Leverkusen. .
Die Herren Verantwortlichen hatten sich wohl vorher abgesprochen und gedacht: Überlassen wir doch erstmal dem jungen Sportler das Rampenlicht. Artig warteten Rudi Völler, Wolfgang Holzhäuser und Jupp Heynckes seitlich am Podium, nachdem sie gemeinsam mit Michael Ballack den völlig überfüllten Presseraum der Bay-Arena betreten hatten. Ein Blitzlichtgewitter prasselte auf den „außergewöhnlichsten Transfer des Jahres“, wie Holzhäuser findet, herab.
Erst kurze Zeit später nehmen der Sportdirektor, der Geschäftsführer und der Trainer von Bayer Leverkusen neben ihrem neuen Star Platz, gedanklich haben sie sich die Sätze zurecht gelegt, mit denen sie den Imagewandel des Vorjahresvierten der Fußball-Bundesliga darlegen wollen. Was die rund 100 Journalisten und 16 Kamerateams aber vorrangig interessiert, ist, wer nach Meinung von Michael Ballack künftig die Spielführerbinde in der DFB-Auswahl tragen darf. Was für den 33-Jährigen ja eigentlich keine Frage ist: „Ich bin immer noch der Kapitän der Nationalmannschaft.“
Zynische Hochzeitsgrüße ins Oberbayrische
An diesem Mittwoch ist es nahezu ausgeschlossen, dass Philipp Lahm solche Sätze augenblicklich auf sein Handy übermittelt bekommt. Der Münchener ehelicht zur gleichen Zeit in Aying seine langjährige Freundin Claudia. Ein Tag, an dem der Fußball und die Debatte um das Kapitänsamt ganz, ganz weit hinten anstehen. Dass Michael Ballack bei seiner Vorstellung als Neuzugang von Bayer Leverkusen Hochzeits-Glückwünsche ins Oberbayrische schickt, ist das Mindestmaß an Höflichkeit – der damit aber auch schon Genüge getan wäre. Den Zeitpunkt, zu dem Lahm seine Ansprüche anmeldete und damit einen Machtkampf heraufbeschwor, findet Ballack „diskussionswürdig“.
Vielleicht sprach aus Philipp Lahm der grenzenlose Enthusiasmus, als er nach dem denkwürdigen 4:0-Viertelfinalsieg über Argentinien ankündigte, das Kapitänsamt „nicht freiwillig“ wieder abzugeben. Revolution am Kap! Vielleicht hatte der Ersatz-Capitano aber auch erkannt, dass dem eigentlichen Amt- und Würdenträger die Bindung zum Rest der Mannschaft fehlte, als Ballack seine Kollegen in Südafrika besuchte. Lahms kommunikative Art wurde in höchsten Tönen gelobt, gleichermaßen auch die „flache Hierarchie“, die nun unter den Schwartrotgoldenen herrsche. Darauf angesprochen, erklärte der Meinungs-Monopolist Ballack: „Das Wort kenne ich nicht.“ So schön das 4:0 über Maradonas Gauchos auch gewesen sei: „Es hat geschmerzt zuzuschauen, das ist normal, das hätte jedem anderen auch wehgetan.“
An Ballack scheiden sich die Geister
Am Leverkusen-Heimkehrer scheiden sich die Geister – außer in Leverkusen natürlich, wo das Leistungsvermögen des 98-fachen Nationalspielers eng mit der Hoffnung auf „größtmöglichen Erfolg“ (Völler) verbunden ist. Soll der Görlitzer in zwei Jahren, im Alter von 35, noch einmal in die Nationalelf zurückkehren, um bei der EM in Polen und der Ukraine sein letztes großes Turnier bestreiten zu können? Oder würde er die Entwicklung dieser so unbedarft und begeisternd spielenden Jungspunde wie Özil und Müller nur bremsen, vielleicht sogar gänzlich stoppen? Die Antworten dazu gibt’s erst in einigen Wochen, vielleicht.
Als Spielführer aufs Feld zu marschieren, „ist kein Wunschkonzert“, teilte Ballack noch einmal in Richtung des Frischvermählten aus, „es gibt Hierarchien, die man sollte man respektieren.“ Er kennt das Wort also doch. Rückendeckung von Joachim Löw hat der 33-Jährige noch nicht erfahren. Grundsätzlich habe er aber „Vertrauen in den Bundestrainer“, der ja so kurz nach dem dritten Platz von Südafrika erstmal selbst für sich entscheiden muss, ob er die Nationalmannschaft weiter begleitet. In Leverkusen jedenfalls wir Ballack nicht Kapitän, Simon Rolfes bleibt Chef der Werkself. Es ist davon auszugehen, dass ihn dies nicht weiter stört.