Essen/Herning. Die deutschen Handballerinnen starten motiviert in die WM. Für das Team um Kapitänin Alina Grijseels geht es auch um Olympia.
Alina Grijseels ist lange genug im Geschäft, um sich nicht verrückt machen zu lassen, um eine Verunsicherung schon im Keim zu ersticken. Die Spielmacherin der deutschen Handball-Frauen wischt Bedenken und Zweifel zur Seite. Ruhig und sachlich spricht sie über die vergangenen und die kommenden Tage. Die vergangenen: mit der Niederlage gegen Schweden, der verpatzten Generalprobe. Und die kommenden: in denen sie ihr Team gemeinsam mit Emily Bölk als Kapitänsduo auf die große Bühne führen wird. An diesem Donnerstag startet das deutsche Team in die WM, um 18 Uhr ist Japan der Auftaktgegner (sportdeutschland.tv).
Zurück zu den vergangenen Tagen, zu den zwei Vorbereitungsspielen gegen Schweden. Erst gab es einen Sieg (33:30), dann eine Niederlage (23:30). Und gerade das verlorene Spiel könnte als letzter Auftritt vor dem Turnier der Weltbesten zweifeln lassen an den großen Ambitionen, mit denen das Team von Bundestrainer Markus Gaugisch nach Dänemark gereist ist. Stattdessen sagt die 27-jährige Alina Grijseels jedoch im Gespräch mit dieser Zeitung: „Es waren lehrreiche Spiele. Wir wissen jetzt, wo wir stehen. Und was wir noch verbessern müssen.“ Hausaufgaben für die kommenden Tage also. Für jene Vorrunde, die in Herning gegen Japan beginnt und die gegen den Iran (Samstag) und Polen (Montag) fortgesetzt wird. Danach: Hauptrunde, Viertelfinale und mit einer Platzierung unter den besten Sieben die Qualifikation fürs Olympia-Qualifikationsturnier im kommenden Jahr. Das ist die geplante Route des deutschen Teams. „Olympia steht über allem“, sagt Alina Grijseels. „Paris im kommenden Sommer ist das große Ziel, unser großer Traum.“
Norwegen ist Topfavorit
Dafür muss es bei der WM mindestens bis ins Viertelfinale gehen. 32 Teams kämpfen seit Mittwoch in Norwegen, Schweden und Dänemark ums Weiterkommen. Welt- und Europameister Norwegen startet als Topfavorit. Dahinter gibt es ein breites Feld weiterer Anwärter. Teams wie die beiden Co-Gastgeber Dänemark und Schweden gehören genau wie Olympiasieger Frankreich zum erweiterten Kandidaten-Kreis. Aber auch Deutschland haben die Experten diesmal auf dem Zettel. Nicht zuletzt wegen der imposanten Serie von mehr als einem Jahr ohne Niederlage bis zur WM-Generalprobe. Nicht zuletzt auch wegen Alina Grijseels. Dieser 27-Jährigen, die sich partout nicht verrückt machen lässt.
In ihren neun Jahren beim Bundesligisten Borussia Dortmund hat sich die Duisburgerin von einer Jugend- zur Nationalspielerin entwickelt. Längst ist sie eine Führungsfigur, 2021 und 2022 wurde sie zu Deutschlands Handballerin des Jahres gewählt. Seit dem Sommer spielt sie beim französischen Spitzenteam Metz Handball - Meisterkandidat der Grande Nation und Favorit auf den Champions-League-Titel. Grijseels trainiert in einem Team voller Nationalspielerinnen täglich auf internationalem Topniveau. „Diese Erfahrung tut gut, sportlich bringt mich das weiter“, sagt sie. Und so will sie noch einmal verbessert auf der WM-Bühne auflaufen. Mit ihrer Übersicht und Geschwindigkeit ist sie ohnehin unverzichtbar, mit ihrer Wendigkeit und einer gehörigen Portion Spielwitz ist sie unberechenbar.
Dortunds Sportlerin des Jahres
„Wir wollen bei der WM ein richtiges Feuerwerk abbrennen“, sagt auch Bundestrainer Markus Gaugisch. Der 49-jährige geht in sein zweites Turnier als Bundestrainer. In ihrer Vorrundengruppe ist seine Auswahl klarer Favorit. „Die Polinnen sind die stärksten Gegner. Die Japanerinnen mit ihren schnellen Spielerinnen sind unangenehm. Iran ist Außenseiter“, fasst Alina Grijseels die ersten Gegner zusammen. Und auch in der Hauptrunde wäre Gastgeber Dänemark der einzige der möglichen Gegner, der klar höher einzustufen ist als das deutsche Team. Die Chance aufs Viertelfinale und die Fortsetzung des Olympia-Traums scheinen durchaus möglich. „Allerdings wissen wir auch, dass wir in jedem Spiel 100 Prozent geben und ab Minute eins wach sein müssen“, sagt Alina Grijseels. „Unsere Abwehr steht gut, im Angriff müssen wir einfache Fehler minimieren. Aber wir haben genug Qualität im Kader.“
Wie Borussia Dortmunds Sarah Wachter und Katharina Filter im Tor. Wie Emily Bölk im linken, Viola Leuchter im rechten Rückraum, wie Amelie Berger auf Rechtsaußen. „Das positive Gefühl überwiegt. Wir wissen, dass wir auch gegen die ganz starken Gegner mithalten können“, sagt Alina Grijseels, die seit einigen Monaten nicht mehr in Dortmund weilt, aber in der Ruhrgebietsstadt nicht vergessen ist. Kürzlich wurde sie zu Dortmunds Sportlerin des Jahres gewählt. Wieder eine Erinnerung an vergangene Tage. Nun gilt die volle Konzentration aber den kommenden. Die WM beginnt.