Köln. Fehlerfestival: Die deutschen Handballer blamieren sich beim 22:22 gegen Österreich und bangen nun mehr denn je ums EM-Halbfinale.

Ungläubige Blicke, bestürzte Mienen – Deutschlands Handballer haben im zweiten Hauptrundenspiel der EM unentschieden gespielt. 22:22 (11:12) hieß es gegen Österreich am Samstagabend. Der Traum vom Halbfinale – er ist damit ein ganzes Stück unwahrscheinlicher geworden. Deutschlands Handballer haben es nun nicht mehr in der eigenen Hand, sie sind auf Ausrutscher der Konkurrenz angewiesen. Die Spiele gegen Ungarn am Montag und Kroatien am Mittwoch – sie könnten nur noch Abschiedsspiele werden, sollte in den restlichen Gruppenspielen nicht noch Wunder geschehen.

Die Partie gegen Österreich war die erwartet schwere. Viel Kampf, noch mehr Krampf. Sicher, die Österreicher waren in der Vergangenheit nicht als große Handballnation aufgefallen, doch bei dieser EM gehörten sie zweifelsfrei zu den Überraschungen. Sie waren vielleicht sogar die größte Überraschung, denn wer hätte schon damit gerechnet, dass es in der Vorrunde Unentschieden gegen weitaus stärker gewertete Kroaten und Spanier geben würde und danach in der Hauptrunde auch noch einen Erfolg gegen Ungarn? Die Mannschaft um Kiel-Star Nikola Bilyk und den früheren Bundesliga-Torschützenkönig Robert Weber hatte in der Heimat einen kleinen Handball-Hype ausgelöst.

Handball-EM 2024: Weber startet für Knorr

Nun kam ein bei dieser EM noch ungeschlagenes Team unter Trainer Ales Pajovicin die Kölner Arena – und die deutsche Mannschaft begann entsprechend respektvoll – und mit einer Überraschung. Statt Spielmacher Juri Knorr begann Philipp Weber als Mittelmann. Knorr habe viel gespielt bisher und das auch leicht kränklich, begründete Bundestrainer Alfred Gislason den Wechsel. Es war eine Entscheidung, die die ersten Minuten prägte.

Weber verwarf die erste Gelegenheit, er verwarf die zweite, er beging Stürmerfouls. Auch bei seinen Teamkameraden häuften sich die Fehler. Häufig wurde Andreas Wolff bisher als „Lebensversicherung“ von seinen Teamkollegen gepriesen, selten wurde der Torhüter diesem Ruf gerechter als zu Beginn gegen Österreich. Er hielt einen Siebenmeter von Robert Weber (6.), er vereitelte zahlreiche Chancen. Alleine in den ersten sieben Minuten sicherte er mit seinen drei Paraden zu jenem Zeitpunkt das Remis. Es stand da gerade mal 2:2! Dieses zweite Hauptrundenspiel der Deutschen war ein einziges Fehlerfestival, sie fanden vorne kaum Mittel gegen die aggressive Abwehr der Österreicher. Es fehlte an Ideen, es fehlte an Mut.

Handball-EM 2024: 78er-Weltmeister sind vor Ort

Dabei wollten sich die deutschen Handballer doch keine Blöße geben. Nicht vor 19.750 Zuschauern in der Kölner Arena. Nicht vor den 1978er-Weltmeistern, die darunter weilten. Unter anderem Heiner Brand, Kapitän Horst Spengler, Kurt Klühspies, Arno Ehret und Jimmy Waltke . Und Joachim Deckarm, der vor dem deutschen Anwurf in seinem Rollstuhl aufs Parkett geschoben wurde. Am Freitag hatte Deckarm seinen 70. Geburtstag gefeiert, die „78er“ kamen deshalb in Gummersbach zusammen und reisten am Folgetag nach Köln weiter. Ein bewegender Moment, es gab minutenlang lauten Applaus.

Beifall war in der ersten Halbzeit des Spiels dann spärlich gesät. Als Juri Knorr in der 13. Minute kam, besserte sich die Lage etwas, aber nicht wesentlich. Österreichs Keeper Constantin Möstl hielt stark, am Ende der ersten Halbzeit hatte er elf von 20 Bällen gehalten, Wolff kam auf zehn von 22. Die beiden Torhüter hielten die Partie zum Halbzeitsirene mit 11:12 offen.

Handball-EM 2024: Brand wetter: Sowas von schlecht

„Geht gar nicht, das war sowas von schlecht“, wetterte Weltmeisterspieler und -trainer Heiner Brand in der Halbzeitpause in der ARD. Auch Alfred Gislason war mächtig sauer, doch viel änderte sich zunächst nicht. Die Fehlerquote blieb hoch, Österreichs Möstl hielt weiter stark und schnell waren die selbstbewussten Außenseiter mit 19:15 davongezogen (43.). Das deutsche Team fand keinen Rhythmus, kam bis zu den Schlussminuten kaum ins Spiel. Dann retten Pfosten und Latte, dann griff die Abwehr beherzt zu, dann liefen die Angriffe immer wieder über Juri Knorr, hinten hielt Wolff sein Team irgendwie im Spiel. 21:22 hieß es in der 28. Minute, in den letzten Sekunden war beim Stand von 22:22 noch eine letzte Chance. Doch der Angriff wurde nicht genutzt, den finalen Freiwurf jagte Sebastian Heymann über das Tor.

Nun geht es am Montag (20.30 Uhr/ZDF/DYN) weiter gegen Ungarn. Mit 3:3 Zählern belegt das DHB-Team in der Gruppe I nur den vierten Platz. Hinter Olympiasieger Frankreich (6:0), der sich gegen Island mit 39:32 durchsetzte, rangieren Österreich und Ungarn (jeweils 4:2). Die ersten Zwei der Gruppe erreichen die Vorschlussrunde – die deutschen Chancen sind eher schlecht.