Johannesburg. .

Nach den Fehlentscheidungen in den Achtelfinals sprach sich der ehemalige FIFA-Schiedsrichter Markus Merk im SID-Interview für die Einführung des „elektronischen Auges“ aus.

Markus Merk, bei der WM 2010 in Südafrika wächst der Unmut über die Schiedsrichter. Dem „Tor von Bloemfontein“ beim Spiel zwischen Deutschland und England folgte bei der Partie zwischen Argentinien und Mexiko ein klarer Abseitstreffer. Was ist bei der WM nur mit den Schiedsrichtern los?

Markus Merk: „Die Leitung eines Fußballspiels auf diesem Niveau ist hochkomplex. Die Fehler der Referees sind absolut menschlich. Zu Beginn des Turniers gab es auch von meiner Seite aus Kritik an der ungleichen Regelauslegung. Dann haben wir aber eine Woche lang sehr gute Leistungen gesehen. Nun reden wir über Einzelentscheidungen, die für den Fan natürlich sehr schwer nachvollziehbar sind.“

Menschliche Fehler in allen Ehren. Aber wenn es solche wettbewerbsverzerrende Entscheidungen sogar bei großen Turnieren vor einem Millionen-Publikum gibt, ist auch der Fußball auf dem besten Weg, seine Glaubwürdigkeit zu verlieren...

Merk: „Wir leben im 21. Jahrhundert und verzichten auf jegliche Technik. Das hilft den Schiedsrichtern nicht und ist auch der Öffentlichkeit schwer zu vermitteln. Der Fußball verliert deshalb bei den Fans an Glaubwürdigkeit. Entscheidungen wie der Hand-Treffer des Franzosen Thierry Henry in der WM-Qualifikation gegen Irland oder das „Tor von Bloemfontein“ beim Spiel Deutschland gegen England sind schlecht für den Fußball. Genauso wie die Abseitsentscheidung beim Spiel Argentinien gegen Mexiko. Zwei solche Fehlentscheidungen bei einer WM so kurz hintereinander belasten den Fußball.“

Würde der Videobeweis den Fußball nach vorne bringen?

Merk: „Ich war noch nie jemand, der das Wort Videobeweis in den Raum schmeißt, und sich dann keine Gedanken mehr darüber macht, wie der überhaupt aussehen soll. Ich habe dafür viel Kritik einstecken müssen, aber ich plädiere schon seit Jahren für die 3x2-Regel. Dabei haben die beiden Teams und der Schiedsrichter zweimal pro Spiel die Chance auf ein Vetorecht, nachdem sie sich die Szene noch einmal angeschaut haben. Es geht um die „Big Points“, die zu 100 Prozent klaren Entscheidungen, die man mit Hilfe des elektronischen Auges auflösen könnte. Ich glaube, das wäre ein Fortschritt.“

Den Weltverband FIFA scheinen die Diskussionen um die Referees derweil überhaupt nicht zu interessieren. Auch wenn es der FIFA nicht gelingt, versucht sie weiter täglich, die Problematik zu ignorieren. Geht es dem Weltverband doch nicht - wie er immer sagt - um das „Good of the Game“.

Merk: „Das Motto der FIFA müsste im anders heißen. Anstatt „For the Good of the Game“ müsste es eigentlich „For the Best of the Game“ heißen. Ein zweiter Schiedsrichter, Torrichter, zusätzliche Assistenten fördern die menschlichen Fehler, produzieren weitere Schnittstellen in der menschlichen Wahrnehmung und sind halbherzig. Sie bringen noch mehr Subjektivität ins Spiel. Wenn ich nach Veränderungen strebe, dann mit zeitgerechten Hilfsmitteln, ganz oder gar nicht. Man muss nur bereit sein, sich positiv in der Praxis damit auseinanderzusetzen.“

(sid)