Berlin/Bochum. Union-Verteidiger Kevin Vogt im Interview über Führungsansprüche, den Abstiegskampf und das Duell gegen seinen Heimatklub VfL Bochum.

Es ist der pure Optimismus, der aus Kevin Vogt spricht, wenn der Innenverteidiger des 1. FC Union Berlin am Telefon zu erzählen beginnt. Abstieg? Mitnichten. Allerdings ist die Tabellensituation alles andere als rosig – gegen den VfL Bochum am Sonntag (15.30 Uhr, DAZN) wartet ein kleines Finale im Kampf um den Klassenerhalt auf die Köpenicker. Für Vogt ist es ein besonderes Spiel – er tritt gegen seinen Heimatklub an. In Bochum wurde er zum Profi. Im Interview spricht der 32-Jährige über seinen Karriereweg, was Union und den VfL verbindet und wie er zu einem besonderen Rekord steht.

Herr Vogt, an einer Frage scheiden sich bekanntlich die Geister bei Bochumern und Berlinern: Wo gibt es die bessere Currywurst?

Kevin Vogt: Als Bochumer gibt es da nicht viel Spielraum. An die Dönninghaus kommt nichts dran. Aber ich mag die Berliner auch. Die kann man gut essen, das geht ja nicht überall, wenn man die aus Bochum gewohnt ist.

Was Bochum und Berlin – vor allem beim 1. FC Union – eint, ist die Liebe zum Fußball. Wie drückt sich das aus Ihrer Sicht aus?

So krass wie hier habe ich es in meiner Karriere noch nicht erlebt. Das ist hier ein Arbeiterverein, ein ehrlicher Verein und die Fan-Unterstützung bei Union ist Wahnsinn. Sie ist ungebrochen, egal ob wir gewinnen oder verlieren. Das zeichnet den Verein hier aus. Die Fans haben einen großen Anteil am Erfolg des Klubs. Ich ziehe Parallelen zu Bochum, dort wird der Fußball auch gelebt.

Ist diese Unterstützung Unions großes Plus im Kampf um den Klassenerhalt?

Wir sind mittendrin. Wir wussten, dass es bis zum Ende so sein wird. Als ich hierhin gekommen bin, war die Lage schlechter. Jetzt haben wir alles in der eigenen Hand. Wir sind uns der Situation bewusst. Ich bin absolut davon überzeugt, dass wir das mit unserer Mannschaft im Zusammenspiel mit den Fans schaffen.

Wurde beim VfL Bochum zum Profi: Kevin Vogt (hier im Jahr 2011 gegen Erzgebirge Aue).
Wurde beim VfL Bochum zum Profi: Kevin Vogt (hier im Jahr 2011 gegen Erzgebirge Aue). © Gero Helm / WAZ FotoPool | Gero Helm

Dafür müssten Sie Ihrem Heimatklub VfL Bochum am Sonntag wehtun. Ist es für Sie eines der speziellsten Spiele der Karriere?

Es ist mein Heimatklub. Meine Familie, meine Eltern, meine Schwestern, mein Trauzeuge – alle leben dort. Ich bin in Bochum verwurzelt und wünsche dem VfL immer alles Gute – aber nicht, wenn ich gegen ihn spiele. Ich bin jetzt Union-Spieler und ich tue alles für den Klub, bei dem ich bin. Außerdem wird es auch nach dem Spiel gegen Bochum noch spannend bleiben. Daher wird es nicht spezieller als andere Spiele. Ich habe mit Werder Bremen zum Beispiel ja schon Relegation gespielt – das war noch mal was anderes.

Sie haben auch mit Hoffenheim und Augsburg schon gegen den Abstieg gespielt. Welche Eigenschaften sind als Spieler besonders wichtig?

Es geht vor allem um den Kopf, das ist maximal entscheidend. Der eine oder andere neigt in solchen Situationen dazu, mit dem Finger nach rechts und links zu zeigen. Das ist Gift für eine Mannschaft. Es ist normal, dass man in einen negativen Trott fällt, es schwierig ist, positiv zu bleiben. Ich schaffe es, einen kühlen Kopf zu bewahren und so nicht in Aktionismus zu verfallen. Man darf auch nicht zu viel quatschen, sondern muss mit Leistung voran gehen und die anderen mit positiver Energie anstecken.

Es ist keine Rolle, die ich einnehmen muss. Ich muss mich hier nicht verstellen. Ich bin ganz normal der Kevin.
Kevin Vogt - Union-Verteidiger

Ihr Kapitän Christopher Trimmel hat gesagt, Sie sind „ein Typ, der etwas in die Hand nimmt“. Sie sind erst im Winter nach Berlin gekommen. Ist es Ihnen leichtgefallen, direkt Verantwortung zu übernehmen?

Ja. Es ist keine Rolle, die ich einnehmen muss. Ich muss mich hier nicht verstellen. Die Verantwortlichen hier hatten sich mit meiner Verpflichtung etwas gedacht und das setze ich gern um. Ich kam nicht durch die Tür und habe gesagt, ich muss mich jetzt komisch verhalten, um dem gerecht zu werden. Ich bin ganz normal der Kevin.

Wie hat Union Berlin Sie von dieser Aufgabe überzeugt?

Ich war acht Jahre bei Hoffenheim und habe dort international gespielt. Aber zur Wahrheit gehört, dass wir letztes Jahr auch gegen den Abstieg gespielt haben. Nach Jahren in Hoffenheim kam von Union ein Angebot von einem außergewöhnlichen Klub mit außergewöhnlichen Fans und einem tollen Stadion. Für mich und meine Familie war der Wechsel auch ein Ausbrechen aus der Komfortzone. Ich wollte mich in meinem Alter auf dieses Abenteuer einlassen. Ich habe es keinen Tag bereut. Ich wusste ja, dass wir gegen den Abstieg spielen.

Kevin Vogt: „Beim VfL Bochum wird jeder damit gerechnet haben, dass sie gegen den Abstieg spielen“

Union kam von unten, der VfL Bochum von oben. Dennoch bangen beiden Klubs um den Klassenerhalt. Wer ist psychologisch im Vorteil?

Bochum hatte schon ein gutes Polster. Beim VfL wird aber jeder damit gerechnet haben, dass sie gegen den Abstieg spielen würden. Aber ich beschäftige mich nicht groß mit anderen Vereinen. Ich habe hier meinen Auftrag: Klassenerhalt. Wir müssen als Mannschaft so spielen, dass wir den schaffen. Wir haben immer wieder gepunktet und hatten keine Phase, in der wir sieben, acht Spiele nichts geholt haben. Wir hatten in den letzten Wochen Gegner, gegen die es keine Schande ist, zu verlieren. Über die Niederlage in Augsburg ärgern wir uns natürlich. Aber wir müssen uns auf uns konzentrieren.

Sie gucken inzwischen auf mehr als ein Jahrzehnt Profi-Karriere zurück. Welche Station war für Sie entscheidend?

Den größten sportlichen Erfolg habe ich in Hoffenheim gefeiert. Wir haben Champions League und Europa League gespielt. Das war fußballerisch richtig überzeugend, wir haben Gegner auch mal hergespielt. Aber auch mein Schritt von Bochum nach Augsburg war rückblickend sehr wichtig, weil ich als Bochumer Junge etwas anderes gesehen habe. Ich war auf mich allein gestellt, musste mich in der Bundesliga beweisen. In Bremen habe ich extrem viel lernen dürfen, weil ich in eine verunsicherte Mannschaft gekommen bin. Ich habe gelernt, was nötig ist, um erfolgreich zu sein und dem Druck einer Relegation stand zu halten. Ich habe in meiner Karriere beide Seiten der Medaille erlebt: Erfolg und Misserfolg. Das macht mich als Profi aus.

Robuster Zweikämpfer: Kevin Vogt.
Robuster Zweikämpfer: Kevin Vogt. © dpa | Britta Pedersen

Was Sie auch ausmacht: Sie haben einen Rekord aufgestellt, sind 269 Spiele ohne Torerfolg. Hand aufs Herz: Wie sehr schmerzt das?

Ich baue den jetzt noch etwas aus und dann habe ich den hoffentlich für immer für mich allein (lacht). Ehrlich? Es ist mir total egal. Die Jungs fragen mich, wie es mit meiner Technik möglich sei, so viele Spiele ohne Tor zu sein und ziehen mich auch etwas damit auf. Das Bild vom Rekordhalter hing natürlich am nächsten Tag an meinem Spind. Ich finde es eher lustig.

Sie haben gesagt, Sie sind in Bochum noch verwurzelt. Werden Sie Ihre Karriere irgendwann dort beenden?

Ich habe meinen Vertrag bei Union ganz bewusst unterschrieben. Wenn ich im Fußball etwas gelernt habe, dann dass ich danach nichts ausschließe. Schauen wir also mal.