Dortmund. Niclas Füllkrug ist beim BVB noch nicht richtig angekommen. Trainer Edin Terzic findet vor dem Spiel in Stuttgart deutliche Worte.
Niclas Füllkrug hat sich einiges vorgenommen, diesen Eindruck zumindest vermittelt sein Trainer: Edin Terzic sitzt am Freitagmittag auf einem Podium in der Sportgeschäftsstelle von Borussia Dortmund am Trainingsgelände im Stadtteil Brackel und spricht über das anstehende Bundesligaspiel beim VfB Stuttgart am Samstag (15.30 Uhr/Sky) im Allgemeinen und über seinen Stürmer Füllkrug im Besonderen. Der nämlich, so erzählt es Terzic, war der erste Spieler, den er am Freitagmorgen am BVB-Trainingsgelände angetroffen hat.
Die Botschaft dahinter ist klar: Dieser Füllkrug ist ein richtig fleißiger Arbeiter. Was aber auch dringend nötig ist. Denn Füllkrug, der am Freitag erneut für die Nationalmannschaft nominiert wurde, ist zwar menschlich schon längst angekommen in Dortmund, Mitspieler schwärmen von seiner lockeren Art gepaart mit dem Mut, die eigene Meinung klar zu vertreten. Und die vielen dienstbaren Geister, die rund um eine Profimannschaft herumschwirren, erzählen voller Begeisterung von der freundlichen, geerdeten Art des 30-Jährigen.
Das einzige Problem: Der BVB hat Füllkrug ja nicht gekauft, weil er so ein netter Kerl ist, sondern weil er Tore schießen soll. Das läuft bislang schleppend, vier Treffer sind es erst in 15 Pflichtspielen, bester Dortmunder Torschütze ist Mittelfeldspieler Julian Brandt (6). Sie erwarten mehr in Dortmund, auch das lässt Trainer Terzic ungewohnt offen erkennen, besonders die Leistungen gegen Eintracht Frankfurt (3:3) und gegen den FC Bayern (0:4) missfielen ihm: „Das war in ganz vielen Szenen nicht sauber genug, da waren viele unnötige Ballverluste“, meint Terzic und moniert zudem, dass „der gegnerische Stürmer uns viel mehr beschäftigt hat durchs Bällefestmachen, durchs Jagen, durchs Bälleklauen“.
Harry Kane war Niclas Füllkrug deutlich überlegen
Dass der Weltklassestürmer Harry Kane auch noch drei Tore schoss und mit dem Ball besser war – geschenkt. Dass er aber auch in Sachen Arbeit und Defensivleistung die Nase vorne hatte, stört die Dortmunder massiv – so sehr, dass der Trainer nun sogar einen öffentlichen Reizpunkt setzt. „Das sind Dinge, die nicht passieren dürfen auf dem Niveau“, schimpft er. Der Vergleich mag unfair sein, Kane hat immerhin 100 Millionen Euro Ablöse gekostet, Füllkrug dagegen bloß schlanke 15 Millionen, weil sein bisheriger Klub Werder Bremen dringend Geld brauchte. Aber diese Vergleiche wollen sie ja beim BVB, sie wollen mithalten mit der europäischen Spitze. Und dafür brauchen sie einen Torjäger, der verlässlich Tore schießt. „Wenn man sich die Mannschaften aus der oberen Tabellendrittel anschaut, sind das meistens Teams, die Stürmer mit sehr guten Werten haben.“
So wie der VfB Stuttgart, dessen Mittelstürmer Serhou Guirassy in dieser Bundesliga-Saison bereits 14 Tore erzielt hat und damit zwölf mehr als Füllkrug. Das ist mindestens so überraschend wie die Tatsache, dass der VfB auf dem dritten Tabellenplatz steht. Jahrelang galt der guineisch-französische Stürmer als höchst durchschnittlicher Spieler für die eher kleineren Klubs. Beim 1. FC Köln reiben sie sich heute verwundert die Augen, dass der Mann, der in drei Jahren am Rhein neun Tore schoss, im schon recht gesetzten Fußballeralter von 27 Jahren auf einmal so durchstartet. Zuletzt war er angeschlagen, die Dortmunder aber rechnen mit einem Einsatz von Beginn an.
Die Umstellung von Werder zum BVB braucht Zeit
Auch Füllkrug ist so ein Spätberufener mit Stationen wie Greuther Fürth, 1. FC Nürnberg, Hannover 96 und immer wieder Werder Bremen. Viel 2. Bundesliga, mit 29 aber plötzlich Nationalmannschaft und Weltmeisterschaft. Dort sogar einer der wenigen Lichtblicke, mit 30 Champions League. Ganz oben aber wird die Luft dünn, diese Erfahrung hat der gebürtige Hannoveraner inzwischen gemacht. Auf eine Leistungsexplosion wie bei Guirassy wartet er noch, die fußballerische Integration verläuft schleppend. Die Umstellung von Konter- auf Ballbesitzfußball braucht Zeit. Am Willen aber mangelt es nicht, ebenso wenig an Einsatz. „Ich war selbst nicht zufrieden, wie ich da rumgelaufen bin“, sagte Füllkrug zuletzt. „Er war sehr selbstkritisch, hat sehr hart gearbeitet“, ergänzt Terzic.
Zuletzt trug das erste Früchte, beim 2:0-Sieg gegen Newcastle machte Füllkrug nicht nur sein erstes Champions-League-Tor, er verarbeitete auch viele lange Bälle gut, legte per Kopf auf die Mitspieler ab, band permanent zwei Innenverteidiger und riss so Räume für die Kollegen auf. Es war noch keine herausragende Vorstellung, aber es war ein deutlicher Fortschritt. „Da hat er ein gutes Spiel gemacht“, lobt Terzic - während sein Stürmer nur wenige 100 Meter entfernt hart daran arbeitet, dass er gegen Stuttgart den nächsten Schritt nach vorne machen kann.