Leverkusen. Bayern München geht im Topspiel bei Bayer Leverkusen unter. Thomas Tuchel steht in der Kritik. Viel Rückendeckung erhält er nicht.

Seine schwarze Kappe zog Thomas Tuchel mehrere Male noch weiter nach unten. So als wollte er sein Gesicht hinter ihr verstecken. Zwischendurch stützte er seinen Kopf mit seiner Hand ab. Der Trainer des FC Bayern München wirkte während der Pressekonferenz nach dem Bundesliga-Topspiel bei Bayer Leverkusen nachdenklich und angeschlagen. Mit 0:3 (0:1) hatte seine Mannschaft das Duell der beiden aktuell besten deutschen Vereine verloren. Der Serienmeister hat nun fünf Punkte Rückstand auf den auch nach 31 Saisonspielen ungeschlagenen Spitzenreiter. Eine Erschütterung im deutschen Fußball deutet sich an.

Für den 50-Jährigen war die Schmach in der BayArena eine der schwersten Niederlagen seiner Trainer-Karriere. Vor elf Monaten hatte die damalige Bayern-Führung um Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic Julian Nagelsmann überraschend vor die Tür gesetzt – und Thomas Tuchel verplichtet. Er sollte die Bayern wieder zur gewohnten Dominanz führen. Diesem Auftrag ist Tuchel bisher nicht gerecht geworden. Die Meisterschaft im vergangenen Sommer schenkte Borussia Dortmund am letzten Spieltag her, in dieser Saison blamierten sich die Bayern im DFB-Pokal bei Drittligist 1. FC Saarbrücken und laufen nun auch in der Bundesliga den Ansprüchen hinterher. Nach elf Meisterschaften in Serie hat nun ein anderer Verein die besten Karten im Meisterkampf.

Bayer Leverkusen dominiert Rekordmeister Bayern München

Die Art und Weise, wie der Rekordmeister in Leverkusen dominiert wurde, hinterlässt viele Fragezeichen. Der Titelverteidiger war dem NRW-Klub vor den Augen eines weltweiten TV-Publikums in allen Belangen unterlegen und konnte sich in 95 Minuten keine große Tormöglichkeit erspielen. Superstar Harry Kane war von der ersten bis zur letzten Minute abgemeldet. „Das war mit unsere schlechteste Leistung am wichtigsten Tag und im wichtigsten Spiel“, sagte Bayern-Kapitän Manuel Neuer.

Auch Weltmeister Thomas Müller fand unmittelbar nach dem Spiel deutliche Worte und zählte seine Teamkollegen in einem emotionalen TV-Interview an. Seine Kritik richte sich ausschließlich gegen die Spieler und nicht den Coach, betonte er. „Es waren genug Spieler von internationalem Format bei uns auf dem Platz. Da braucht man gar nicht auf den Trainer zu gehen.“

Thomas Tuchels Schachzüge gehen in Leverkusen nicht auf

Doch es war Tuchel, der das Schachspiel gegen Leverkusens Trainer Xabi Alonso klar verloren hatte. Seine überraschenden Umstellungen fruchteten nicht. In der Abwehr setzte er auf die ungewohnte Dreierkette, weil er das „Spiel der Leverkusener spiegeln“ wollte, wie er später erklärte. Dabei sendete er damit ein fatales Zeichen an den Gegner, der daraus offenbar noch mehr Selbstvertrauen schöpfte. Durch die Aufstellung hätten die Bayer-Profis in der Kabine „gespürt, wie viel Respekt sie vor uns haben“, sagte Leverkusens Abwehrchef Jonathan Tah. Auch Tuchels Schachzüge mit dem gelernten Rechtsverteidiger Sacha Boey auf der linken Seite und dem 19-jährigen Alexandar Pavlovic, der für Nationalspieler Joshua Kimmich im Zentrum startete, gingen nicht auf.

Das Duell der Star-Trainer zwischen Thomas Tuchel (r.) und Xabi Alonso ging klar an den Leverkusener Coach.
Das Duell der Star-Trainer zwischen Thomas Tuchel (r.) und Xabi Alonso ging klar an den Leverkusener Coach. © Ralf Ibing /firo Sportphoto | Ralf Ibing

Tuchel gab sich nach dem Spiel aber gewohnt trotzig und dünnhäutig. Die Niederlage habe „nix mit Taktik zu tun gehabt“. Auf Fragen zu seinen Entscheidungen reagierte er genervt. Dass in Josip Stanisic ausgerechnet ein Leihspieler der Bayern zur Führung für Leverkusen traf, wollte er sich auch nicht ankreiden. Tuchel verwies auf eine Regel, die in England angewandt wird: „Wenn du Spieler ausleihst, dürfen sie nicht gegen dich spielen. Ich glaube, das macht Sinn.“

FC Bayern: Kein klares Bekenntnis zu Thomas Tuchel

Dabei ist es seine Aufgabe, Spieler besser zu machen. Doch erstmals in seiner Karriere gelingt es Tuchel nicht, seine Mannschaft auf ein höheres Niveau zu heben. In Dortmund und bei Paris Saint-Germain war er nicht aus sportlichen Gründen, sondern an Zerwürfnissen im Klub gescheitert, mit dem FC Chelsea gewann er die Champions League. Bei den Bayern wackelt er nun schon im ersten Jahr. Um seinen Job muss er noch nicht bangen. An der Zusammenarbeit mit dem Trainer „ändert sich gar nichts“, versicherte Bayerns Vorstandschef Jan-Christian Dreesen nach dem Spiel. Ein klares Bekenntnis ließ er sich aber nicht entlocken.

Gegenüber seinen Vorgesetzten wird Tuchel nach diesem fragwürdigen Auftritt in Leverkusen schnell Antworten liefern müssen. Am Mittwoch (21 Uhr/Sky) geht es im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League zu Lazio Rom, am Sonntag (17.30 Uhr/DAZN) zum heimstarken VfL Bochum. Viele Ausrutscher wird sich Thomas Tuchel beim FC Bayern nicht mehr erlauben können.