Gold im zweiten Anlauf: Mit Wut im Bauch hat Doppel-Weltmeister Paul Biedermann bei der Schwimm-EM in Budapest seinen Titel über 200m Freistil erfolgreich verteidigt und die passende Antwort auf die Niederlage zu Beginn über die doppelte Distanz gegeben. "Mission erfüllt", sagte Biedermann nach seinem Triumph. Als Belohnung gab es einen dicken Kuss von Freundin Britta Steffen.

Für weiteres deutsches Edelmetall sorgte Wasserspringer Patrick Hausding mit Silber vom 1-m-Brett. Zuvor hatte der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) eine schockierende Nachricht erhalten. Freiwasser-Trainer Stefan Lurz wird vorgeworfen, eine minderjährige Schwimmerin sexuell missbraucht zu haben. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen und den Bruder von Langstrecken-Europameister Thomas Lurz nach der Rückkehr aus Ungarn bereits vernommen.

Sportlich lief es für Paul Biedermann diesmal nach Plan. "Ich habe mir selber Druck gemacht. Und von außen gab es nur eine Erwartung: ich muss gewinnen. Die wollte ich erfüllen", sagte Deutschlands Sportler des Jahres 2009 spürbar erleichtert. Kurz danach gab Biedermann wegen der hohen Belastung seinen Verzicht auf die 100m Freistil (Donnerstag/Freitag) bekannt, um sich auf die Staffeln am Wochenende zu konzentrieren.

Trotz des Sieges war Biedermann aber nicht restlos zufrieden. "Ich bin nicht so glücklich mit der Zeit", sagte der 24-Jährige aus Halle/Saale. In 1:46,06 Minuten verwies er den Russen Nikita Lobintsew (1:46,51) und den Niederländer Sebastiaan (1:46,91) zwar sicher auf die Plätze zwei und drei, blieb im Fernduell mit Michael Phelps aber 45 Hundertstel über der Weltjahresbestzeit des Rekord-Olympiasiegers aus den USA. Biedermanns 400-m-Bezwinger, der Franzose Yannick Agnel, war über 200m nicht am Start.

Auf der Tribüne atmete Freundin Steffen erst einmal ganz tief durch. "Ich war unheimlich nervös und bin immer noch angespannt. Ich weiß gar nicht wohin mit meinem Aggressionspotenzial. Aber nun bin ich froh, dass Paul hier gewonnen und seine Erwartungen erfüllt hat", sagte die Doppel-Olympiasiegerin, die wegen gesundheitlicher Probleme auf die EM-Teilnahme verzichtet hatte.

Die übrigen Starter des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) gingen am dritten Wettkampftag auf der Margareteninsel leer aus. Biedermanns Vereinskollegin Daniela Schreiber kam zwei Tage nach dem Staffelgold über 100m Freistil beim Sieg der Britin Francesca Halsall (53,58) nicht über Platz sieben (55,11) hinaus. Über 100m Brust waren Sarah Poewe (Wuppertal) als Fünfte (1:08,60) und Caroline Ruhnau (Essen) als Sechste (1:08,68) beim Sieg der Russin Julia Jefimowa (1:06,32) ohne Chance. Markus Deibler kam über 200m Lagen nicht über den achten Platz hinaus.

Hausding war gleich zum Auftakt seines Mammutprogramms erfolgreich. Der Berliner, der in Ungarn in allen fünf Wettkämpfen antritt, musste sich mit 430,25 Punkten nur dem Ukrainer Ilja Kwascha (433,90) geschlagen geben. Mit seiner Medaille sorgte Hausding auch für einen Befreiungsschlag der Springer. Bei der WM im Vorjahr in Rom war die Sparte ohne Edelmetall geblieben.

Schlimme Nachrichten gab es für den DSV aus der Heimat. Stefan Lurz sieht sich schweren Vorwürfen einer 15 Jahre alten Schwimmerin ausgesetzt. Nach Angaben des Mädchens soll es im November 2009 bei einem Wettkampf in Essen sowie bei einem Trainingslager in Singapur Ende März dieses Jahres zu sexuellen Übergriffen gekommen sein. Die Mutter der Schülerin stellte vor etwa zehn Tagen Anzeige. Auf Lurz, der mit der ehemaligen Vize-Weltmeisterin Annika Lurz verheiratet ist, warteten bei der Heimkehr vom Plattensee Kriminalpolizei und Staatsanwalt.

DSV-Präsidentin und Juristin Christa Thiel sagte in Ungarn am Abend in einem ARD-Interview: "Ich hatte noch keine Gelegenheit, mit Stefan Lurz zu sprechen. Wir nehmen den Fall ernst und werden am Montag nach unserer Rückkehr mit dem Staatsanwalt Kontakt aufnehmen. Ich hatte von dem Fall und kursierenden Gerüchten keine Kenntnis."