Duisburg. Birgit Fischer, die erfolgreichste deutsche Sportlerin der olympischen Geschichte, wird bei der Kanu-WM auf der Tribüne sitzen.
Ein Gespräch mit der erfolgreichsten deutschen Sportlerin der olympischen Geschichte? Kein Problem. Es gibt nur einen kleinen Haken. „Ich muss nachher noch einen Kuchen backen für den Geburtstag eines Freundes, aber das schaffen wir“, sagt Birgit Fischer, die als Kanutin bei Olympischen Spielen acht Gold- und vier Silbermedaillen gewonnen hat. Bei den Kanu-Weltmeisterschaften in Duisburg, die am Mittwoch beginnen, wird die 62-Jährige mit einer VIP-Karte auf der Tribüne sitzen. Fünf ihrer 27 Weltmeister-Titel hat sie in Duisburg gewonnen. Vor ihrer Fahrt an die Wedau spricht Birgit Fischer über die einzigartige Atmosphäre in Duisburg, über ihr erstes WM-Gold mit 17 und abgehalfterte Pferde.
Frau Fischer, Sie haben mal im Interview mit dieser Zeitung gesagt, dass Sie kanusüchtig seien. Sobald Sie eine Pfütze sähen, jucke es Ihnen in den Händen. Ist das immer noch so?
Birgit Fischer: Oh ja. Es juckt immer noch. Ich bin immer noch viel auf dem Wasser unterwegs. Nur nicht mehr bei Wettkämpfen, sondern freizeitmäßig. Entweder für mich allein oder mit Freunden. Alles ein bisschen langsamer, aber hoffentlich noch sehr lange.
Gibt es noch Ihre Paddelschule KanuFisch?
Ja, die Paddelschule gibt es noch, aber sie ist sparsamer angelegt als früher. Ich gebe nur noch einige Personaltrainings.
Ist es schwieriger geworden, den Kanusport zu vermitteln?
Nein, absolut nicht. Im Gegenteil. Wer jetzt eine Paddelschule hat, der hat rundum zu tun. In Brandenburg blüht das Geschäft. Egal ob Verleiher, Veranstalter von Kanukursen oder Veranstalter von Bootstouren. Alle suchen Personal. Man kann sich eine goldene Nase verdienen. Für mich kommt es ein wenig zu spät. Ich bin zu alt dafür.
Aber Rentnerin sind Sie noch nicht. Womit verbringen Sie Ihre Zeit?
Ich baue gerade in meiner Heimatstadt Brandenburg meinen Bungalow aus. Außerdem gehe ich im Herbst auf eine Reise nach Taiwan. Dort werde ich Lesungen meines Buches „Mein Weg zum Gold“ halten. Es ist gerade ins Chinesische übersetzt worden. Mein Leben ist sehr lebendig. Das war es schon immer.
Duisburg ist bereits zum sechsten Mal Austragungsort von Kanu-Weltmeisterschaften. Mit dem Kajak-Vierer der DDR haben Sie schon 1979 bei der Premiere in Duisburg Gold gewonnen. Woran erinnern Sie sich noch?
Das habe ich noch sehr lebendig vor Augen. Ich kam als Jüngste mit 17 Jahren ins Boot. Da ich auch im Einer stark war, haben mich die Älteren akzeptiert und respektiert. Die Mädels haben mir erzählt, dass ich sie während des Rennens mächtig angefeuert hätte. Da ich im Boot auf der dritten Position saß, war das auch meine Aufgabe. Ich habe meine Rolle wohl sehr gut ausgeführt. Wir sind ja auch Weltmeisterinnen geworden.
War es schwierig, mit 17 von den anderen anerkannt zu werden.
So viel älter waren meine Teamkolleginnen nicht. Sie haben mich nicht spüren lassen, dass ich die Jüngste bin. Ich hatte keine Sonderrolle und wollte sie auch nicht.
1979 war die Zeit des Kalten Kriegs. Wie haben Sie das in Duisburg erlebt? Konnten Sie Kontakte zu westdeutschen Sportlerinnen knüpfen?
Für mich stand immer der Sport im Mittelpunkt und ich habe die Regeln befolgt. Den Begriff Kalter Krieg oder auch Eiserner Vorhang mag ich nicht. Ich habe es im Sport nie so erlebt. Wir haben die westdeutschen Sportler oder auch die aus den USA genauso gut begrüßt wie andere. Man wechselte auch ein paar Worte, wenn die Gelegenheit dazu bestand. Das sah man in unserer Teamleitung nicht gern, aber es wurde nicht geahndet.
Nach der Premiere 1979 sind Sie noch zweimal in Duisburg bei Weltmeisterschaften gestartet. 1987 haben Sie dreimal Gold gewonnen, 1995 Gold und Silber geholt. Außerdem wurde Ihre Nichte Fanny Fischer 2007 auf der Wedau Weltmeisterin. Duisburg scheint der Familie zu liegen, oder?
Das kann man so sehen. Ich will aber nicht verschweigen, dass ich in Duisburg auch eine bittere Niederlage erlitten habe. Ich habe 1995 zwar eine Gold- und eine Silbermedaille geholt, aber ich war mit meinem Abschneiden im Einer nicht zufrieden. Ich hatte mir mehr vorgenommen.
Sie haben hohe Ansprüche.
Das stimmt. Das muss jeder für sich entscheiden. Ich wollte immer das bestmögliche Ergebnis erreichen, also auch nicht Zweite werden.
Was ist das Besondere an Duisburg?
Die Stimmung ist sehr gut. Es herrscht eine Atmosphäre wie in einem Stadion. Die Wege sind kurz, man sieht alles, man kann wunderbar anfeuern, weil man die letzten 200 Meter richtig gut verfolgen kann. Die Organisation durch den Regattaverein ist super. Duisburg bekommt völlig zu Recht häufiger den Zuschlag für eine Weltmeisterschaft. Die Sportler fühlen sich dort einfach wohl.
Werden Sie die WM in Duisburg vor Ort verfolgen?
Ich werde am Freitag und Samstag an der Strecke sein. Ich habe vom Duisburger Regattaverein eine Einladung mit VIP-Karte erhalten.
Welche Aussichten hat das deutsche Team bei dieser WM?
Ich habe keine Ahnung. Ich habe mich in diesem Jahr nicht gut informiert. Ich habe immer mal wieder die Wettkampf-Ergebnisse gelesen und einige Zeitungsartikel und bin dabei oft auf Jule Hake gestoßen. Sie hat zumindest mal formuliert, dass ihr Ziel irgendwann der Olympiasieg sei. So eine klare Ansage ist nötig, um Erfolg zu haben. Nur wer nach oben will und es so formuliert, kann es auch schaffen. Jule Hake ist auf einem guten Weg.
Haben Sie schon einmal Kontakt zu Jule Hake gehabt?
Persönlich noch nicht, aber wir haben uns einige Male bei Instagram geschrieben. Vielleicht ergibt sich eine Möglichkeit in Duisburg. Ich werde sicherlich einige alte Kolleginnen treffen. Solche abgehalfterten alten Pferde wie ich laufen da haufenweise rum.
Sie haben acht Olympiasiege gefeiert und sind damit Rekordlerin. Die Dressurreiterin Isabell Werth könnte mit einer oder zwei Goldmedaillen im nächsten Jahr zu Ihnen aufschließen oder Sie sogar überholen.
Ich war bei Isabell Werth auf ihrem Pferdehof am Niederrhein. Sie war eine fantastische Gastgeberin und ich habe jedes einzelne Pferd begrüßt. Sie hat aber auch klar gesagt, dass sie so lange weiter reitet, bis sie mich eingeholt hat und die erfolgreichste Olympiasportlerin Deutschlands wird. Das motiviert sie, das treibt sie an. So eine deutliche Aussage schätze ich an ihr. Es wird auch Zeit, dass ich mal abgelöst werde. Ich würde mich für sie freuen, weil sie dafür richtig geackert hat.
Sie haben acht olympische Goldmedaillen und 27 WM-Titel gewonnen. Hinzu kommen etliche weitere Medaillen. Wo bewahren Sie die Plaketten auf?
Ein guter Freund hat einen Safe in seiner Fabrik. Ich habe ihm gesagt, lege sie in eine Ecke. Wenn ich sie brauche, hole ich sie mir ab.
Und passiert dies von Zeit zu Zeit?
Ja. Zuletzt habe ich noch die acht Gold- und vier Silbermedaillen von den Olympischen Spielen zu einem Vortrag als Überraschung mitgenommen. Das ist sehr gut angekommen.
Einiges haben Sie auch für wohltätige Zwecke versteigert.
Alles von Olympischen Spielen bis auf die Medaillen. Trikots, Anzüge, Paddel. Der Erlös ging an das SOS-Kinderdorf Brandenburg. Das liegt mir am Herzen. Mein Bambi habe ich für eine Aidsstiftung versteigert. Für mich sind das Dinge, die ich putzen muss. Dann gebe ich sie sehr gern für gute Zwecke weg.
2004 haben Sie mit 42 Jahren ein Comeback gestartet und sind Olympiasiegerin geworden, 2012 mit 50 hat es nicht ganz geklappt. Also muss ich die Frage stellen: Planen Sie mit dann 62 für die Olympischen Spiele 2024 in Paris noch ein Comeback?
Natürlich habe ich schon auf diese Frage gewartet. 2012 habe ich den Kopf über den Körper gestellt. Leider, denn ich habe weiter trainiert, obwohl ich krank war. Danach war für mich klar, jetzt solltest du aufhören. Paris wird prima ohne mich auskommen.