Frankfurt am Main. U17-Weltmeistertrainer Christian Wück übernimmt nach Olympia für Horst Hrubesch das Frauen-Nationalteam – bei näheren Hinsehen durchaus sinnvoll.

Es herrschte mal wieder großer Auflauf im Campus des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), als am Donnerstag sich die Trainer und Trainerinnen der verschiedenen Nachwuchsteams zum Informationsaustausch trafen. Auch Christian Wück wohnte natürlich der Zusammenkunft bei, ehe er federnden Schrittes die Treppe runter gemeinsam mit Jens Nowotny nahm.

Vermutlich wird sein Assistent bei der U17-Nationalmannschaft schon eingeweiht gewesen sein, dass es für Wück nach dem Gewinn von EM und WM mit dem deutschen Nachwuchs ganz woanders weitergeht: Am Weltfrauentag verkündete der Verband, dass der 50-Jährige nach den Olympischen Spielen neuer Bundestrainer der DFB-Frauen und damit Nachfolger von Horst Hrubesch wird, der das Team noch bis zu den Olympischen Spielen (26. Juli bis 11. August) betreut.

Neu-Frauen-Nationaltrainer Wück freut sich auf die Mannschaft

Wück sprach nach seinem bei der U17 ausgelaufenen Vertrag von einer großen Ehre: „Als die Anfrage kam, habe ich nicht lange gezögert: Dieses Team zu coachen, die vorhandene individuelle Qualität der Spielerinnen weiterzuentwickeln und die Mannschaft damit auch zukunftsfähig für Erfolge zu machen, zählt zu den spannendsten und verantwortungsvollsten Aufgaben im deutschen Fußball.“

Anspruchsvoll ist der Auftrag auch: Im von vorne bis hinten verkorksten Jahr 2023 lag fast das gesamte Potenzial der deutschen Fußballerinnen brach, die sich unter Martina Voss-Tecklenburg als Team und mit der Trainerin verirrten. Hrubesch hat vor allem die internen Zwistigkeiten beendet, aber auch unter dem 72-Jährige wirkte der Matchplan bisweilen zu eindimensional, lief der Umbruch erst in Ansätzen an.

DFB-Frauen: Wück kann sich das Team zunächst unter Hrubesch anschauen

Das Gute ist, dass Wück keinen Kaltstart hinlegt, sogar noch bis Sommer die U15 Junioren begleitet: Der mit seiner Nachfolgeregelung höchst zufriedene Hrubesch („Ich schätze Christian Wück und kenne ihn bereits aus der Zeit, als ich das erste Mal für den DFB gearbeitet habe“) verantwortet erstmal auch noch die gesamte EM-Qualifikation, bei der Deutschland zuerst in Linz gegen Österreich (5. April) und dann gegen Island in Aachen (9. April) antritt. Dritter Gegner auf dem Weg zur EM-Endrunde 2025 in der Schweiz ist Polen (31. Mai und 4. Juni). Auch der fünfte und letzte Spieltag (12. und 16. Juli) ist noch vor den Sommerspielen angesetzt.

In dieser Phase kann sich Wück als Beobachter betätigen, was sicherlich nicht verkehrt ist, weil er sich Hintergrundwissen im Fußball der Frauen erst noch aneignen muss. Lange hieß es, einen solchen Quereinsteiger wolle der DFB nicht verpflichten, doch bei Wück als einem „ausgewiesenen Experten“, wie Präsident Bernd Neuendorf sagte, galt das nicht aus Ausschlusskriterium, denn: „Er spricht die Sprache der Spielerinnen und Spieler.“

Nia Künzer, DFB-Sportdirektorin, freut sich auf die Amtszeit von Christian Wück bei der Frauen-Nationalmannschaft.
Nia Künzer, DFB-Sportdirektorin, freut sich auf die Amtszeit von Christian Wück bei der Frauen-Nationalmannschaft. © dpa | Arne Dedert

DFB-Frauen: Nia Künzer lobt Neu-Nationaltrainer Wück

Auch Sportdirektorin Nia Künzer lobte die seit 2011 beim DFB in verschiedenen Funktionen arbeitende Lösung: „Christian Wück hat uns mit seiner Leidenschaft, Expertise und seinem zielgerichteten und sehr klaren Konzept überzeugt.“ Der als überaus loyal geltende Franke könne Spielerinnen und Spieler entwickeln und individuell besser machen, „ist dabei stets sehr kommunikativ, vermittelt Siegermentalität und weiß, wie man aus einzelnen Persönlichkeiten ein Team gestaltet.“ Während Künzers Vorgänger Joti Chatzialexiou gerne Colin Bell (Nationaltrainer Südkorea) geholt hätte, wäre Künzer auch mit internationalen Größen wie Emma Hayes oder Pia Sundhage warm geworden, die sich aber früh als Nationaltrainerin für die USA bzw. die Schweiz entschieden.

Nun hat die 44-Jährige für die Schlüsselpersonalie ihres Zuständigkeitsbereichs recht unaufgeregt eine pragmatische, smarte Lösung gefunden – und nicht darauf beharrt, dass nach Tina Theune, Silvia Neid, Steffi Jones oder Martina Voss-Tecklenburg wieder zwingend eine Frau den Posten besetzen muss. Mehrere Spielerinnen, zuletzt Kapitänin Alexandra Popp, hatten betont, dass Alter oder Geschlecht gar keine Rolle bei der Auswahl spielen sollten: Die Person müsse „voll und ganz für diesen Posten blühen“, sagte die 32-Jährige.

Maren Meinert (vorne, hier im August 2018) wird Christian Wück als Co-Trainerin zur Seite stehen.
Maren Meinert (vorne, hier im August 2018) wird Christian Wück als Co-Trainerin zur Seite stehen. © dpa | Alessandro Della Valle

Interessant, dass mit Wück auch Maren Meinert als Co-Trainerin zum Nationalteam zurückkehrt: Die 50-Jährige war unter Neid bei A-Turnieren stets dabei, gilt als durchsetzungsstarke Fußballlehrerin, die mit der U20 zwei WM-Titel gewann. Künzers frühere Mitspielerin ist gewiss keine Ja-Sagerin. Die Besetzung des zweiten Co-Trainerpostens will der DFB noch klären. Klar ist, dass die Zeit der Assistentin Britta Carlson als enge Vertraute von Voss-Tecklenburg ebenfalls mit dem Sommer endet.