Essen. Kai Michalke weiß, wie es ist, als Außenseiter im DFB-Pokal-Finale zu stehen. Ein Gespräch über die historische Zeit von Alemannia Aachen.

Für den 1. FC Kaiserslautern steht mit dem DFB-Pokal-Finale gegen Bayer 04 Leverkusen (Samstag, 25. Mai, 20 Uhr) das größte Spiel der jüngeren Vereinsgeschichte an. Auch wenn die Werkself im Europa-League-Finale gegen Atalanta Bergamo (0:3) die erste Niederlage nach 51 ungeschlagenen Pflichtspielen in Serie kassiert hat, stellt sich die Frage: Wie soll der 1. FC Kaiserslautern, der in der zweiten Liga gerade so die Klasse gehalten hat, gegen den frisch gebackenen Deutschen Meister überhaupt eine Chance haben?

Eine Antwort darauf gibt Kai Michalke. Der gebürtige Bochumer weiß, wie es ist, als krasser Außenseiter in einem DFB-Pokal-Finale zu stehen. Mit Alemannia Aachen traf er im Jahr 2004 auf den amtierenden Deutschen Meister Werder Bremen. Die Alemannia verlor mit 2:3, qualifizierte sich durch die Finalteilnahme aber für den Uefa-Cup. Aachen ist der bislang letzte Zweitligist, dem das gelang. Im Interview erzählt Kai Michalke von einem unverhofften Uefa-Cup-Jahr, auf das er immer noch angesprochen wird.

Kai Michalke über DFB-Pokal-Finale: Kaiserslautern muss über sich hinauswachsen

Kai Michalke, mit dem 1. FC Kaiserslautern steht wieder ein Zweitligist im DFB-Pokal-Finale. Gegner ist Bayer 04 Leverkusen. Weckt so eine Konstellation bei Ihnen besondere Erinnerungen?

Kai Michalke: Natürlich ist das kein Pokalfinale, wie jedes andere. Thomas Hengen (Geschäftsführer des 1. FC Kaiserslautern, d. Red.) ist ein langjähriger Weggefährte von mir, wir haben zusammen in Aachen gespielt. Dazu haben wir bei KL Sportsbase, wo ich als Berater arbeite, mit Boris Tomiak, Marlon Ritter und Tobias Raschl drei FCK-Spieler unter Vertrag. Sie alle bekommen als Zweitligist eine Chance, die sicher nicht alltäglich ist.

Absolut. Der bisher letzte Zweitligist im DFB-Pokal-Finale war der MSV Duisburg im Jahr 2011...

Genau, das war gegen den FC Schalke 04. Damals war ich im Stadion. Man sieht, dass es im Pokal eigene Gesetze gibt und man immer für Überraschungen sorgen kann. Die Vorzeichen sind am Ende immer die gleichen. Man ist krasser Außenseiter, aber nicht gleich chancenlos. Bezogen auf das diesjährige Finale spielt Bayer Leverkusen eine fantastische Runde mit attraktivem, erfolgreichem Fußball. Nach dem Europa-League-Finale gegen Bergamo haben sie das zweite Endspiel in kurzer Zeit. Kaiserslautern kommt nach dem vorzeitigen Klassenerhalt mit Euphorie im Rücken. Die Vorzeichen sind klar, aber ich denke, dass vieles von den ersten 15, 20 Minuten abhängt. Dann wird sich zeigen, ob der FCK tatsächlich eine Chance hat.

Hier jubeln die Spieler des 1. FC Kaiserslautern über den Einzug ins DFB-Pokal-Finale.
Hier jubeln die Spieler des 1. FC Kaiserslautern über den Einzug ins DFB-Pokal-Finale. © AFP | JEAN-CHRISTOPHE VERHAEGEN

Wie hat der 1. FC Kaiserslautern aus Ihrer Sicht eine Chance gegen Bayer Leverkusen?

Sie müssen mutig sein und an sich glauben. Kaiserslautern muss die Freude und Euphorie mit auf den Platz nehmen. Natürlich werden sie über sich hinauswachsen, aber aus Erfahrung kann ich sagen, dass oft der Start in ein Spiel entscheidet, in welche Richtung es gehen kann. Dass Bayer Leverkusen mehr Qualität hat, steht außer Frage, aber auch mit dieser Mannschaft macht es etwas, wenn sie sich jede Woche komplett fokussieren muss. Da kann es mal passieren, dass man als Top-Favorit gegen einen vermeintlichen Underdog ein paar Prozent weniger gibt. Das ist menschlich. Und da liegt die Chance für den FCK, wenn er an sein Maximum kommt.

DFB-Pokal-Finale als Zweitligist: Kai Michalke erinnert sich an Coup mit Aachen

Sie kennen das Pokalfinale aus der Perspektive des Underdogs. 2004 hatten Sie mit Alemannia Aachen als Zweitligist den frisch gebackenen Deutschen Meister Werder Bremen vor der Brust. Was hat Ihr Trainer Jörg Berger damals in der Kabine vor dem Spiel gesagt?

Erst einmal war es so, dass wir in der zweiten Liga bis zum letzten Spieltag die Chance auf den Aufstieg hatten. Wir hatten also eine Enttäuschung im Rücken, haben uns aber auch auf das Finale gefreut. Für jeden Fußballer, der in Deutschland spielt, ist es eines der schönsten sportlichen Erlebnisse, in Berlin im Pokalfinale zu stehen. Jörg Berger hat uns damals Mut zugesprochen und gar nicht thematisiert, dass wir Außenseiter sind. Er hat versucht, im Vorfeld des Spiels eine gewisse Coolness und Lockerheit zu wahren, damit gerade jüngere Spieler nicht gehemmt sein würden.

Sie selbst haben im Finale nicht gespielt. Am Ende gab es eine 2:3-Niederlage. Wie war die Stimmung nach dem verlorenen Finale, mit dem Sie sich als Zweitligist für den Uefa-Cup qualifiziert hatten?

Da liegt der Unterschied zwischen Favorit und Underdog. Wir haben knapp verloren, aber trotzdem gefeiert. Bremen hatte eine fantastische Mannschaft und hat das Double geholt. Wir haben das Spiel lange offengehalten. Kurz danach waren wir natürlich traurig und enttäuscht. Wir mussten an den Siegern vorbeigehen und waren nicht diejenigen, die den Pokal in die Höhe gereckt haben. Bei mir kam noch dazu, dass ich nicht gespielt hatte. Das gehört aber dazu. Mit ein paar Stunden Abstand hat dann aber die Freude über das Erreichte überwogen. Wir haben Bayern München und Borussia Mönchengladbach rausgeworfen. Mit ein wenig Abstand darf man sich da auch freuen.

Im Uefa Cup haben Sie dafür aber wieder viel gespielt...

In der Tat (lacht). Wir haben fantastische Spiele abgeliefert und ich war in der Qualifikationsrunde gegen FH Hafnarfjördur aus Island der erste Torschütze. Als Zweitligist haben wir unsere Gruppe mit OSC Lille, dem FC Sevilla, Zenit St. Petersburg und AEK Athen überstanden. Da durchzukommen, war eine Hausnummer. Man muss aber auch sagen, dass wir Spieler hatten, die davor oder danach Karriere gemacht haben. Erik Meijer, Sergio Pinto und ich haben lange Bundesliga gespielt, Simon Rolfes hat es bis ins Nationalteam geschafft. Wir hatten damals Qualität auf dem Platz.

Kai Michalke (rechts) im Uefa-Cup-Spiel von Alemannia Aachen gegen Zenit St. Petersburg. Foto: firo
Kai Michalke (rechts) im Uefa-Cup-Spiel von Alemannia Aachen gegen Zenit St. Petersburg. Foto: firo

Welches Spiel ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Ich habe zuletzt etwas von Dieter Hecking (damaliger Trainer von Alemannia Aachen, d. Red.) gelesen. Da hat er gesagt, dass er mit Alemannia Aachen gegen OSC Lille das perfekte Spiel gemacht hätte. In dieser Phase hatten wir eine Mannschaft, die einen extrem leidenschaftlichen Fußball gespielt hat. Alle waren mit Leidenschaft und Hingabe dabei, wir hatten ein enormes Selbstbewusstsein. Das begann mit dem souveränen 5:1-Sieg gegen Hafnarfjördur, dann kamen Spiele, wie das 2:0 in Athen. Aber auch in der Meisterschaft waren wir stark. Unser Kader war aber einfach nicht auf die Doppelbelastung ausgelegt. Bei den Menschen ist das alles hängengeblieben.

Werden Sie heute noch auf die damalige Saison angesprochen?

Ja. Ich bin regelmäßig im Stadion zu Gast und die Leute zollen uns nach wie vor Anerkennung für diese Saison. Ich glaube, dass die DFB-Pokal-Final-Mannschaft von 2003/04, die Uefa-Cup-Mannschaft von 2004/05 und die Bundesliga-Aufstiegs-Mannschaft von 2006/07 (da spielte Kai Michalke nicht mehr für Alemannia Aachen, d. Red.) Eindruck hinterlassen haben. Die Leute erinnern sich bis heute gerne daran zurück.

Kai Michalke freut sich über den Drittliga-Aufstieg von Alemannia Aachen

Den von Ihnen angesprochenen leidenschaftlichen Fußball und das phasenweise perfekte Spiel könnte man auch der aktuellen Aufstiegsmannschaft von Alemannia Aachen zuschreiben. Wie haben Sie den Aufstieg in die 3. Liga erlebt?

Ich war bei dem Spiel gegen den 1. FC Bocholt (tags zuvor war Alemannia Aachen durch die 1:2-Niederlage des Wuppertaler SV bei Fortuna Köln aufgestiegen, d. Red.) im Stadion. Die ganze Stadt ist elektrisiert. Es ist verrückt. Jeder hat mitgefiebert und man hat in den vergangenen Wochen gespürt, dass sich die ganze Stadt nach einer Rückkehr in die 3. Liga sehnt. Zu welchem Viertligisten kommen über 30.000 Zuschauer? Das war beeindruckend.

Was hat die Aachener aus Ihrer Sicht so stark gemacht?

Nach anfänglichen Schwierigkeiten haben die Verantwortlichen alles noch einmal überdacht und gewisse Entscheidungen geändert. Viele Neuzugänge sind als Führungsspieler ihrer Ex-Vereine gekommen. Es hat ein wenig gebraucht, um der Mannschaft eine klare Ordnung zu geben. Jede Mannschaft braucht eine Achse, die die Kabine führt und die Richtung vorgibt. Das ist nach anfänglichen Schwierigkeiten gut gelungen. Jeder Spieler wusste, welche Aufgabe er hat. Das ist im Fußball sehr wichtig. Das waren am Ende die Maßnahmen, die gegriffen haben.

Grenzenloser Jubel bei Alemannia Aachen über den Drittliga-Aufstieg (Montage).
Grenzenloser Jubel bei Alemannia Aachen über den Drittliga-Aufstieg (Montage). © Imago /FFS | Imago /FFS

Auf welchen künftigen Gegner der Alemannia freuen Sie sich am meisten?

Auf Arminia Bielefeld. Das mag sich erst einmal komisch anhören. Ich habe Fabian Klos 13 Jahre lang beraten, dabei ist eine große Freundschaft entstanden. Ich hätte mir natürlich gut vorstellen können, dass er noch auf dem Platz steht, aber er hatte jetzt einen tollen Abschied. Ich werde ihn sicherlich nach Aachen einladen und, wenn er Zeit hat, das Spiel von der Tribüne aus mit ihm schauen.

Kai Michalke drückt dem VfL Bochum in der Relegation die Daumen

Ein anderer Ex-Klub von Ihnen kämpft dagegen noch um den Klassenerhalt. Was macht Sie optimistisch, dass es der VfL Bochum in der Relegation gegen Fortuna Düsseldorf schafft, in der Bundesliga zu bleiben?

Erst einmal ist es sehr traurig, dass der VfL Bochum am 34. Spieltag noch auf den Relegationsplatz gerutscht ist. In der Bundesliga gibt es einfach eine Reihe von Klubs, die immer damit rechnen muss. Fakt ist aber auch, dass der VfL Bochum noch nicht abgestiegen ist. Ich drücke dem VfL natürlich die Daumen. Ich bin in Bochum geboren, beim VfL Profi geworden, und hatte dort viele tolle Erlebnisse. Ich bin im Kreis der Legenden und regelmäßig vor Ort. Es wird aber nicht leicht. Düsseldorf hat eine tolle Mannschaft. Am Ende des Tages wird, bei aller Qualität, entscheidend sein, wer die besseren Nerven hat. Die Düsseldorfer mögen mir verzeihen, dass ich zum VfL Bochum halte.

Und zu wem halten Sie im DFB-Pokal-Finale?

Ich möchte ein gutes Spiel sehen. Natürlich würde ich mich sehr für unsere drei Spieler und Thomas Hengen freuen. Am Ende soll der bessere gewinnen und ich hoffe, dass alle Fußballbegeisterten, die sich auf das Pokal-Finale freuen, ein tolles Spiel sehen werden.