Pretoria. .

Um Punkt 23.20 Uhr hat Gerhard Mayer-Vorfelder am Sonntagabend das Moses-Mabhida-Stadion verlassen, dieses WM-Stadion im südafrikanischen Durban, das seinen Zweck verleugnet, das von außen eher wie eine Installation auf einer gigantischen Opernbühne der Moderne wirkt als wie eine Fußballarena. Strahlendes Weiß, von einem stählernen Bogen überspannt, der an seinem Scheitelpunkt 104 Meter Höhe erreicht. Mayer-Vorfelders Rolle in der immer größer werdenden Inszenierung des Fußballs ist aber mittlerweile eine kleine. Der ehemalige Präsident des Deutschen Fußball-Bundes war geladen zum ersten Vorrundenspiel der Nationalelf bei der WM, er hat den 4:0-Sieg gegen Australien verfolgen dürfen, und dann hat er ein paar Minuten lang auf seinen Wagen warten müssen, bevor er sich still verabschiedet hat.

Es wird gerade viel gesprochen über die Nachwuchsarbeit, die tolle Nachwuchsarbeit des deutschen Fußballs. Europameister mit der U 19 im Jahr 2008, Europameister mit der U 17 im Jahr 2009, Europameister mit der U 21 im gleichen Jahr. Und bei der WM tritt eine Mannschaft an, die im Schnitt nicht einmal 25 Jahre alt ist und doch Spielstärke demonstriert, Technikfußball, Taktikfußball. Wenn Doktor Theo Zwanziger über die Erfolge des Nachwuchses und die Jugend der WM-Spielgruppe redet, betont er stets die wichtige Rolle seines Vorgängers im Amt des DFB-Präsidenten für die Entwicklung des deutschen Fußballs. „Dankbar“ sei er Mayer-Vorfelder, sagt Zwanziger, „dankbar“ dafür, energisch diese Entwicklung vorangetrieben zu haben nach den deprimierenden Vorstellungen des nationalen Prunkstücks bei der WM 1998 und der EM 2000.

46 Leistungszentren des Fußballs sind in Deutschland aufgebaut worden. 5000 Jugendliche werden fußballerisch und schulisch gefördert. In Paragraph drei der Lizenzierungsordnung der Deutschen Fußball-Liga wird von den Vereinen verbindlich verlangt, „dass der Bewerber an seinem Sitz oder in seiner Region als Fördereinrichtung des Juniorenfußballs ein Leistungszentrum führt“. Fast alle Spieler, die mit ihren Juniorenteams Titel gesammelt haben, sind durch Leistungszentren gegangen.

Selten konnte sich der deutsche Fußball so sicher sein, dass seine Zukunft nicht mehr allein von der Talentverteilung eines launisch mit der Gießkanne operierenden Schicksals abhängt. In einem Land wie Frankreich war bereits erkannt worden, dass systematische Förderung eine Ausgangsvoraussetzung für Erfolge sein kann, als man hierzulande noch wohl gesonnene Gene oder schlichtes teutonisches Durchsetzungsvermögen am Werk sah. Frankreich wurde 1998 Weltmeister. Doch Deutschland hat in dieser Zeit der großen Depression die Zeichen richtig gedeutet. Weltmeister fallen nicht mehr vom Himmel.

Im Verein erlernt

Ein Sami Khedira, 23 Jahre alt, Europameister mit der U 21, genießt seit 1995 die Förderung durch den VfB Stuttgart. Ein Thomas Müller, 20, deutscher Meister, Champions-League-Finalist, spielt seit 2000 für die Bayern und ist schon in der U 16 für Deutschland aufgelaufen. Ein Manuel Neuer, U-21-Europameister 2009, spielt seit 1991 für Schalke 04. Früher, in der frühen Jugend, erzählt der 24-Jährige, habe er nur zwei- oder dreimal in der Woche im Verein trainiert. Natürlich habe er noch nebenbei gekickt, auf Gelsenkirchener Asche. Aber erlernt, systematisch, habe er sein Torwartspiel im Verein: „Bei jedem Torwarttraining unter Lothar Matuschak in der B- und A-Jugend haben wir auch den Fuß geschult.“

Mit dem rechten Fuß und dem linken Fuß kann Neuer das Spiel eröffnen. Er gilt nicht als konservativer Fänger, er gilt als kreativer Mitspieler, als Torwart der Fußballmoderne. Noch besser mit den Füßen umgehen kann allerdings Mesut Özil, Neuers ehemaliger Schalker Kollege. Bei dem 21-jährigen Regietalent kommt vieles zusammen. Straßenfußball, Lernfußball und ein türkischer Migrationshintergrund.

Heute seufzt Joachim Löw, der Bundestrainer einer jungen, gut geschulten und die Offenheit der Gesellschaft spiegelnden Multikulti-Nationalelf: „Wir sind alle froh, dass er sich für Deutschland entschieden hat.“ Das Ausbildungsland.