Austin. Max Verstappen ist zum dritten Mal Weltmeister und beherrscht die Formel 1. Er ist nicht der erste Dominator. Was die Seriensieger auszeichnet.
Nach dem Titelgewinn ist vor dem nächsten Titel. Klingt nach Herberger-Spruch, ist aber aktuelle Formel-1-Wahrheit. Die Königsklasse in diesem Jahrtausend ist auch eine Geschichte der Dominanzen. Je sieben Mal stellten Mercedes und Red Bull den Champion, sechs Mal Ferrari, Fernando Alonsos beide Siege für Renault waren bloß ein Ausreißer. Das befeuert angesichts der drückenden Überlegenheit der Bullen in den letzten beiden Jahren: Wann soll das bloß enden? Und, auf den Fahrer bezogen, natürlich das ewige Diskussionsthema: ist das Auto so gut – oder der Mann am Steuer?
Das Große und Ganze war Max Verstappen schon immer egal, auch der vor zwei Wochen perfekt gemachte Titel-Hattrick wird daran nicht viel ändern. Den Großen Preis der USA am Sonntag in Austin (21 Uhr/Sky) geht der Niederländer deshalb nicht als Schaulauf an: Ihm geht es nur ums Gewinnen. Die Eingangsfrage, wer den höheren Anteil an der Erfolgssträhne hat, stellt sich für ihn nicht: „Was für ein Jahr, was für ein Auto“, war sein erster Kommentar nach der Siegfahrt.
+++Dritter WM-Titel in der Formel 1: Verstappen ist am Ziel+++
Die Koexistenz von Mensch und Maschine und die gegenseitige Abhängigkeit gehören zur Faszination Motorsport, dementsprechend küssen die Fahrer im Überschwang des Erfolgs manchmal die Fahrzeugnase oder treten bei Misserfolg gegen die Räder. Bessere Fahrer können auch bei identischen Autos durch ihre Fahrweise oder ihr Reaktionsvermögen mehr herausholen als andere. Verstappens Sieggarant beispielsweise ist in dieser Saison der schonende Umgang mit den Reifen.
Welche Rolle spielt der Formel-1-Wagen?
Denn natürlich wäre nicht automatisch jeder andere der 19 Fahrer auch ein Sieger in einem Red Bull. Der beste Beweis ist Verstappens Kollege Sergio Perez, sicher einer der besseren Piloten. Aber die beiden liegen derzeit so weit auseinander wie ihre Startnummern über den Boxengaragen – eins und elf.
George Russell hätte, als er den erkrankten Lewis Hamilton einmal vertreten musste, fast sein erstes Rennen im Silberpfeil gewonnen. Das nährte die These, dass das Material von Mercedes den Unterschied macht, nicht der Fahrer. Viel interessanter und aufschlussreicher ist aber die Frage, ob Verstappen in einem Ferrari, McLaren oder Mercedes auch ganz nach vorn fahren könnte. Das bleibt Hypothese. Denn der verzweifelte Vorschlag aus der Zeit von Michael Schumacher und Ferrari, vor jedem Rennen die Autos zulosen zu lassen, wurde nie umgesetzt.
Formel 1: Fahrer geben den Ingenieuren die richtigen Hinweise
Häufig saßen die besten Fahrer ihrer Zeit auch im besten Auto, und die allerbesten haben ihre Rennställe erst siegfähig gemacht: Michael Schumacher bei Ferrari ist ein Beispiel dafür, aber auch Lewis Hamilton bei Mercedes, und Verstappens Quasi-Vorgänger Sebastian Vettel bei Red Bull. Die entscheidende Fähigkeit der Vielfach-Sieger liegt darin, den Ingenieuren die richtigen Hinweise zu geben, wo es einem Auto an was fehlt. Auch das Gefühl für die richtige Strategie oder den Zeitpunkt des Reifenwechsels gehören zu dem Potenzial der Champs, dazu die rasche Anpassungsfähigkeit an ungewöhnliche Situationen.
Zum „kompletten Rennfahrer“, wie das Idealbild innerhalb des Motorsports genannt wird, gehört aber ganz entscheidend auch die Mannschaftsdienlichkeit. Hinter Verstappen stehen 1000 Mitarbeitende bei Red Bull und Honda, deren Wissen und Arbeitsaufwand er über die Ziellinie bringen muss. Nicht allen Piloten gelingt diese Balance zwischen eigenem Egoismus auf und dem Teamwork neben der Strecke. Schumacher war es, der mit seinen fünf Titeln in Serie für die Scuderia das Berufsbild des modernen Rennfahrers neu definiert hat, auch in der Rolle als Mannschaftskapitän. Auch Verstappen hält sich an diese Richtlinien, verfeinert sie hie und da, schreibt sie fort und wird so zum neuen Vorbild.
Red Bull: Hausgemachter Leistungsdruck
Teamchef Christian Horner bestätigt: „Max treibt das Team an, wir treiben ihn an, so erreichen wir zusammen neue Ebenen.“ Hausgemachter Leistungsdruck auf Gegenseitigkeit. Erfolg gibt Selbstvertrauen, und es schafft Vertrauen untereinander – das, was man Flow nennt. Red Bull verteilt Prügel.
Schon kopiert die Konkurrenz das erfolgreiche Rennwagenkonzept. Aber selbst, wenn das klappen sollte, dauert es. Denn es geht ja nicht bloß um neue Flügelteile, sondern ein Konzept. Meistens braucht das nicht ein oder zwei Jahre, wie das aktuelle Beispiel Mercedes zeigt, sondern eher drei und mehr. Und nach dem Aufholen muss auch noch das Überholen klappen. Die Branchenführer haben zudem den Vorteil, ob ihrer Überlegenheit früh ihre Kapazitäten aufs kommende Jahr ausrichten zu können – und sich so wieder einen Vorsprung zu verschaffen. Pech für alle anderen: Der nächste Reglementwechsel, der zur großen Bremse werden könnte, kommt erst 2026.