Berlin. Für die Färöer-Inseln ist die Handball-EM vorbei. Die Inselnation hat in Berlin mit Tausenden Fans aber großen Eindruck hinterlassen.

Als das Handball-Märchen zu Ende war, blickte Hakun West av Teigum auf die Ränge der Berliner Arena. Er sog die Atmosphäre noch einmal auf und rief dann laut: „Ihr seid einfach unglaublich!“ Die Zuschauer in den weißen Trikots sprangen währenddessen auf und ab, sie sangen lautstark und wedelten mit Fahnen und Schals. Die Färöer hatten ihr letztes Vorrundenspiel am Montagabend 28:32 (15:15) gegen Polen verloren und waren damit ausgeschieden. Doch schon jetzt steht fest: Die kleine Inselnation ist einer der großen Gewinner der EM. Weitergefeiert wurde trotzdem.

Die Färöer und die Handball-EM: Es war eine Premiere, erstmals hatten sich die Sportler aus dem Nordatlantik für das Turnier qualifiziert. Die Färöer und die EM: Das war auch pure Begeisterung. Jedes der drei Vorrundenspiele war eine große Party. Tausende Färinger waren nach Berlin gekommen, man erkannte sie an den weißen Schals und den weißen Mützen. Sie flanierten über den Alexanderplatz, machten Fotos an der Gedächtniskirche – und abends verwandelten sie die Arena am Spreeufer in eine Partyzone.

Elias Ellefsen a Skipagotu von den Färöer Inseln.
Elias Ellefsen a Skipagotu von den Färöer Inseln. © firo Sportphoto/dppi | Piotr Matusewicz

Lauter Jubel, wenn ihre Mannschaft einlief. Pure Gänsehautstimmung, wenn die Nationalhymne erklang und „Tú alfagra land mítt“ die Arena erfüllte, gesungen aus tausenden Kehlen. „Oh, Du mein schönes Land“. Und dann feierte die weiße Wand. Sie bejubelte jedes Tor ihrer Mannschaft und jede Parade der Keeper Pauli Jacobsen und Nicholas Satchwell. Eine 1600 Kilometer entfernt lebende Nation feierte in Deutschland ein Handballfest, unter ihnen auch Ministerpräsident Aksel V. Johannesen. Mehr als 5000 Zuschauer vor Ort - das sind rund zehn Prozent der Bevölkerung der 18 Inseln zwischen Schottland, Norwegen und Island. Lediglich nach Dänemark, dem Titelfavoriten und amtierenden Weltmeister, wurden mehr Tickets außerhalb der deutschen Grenzen verkauft.

Handball-EM 2024: Respekt der Gegner

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Der Handball-Zwerg begeisterte aber auch sportlich. Die EM-Teilnahme: eine Überraschung. Die Auftritte auf der großen Bühne: eine schiere Handball-Sensation. Schon das Auftaktmatch gegen Slowenien: Ein Krimi (29:32), bei dem die Färinger den EM-erfahrenen Gegner an den Rand einer Niederlage brachten. Im zweiten Match, ausgerechnet gegen Topfavorit Norwegen, gab es durch einen verwandelten Siebenmeter in der Schlusssekunde ein sensationelles 26:26 und damit den ersten EM-Punkt der Geschichte. „Das ist ein bedeutender Tag für die Färöer und unseren Handball. Wir haben gezeigt, dass wir auch als kleines Land gegen die Besten der Welt spielen können“, sagte Spielmacher Elias Ellefsen a Skipagotu. Selbst Norwegens Topstar Sander Sagosen gab nach diesem Spiel zerknirscht zu: „Sie sind stark.“

Das sind sie auch, weil einige von ihnen in der Bundesliga spielen, die sich ja selbst als die „beste Liga der Welt“ bezeichnet. Elias Ellefsen a Skipagotu beim Rekordmeister THW Kiel und Rechtsaußen Hakun West av Teigum bei den Füchsen Berlin. Von klein auf werden die Färinger mit Handball sozialisiert, die Trainingsbedingungen auf den Schafsinseln sind besser als in mancher europäischen Großstadt. Und Handball ist auch: Familiensache. Elias Ellefsen a Skipagotu hatte mit Roi Ellefsen a Skipagotu seinen Bruder in Berlin dabei. Und auch zwei Cousins der beiden vertraten die Färöer-Inseln bei der EM: die Brüder Olli und Pauli Mittun.

Handball-EM 2024: Eine letzte Party

Die Färinger feiern eine Handball-Party.
Die Färinger feiern eine Handball-Party. © firo Sportphoto/dppi | Piotr Matusewicz

Spiel drei war dann die Abschiedsgala, ein Weiterkommen war zu diesem Zeitpunkt sehr unwahrscheinlich. Und doch gab es am Montagabend noch einmal einen großen Kampf gegen bis dahin komplett enttäuschende Polen. Das Team des dänischen Trainers Peter Bredsdorff-Larson spielte erneut frech und furchtlos auf. 15:15 stand es zur Halbzeit, die Führung wechselte ständig. Und dann war da Elias Ellefsen a Skipagotu: Der 21-Jährige spielte so mutig wie gewitzt, insgesamt erzielte er neun Tore, einige davon kleine Handball-Kunstwerke. Hakun West av Teigum netzte gar zehnmal ein. Erst in den Schlussminuten bauten die Polen einen kleinen Vorsprung auf und fuhren vor dem Ausscheiden ihren ersten EM-Sieg ein. 28:32 stand auf der Anzeigetafel, die Färinger erhoben sich trotzdem von ihren Sitzen und jubelten ihrer Mannschaft zu. „Unsere Fans sind der Wahnsinn. Ohne sie wäre das alles nicht möglich gewesen. Wir sind ihnen unglaublich dankbar für diese geniale Unterstützung in den letzten Tagen“, sagte Elias Ellefsen a Skipagotu.

Die kleine Inselnation ist nun nicht mehr dabei. Einen bleibenden Eindruck aber hat sie hinterlassen.