Düsseldorf. Deutsche Handballer starten mit einem Zuschauer-Weltrekord und einem Kantersieg in die EM. Die Schweiz ist größtenteils chancenlos.

Der Applaus wollte nicht enden: Deutschlands Handballer blickten glücklich und ungläubig auf die Zuschauerränge und ließen sich am späten Mittwochabend für den 27:14 (13:8)-Sieg gegen die Schweiz zum Auftakt der Heim-EM feiern. „Was für eine Kulisse“, sagte Bundestrainer Alfred Gislason.

Es wurde das schon seit Monaten angekündigte Rekordspiel. Als die Zuschauerzahl vor dem Spielbeginn genannt wurde, brach kollektiver Jubel aus. 53.586. Nun war es offiziell: Weltrekord. Nie hatten mehr Fans einem Handballspiel beigewohnt als an diesem Mittwochabend. 53.586. Eine Zahl, die in Europas Hallen nicht zu erreichen ist, weshalb sich der Deutsche Handball-Bund dazu entschlossen hatte, die EM im Düsseldorfer Fußballstadion zu eröffnen. Die Arena am Rheinufer, Heimat des Zweitligisten Fortuna Düsseldorf, wurde dafür in den vergangenen Wochen umfangreich vorbereitet. 25 Kilometer Kabel, 30 Laseranlagen für die gigantische Eröffnungsshow sowie zwei 450 Quadratmeter LED-Leinwände wurden montiert. Da das Feld im Handball ja deutlich kleiner ist als im Fußball, wurden 9000 Extrasitze im Innenraum befestigt. Knapp 400 Mitarbeiter waren beteiligt, der Umbau zum Handball-Tempel war ein seit zwei Jahren geplantes Mammutprojekt.

Heißes Spiel und heiße Temperaturen

Sah man von den oberen Rängen überhaupt den Ball? Erkannte man mehr als ein blaues Rechteck mit vielen sich bewegenden Punkten darauf? Ganz so schlimm war es nicht, aber darum ging es an diesem Abend auch nicht. Der Auftakt im Stadion war ein Ausrufezeichen zum EM-Start, ein Signal, dass da gerade ein Großereignis im Land stattfindet. Dass die besten Handballer Europas einen Monat lang in den Hallen der Republik um den Titel spielen. Es ging schlicht darum, maximale Aufmerksamkeit für die Sportart zu gewinnen. Dieser Start war ein echtes Event. Und die braucht es heutzutage in Zeiten rapide schrumpfender Mitgliederzahlen nun einmal, um im Wettstreit mit anderen Sportarten, aber auch mit Youtube, Tiktok und Co. wahrgenommen zu werden.

Kollektiver Jubel bei den deutschen Handballern.
Kollektiver Jubel bei den deutschen Handballern. © dpa | Tom Weller

„Hoffentlich ist es nicht zu kalt in der Halle“, hatte sich Bundestrainer Alfred Gislason vor dem EM-Start gesorgt. Doch diese Befürchtung erweis sich als unberechtigt. Das Stadiondach war geschlossen, Heizstrahler sorgten für Temperatur von 18 bis 20 Grad, auf den Oberrängen fühlte es sich wie 40 an. Die Stimmung war ohnehin heiß. Schon im Spiel zuvor, das Frankreich 39:29 gegen Nordmazedonien gewann, war sie prächtig, um dann zum Auftakt des Gastgebers ihren Höhepunkt zu finden. Nach der Eröffnungsrede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier („Danke für diese Rekordkulisse“) und dem Auftritt der Band Culcha Candela.

Schweiz stark geredet

Ob Gislason, Kapitän Johannes Golla oder Rechtsaußen Timo Kastening – im Vorfeld hatten sie sich allesamt redlich bemüht, die Schweiz stark zu reden. Klar, in Andy Schmid stand das deutsche Team dem wohl besten Bundesliga-Spielmacher der vergangenen Jahre gegenüber, und neben dem langjährigen Rhein-Neckar Löwen sind auch Torwart Nikola Portner von Champions-League-Sieger SC Magdeburg und der aktuell beste Bundesliga-Torschütze Manuel Zehnder vom ThSV Eisenach (147 Treffer) Schweizer – doch hinter diesem Führungsspielern klaffte qualitativ eine Lücke, nicht umsonst verpasste die Eidgenossen die vergangenen beiden großen Turniere.

Das deutsche Team startete stark. Spielmacher Juri Knorr erzielte das erste Tor, am Ende sollte er mit sechs Treffern Deutschlands bester Werfer sein. Auch Rückraumspieler Julian Köster und Linksaußen Lukas Mertens spielten zu Beginn stark auf, während Torwart Andreas Wolff alleine in der ersten Halbzeit acht Paraden verzeichnete. Wolff ballte immer wieder die Faust, das Publikum jubelte. Es war ein Beginn, wie ihn sich die deutsche Mannschaft erhofft hatte.

Aussetzen musste U21-Weltmeister Nils Lichtlein. Die Teams dürfen für jede Partie bei der Endrunde in Deutschland nur 16 Spieler melden. Da das Aufgebot der DHB-Auswahl 17 Spieler umfasst, muss Gislason vor jedem Spiel einen Akteur streichen. Diesmal erwischte es den 21 Jahre alte Spielmacher. Perfekt lief aber auch nicht alles, einige Flüchtigkeitsfehler leitete sich das deutsche Team, ließ sich aber nie aus der Ruhe bringen und sorgte in der 47. Minute für einen Zehn-Tore-Vorsprung (20:10) und die endgültige Vorentscheidung.

Heute zieht die Nationalmannschaft nach Berlin weiter, am Sonntag steht dort das zweite Gruppenspiel gegen Nordmazedonien an (20.30 Uhr/ZDF und Dyn). Mit Bildern eines unglaublichen Abends als Mutmacher im Hinterkopf.