dann ganz bescheiden: „Im Sport gibt es das Wort unbesiegbar nicht. Aber ich glaube, ich bin nahe dran.“ Zwei seiner bisher 36 Kämpfe hat der 31-Jährige dennoch verloren. Eine Niederlage war nicht nur ungerecht, sondern gleichzeitig auch der Fight, der Felix Sturm bekannt gemacht hat. Gegen die Legende Oscar de la Hoya hat er nur verloren, weil der US-Boxer aus Geschäftsgründen einfach gewinnen musste. Schließlich waren die Millionen-Verträge für das Duell de la Hoyas mit Bernard Hopkins schon ausgearbeitet.
Freikauf für eine Million Euro
Das ist sechs Jahre her. Sturm eroberte zwischenzeitlich zweimal den Weltmeister-Gürtel im Mittelgewicht. Doch in den vergangenen 14 Monaten stand er nicht im Ring, weil er auf keinen Fall mehr für den Universum-Stall von Promoter Klaus-Peter Kohl boxen wollte. Das juristische Scharmützel endete mit einem Vergleich. Sturm kaufte sich für eine knappe Million Euro frei. Er ist jetzt sein eigener Veranstalter und boxt auf eigene Rechnung, Mit allen Risiken. Verteidigt er seinen Titel, ist er dick im Geschäft. Aber wehe nicht. Eine Niederlage droht das sorgfältig aufgebaute Projekt wie ein Kartenhaus zum Einsturz zu bringen.
„Der Kampf gegen Lorenzo ist der wichtigste in meinem Leben“, sagte der Leverkusener vor seinem Comeback. Sturm hat nicht nur eine Million Euro an Kohl gezahlt, er hat für seine Selbstständigkeit auch rund 350 000 Euro in ein eigenes Trainings-Gym investiert. Alles ist neu im Stall Sturm: Auch der übertragende Fernsehsender Sat.1 steigt mit Felix Sturm ins Box-Geschäft ein.
Engagement auf Probe
Allerdings ist es ein Engagement auf Probe, der Vertrag mit Sat.1 gilt zunächst nur für den Fight am Samstag in Köln. Erwartet werden rund sechs Millionen Fernsehzuschauer, die einen Marktanteil von 20 Prozent sichern sollen. Um das Ziel zu erreichen, hat Sat.1 die volle PR-Maschinerie seiner Senderfamilie angeworfen. Eine zweiteilige Dokumentation zeigte sowohl den Boxer als auch den Privatmann Felix Sturm, der vor elf Monaten Vater eines Sohnes wurde. Lukas Podolski soll Sturms WM-Gürtel in den Ring tragen, weitere Fußball-Nationalspieler werden wohl die Pause zwischen den beiden Länderspielen mit einem Ausflug zum Faustfechten überbrücken. „Linkin Park“ wird live aus Los Angeles für Sturm „Bleed it out“ spielen.
Neu ist auch der Mann an Sturms Seite. Fritz Sdunek, der 63-jährige Erfolgstrainer, der Dariusz Michalczewski, die Klitschkos und viele andere Boxer zu Weltmeistern machte, löste Michael Timm ab. Sturm warf Timm vor, falsche Dinge verbreitet zu haben. Dass ausgerechnet Sdunek jetzt Sturm coacht, kam überraschend, da sich Sdunek häufiger kritisch über Sturm geäußert hatte. Sturm sei zu überheblich, warf ihm Sdunek vor.
„Er war aber immer ehrlich zu mir, hat mich stets offen kritisiert“, sagte Sturm. Inzwischen verstehen sich die beiden bestens. Sturm schätzt den ruhigen und erfahrenen Trainer, Sdunek lobt seinen Boxer: „Wir ergänzen uns sehr gut. Felix ist wissbegierig und bereit, viele Dinge auszuprobieren. Das kommt meinem Stil entgegen.“ Sdunek ist überzeugt, dass Sturm seinen Titel verteidigen wird. Die Pause von 14 Monaten habe ihm gut getan, sagt der Trainer. Und die 14 Kilo, die Sturm zwischenzeitlich zugelegt hatte, sind längst verbrannt. Das Six-Pack sitzt wieder.