Gummersbach. Als Trainer war Heiner Brand Welt- und Europameister. Nun blickt er auf das aktuelle Team, das am 10. Januar in die Heim-EM startet.

Deutschlands Handballer schwitzen derzeit in der Vorbereitung auf die EM, die am 10. Januar in Düsseldorf mit dem Spiel gegen die Schweiz offiziell eröffnet wird. Über 50.000 Zuschauer werden erwartet. Darunter auch: Heiner Brand. Der 71-jährige Weltmeistertrainer von 2007 blickt mit Spannung auf das junge Team seines Nachfolgers Alfred Gislason, das an diesem Donnerstag (16 Uhr/ARD) eines der beiden finalen Testspiele gegen Portugal bestreitet.

Herr Brand, in wenigen Tagen beginnt die Handball-EM im eigenen Land. Kommt auch bei Ihnen langsam Vorfreude auf?

Heiner Brand: Bis vor ein paar Tagen schien mir die EM noch weit weg, doch jetzt rückt sie immer näher. Durch Interviews wie wir jetzt eines führen oder durch die erhöhte Berichterstattung generell. Ja, so langsam kommt man in Stimmung. Das war aber auch beabsichtigt, dass ich mit zunehmendem Alter etwas Abstand zum Handball gewinne. Das soll aber nicht heißen, dass ich nicht voll dabei bin, wenn ich vor Ort bin. Das merke ich auch, wenn ich in Gummersbach zu den Bundesligaspielen des VfL gehe. Dann kommen schon Emotionen auf und man fiebert mit.

Los geht es am 10. Januar in Düsseldorf, dann wird die Hauptrunde in Köln gespielt, in dieser für den deutschen Handball ja fast schon magischen Arena. Kommen da auch wieder Erinnerungen an das Jahr 2007 zurück?

Zwangsläufig. Ich bin ja auch mittlerweile Sportbotschafter der Stadt Köln. Da kommen sicherlich irgendwann die Gedanken wieder hoch. Wobei: Ich glaube, ich habe das WM-Endspiel von 2007 danach nie wieder komplett gesehen. Dabei wollte ich das immer, um die Stimmung von damals noch einmal zu erleben. Das müsste ich eigentlich bald mal nachholen (lacht).

Trainer Heiner Brand wird nach dem Gewinn des Weltmeistertitels von den Spielern durch die Halle getragen.
Trainer Heiner Brand wird nach dem Gewinn des Weltmeistertitels von den Spielern durch die Halle getragen. © dpa | Franz-Peter Tschauner

Die WM 2007 ist ja legendär, denken Sie nicht ohnehin täglich daran oder werden von Ihrem Umfeld mit dem Titelgewinn konfrontiert?

Klar habe ich 2007 noch in Erinnerung und es wird in den kommenden Wochen sicher stärker werden. Und wenn die deutsche Mannschaft jetzt gut abschneidet, was ja durchaus möglich ist, dann kann das in Köln wieder eine tolle Geschichte werden. Aber es ist nicht so, dass ich jetzt jeden Tag mit der WM 2007 konfrontiert werde. Klar, wenn ich mal in Köln bin oder wenn ich in Unternehmen Vorträge halte und mir die Zuhörer erzählen, dass sie damals in der Halle waren gegen Frankreich oder Spanien, ist das schon toll. Ich persönlich beschäftige mich aber weniger damit.

Bei den EM-Spielen werden Sie aber dabei sein?

Beim Eröffnungsspiel in Düsseldorf auf jeden Fall. Dann in Berlin gegen Nordmazedonien auch. Und in Köln werde ich sicher beim zweiten Spieltag sein, das ist ein Tag nach dem Geburtstag von Joachim Deckarm, da fahren wir mit den 78er-Weltmeistern gemeinsam hin.

Was ist denn generell bei einer EM anders als bei einer WM? Als Bundestrainer haben sie ja beides gewonnen.

Früher haben wir immer gesagt, dass es bei einer EM im Gegensatz zur WM keine leichten Spiele gibt, weil die Qualität viel konzentrierter ist. Aber das hat sich durch die Aufstockung der EM-Teilnehmer etwas geändert. Sonst eint beide Turniere: Es gibt Spiele, die man gewinnen muss und welche, die sehr eng sind.

Nils Lichtlein.
Nils Lichtlein. © dpa | Marco Wolf

Deutschland wird diese Spiele mit einem sehr jungen Kader bestreiten, Bundestrainer Alfred Gislason hat unter anderem vier der deutschen U21-Weltmeister nominiert. Mutig oder riskant?

Er musste es zwangsläufig so machen. Wir haben in David Späth oder Renars Uscins schon sehr gute Jungs in der U21, die sich auch in der Bundesliga durchgesetzt haben. Nils Lichtlein von den Füchsen Berlin halte ich sogar für herausragend. Das ist ja das, was ich gerade so schön finde und früher vermisst habe: Dass jetzt auch vermehrt junge Spieler aus guten Juniorenjahrgängen in ihren Klubs Chancen bekommen. Und auch wenn sie noch nie ein großes Turnier im Herrenbereich absolviert haben, ist das doch eine riesige Chance für sie, die Heim-Atmosphäre wird sie beflügeln. Bei uns waren ja auch 2007 einige jüngere Spieler dabei. Michael Kraus, Dominik Klein und Johannes Bitter waren auch jung und haben den großen Sprung durch die WM gemacht.

Aber Erfahrung, Stressresistenz - das war doch auch ein Grund, warum sie damals Christian Schwarzer während des Turniers förmlich vom ZDF-Kommentatorenplatz weggezerrt und zurückgeholt haben, oder?

Ihn hatte ich ja wegen der Verletzung von Andrej Klimovets zurückgeholt. Das war so abgesprochen mit „Blacky“, er war als Sicherheit im erweiterten Kader. Im Nachhinein haben sich seine Erfahrung und die Akzeptanz, die er im Team hatte, ja positiv ausgewirkt. Aber nicht jeder ältere ist auch zugleich stressresistenter.

Und dass sich vor großen Turnieren einige der Besten verletzen oder nicht rechtzeitig fit werden, ist ohnehin Tradition…

Ja, das haben wir immer gehabt. Ob beim WM-Endspiel 2003 Stefan Kretzschmar oder Volker Zerbe nicht dabei waren. Pascal Hens ist immer bei Olympia ausgefallen, Markus Baur war auch mal nicht dabei. Wobei wir damals eine viel kleinere Auswahl an Spielern hatten, heutzutage sind die Möglichkeiten andere, auch weil die Bundesliga die Nationalmannschaft besser unterstützt. Klar gibt es jetzt gerade Ausfälle, die weh tun, Paul Drux oder Fabian Wiede zum Beispiel, aber es gibt eben Alternativen.

In der Vorrunde geht es gegen die Schweiz, Nordmazedonien und Frankreich. Machbar?

Alle drei Gegner sind schlagbar, aber Selbstläufer sind sie auch nicht. Die Schweizer haben Selbstvertrauen, für sie ist ein Spiel gegen Deutschland ja immer primär eine Chance, sie müssen ja nicht unbedingt gegen uns gewinnen. Nordmazedonien ist nicht mehr ganz so stark, Frankreich verfügt über großartige Einzelspieler, da muss man mit mannschaftlicher Geschlossenheit gegenhalten. Wir haben ja zuletzt immer gesagt, dass wir einen Abstand zur Weltspitze haben, zu Dänemark, Schweden oder Norwegen. Aber so weit sind die auch nicht weg, und mit Unterstützung des eigenen Publikums ist alles möglich.

Alfred Gislason ist jetzt seit fast vier Jahren Bundestrainer. Vier große Turniere gab es unter ihm, aber noch keine Medaille. Steht er mehr denn je unter Druck bei einer Heim-EM?

Vielleicht aus Sicht von Außenstehende. Aber Alfred hat so viel Erfahrung, ich denke, dass er damit sehr gut umgehen kann und sich selbst nicht zu sehr unter Druck setzen lässt. Ja, er wird schon einen gewissen Anspruch an sich und sein Team haben, das sollte jeder Trainer. Aber lässt er sich Druck von außen machen? Nein.

Wie nehmen sie ihn denn als Bundestrainer wahr?

So, wie ich ihn kenne: abgezockt und bodenständig. Die Werte, die er hat, versucht er auch seinen Spielern zu vermitteln und er legt Wert auf einen guten körperlichen Zustand und mannschaftliche Geschlossenheit. Er wird das Team für die EM gut vorbereiten.