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Die Fairness gebietet den Hinweis: Philipp Lahm kann nichts dafür, dass Lothar Matthäus in der Kapitänsfrage für ihn Partei bezieht. Aber so ist das nun mal mit dem Applaus von der falschen Seite.
Lahm muss sich aber auch fragen, warum er in dieser Angelegenheit wie ein störrischer Junge ohne Not keine Ruhe gibt. War schon sein ultimativ formulierter Anspruch („Freiwillig gebe ich die Binde nicht mehr her”) zur Unzeit – vor dem WM-Halbfinale – erfolgt, so ist jetzt schwer nachvollziehbar, warum er vor dem ersten Länderspiel der Saison, bei dem sich – wegen Abwesenheit der beiden Kandidaten – die Kapitänsfrage nicht stellt, dieses Fass wieder aufmacht.
Bei seinem ersten Vorstoß war noch davon ausgegangen worden, dass der 26-Jährige kaum so weit gegangen wäre, hätte er er nicht die ganze Mannschaft hinter sich gewusst. Diese Vermutung hat sich erledigt, seit sich kurz darauf ausgerechnet sein Lahms Bayern-Kollege Bastian Schweinsteiger für Michael Ballack positionierte. Dass dahinter eigene Ambitionen stecken, ist zumindest nicht abwegig. War Schweinsteiger doch während der WM eindeutig der Chef auf dem Platz.
Wer in der deutschen Nationalmannschaft die Kapitänsbinde trug, war in der Vergangenheit nie ein großes Thema. Selbst die von Jürgen Klinsmann im Ruck-zuck-Verfahren durchgesetzte Ablösung Olivers Kahns 2004 durch Ballack beschäftigte die Öffentlichkeit nicht lange. Die Art und Weise, wie die Diskussion heute geführt wird, macht jedoch aus einem Neben- einen Hauptschauplatz.
Die Verantwortung dafür trägt allerdings nicht Lahm, sondern Joachim Löw. Was hätte – wo die Argumente doch auf dem Tisch liegen – dagegen gesprochen, sich nach seiner Vertragsverlängerung auch in dieser Frage zu entscheiden? Oder spielt der Bundestrainer in der Hoffnung auf Zeit, Ballacks Comeback könnte sich noch zerschlagen und er damit um eine Wahl herumkommen?