Budapest. Die Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Budapest hat begonnen: mit einem Favoritensieg und einer Überraschung. So lief der erste Tag.
Die Voraussetzungen hätten unterschiedlicher nicht sein können. Während Geher Christopher Linke den ersten Straßen-Wettbewerb der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Budapest nach einem heftigen Unwetter, mit zwei Stunden Verzögerung und auf pitschnassen Wegen bestritt, zeigte das Thermometer bei den ersten Entscheidungen im Stadion Nemzeti Atlétikai Központ immer noch 25 Grad. Die zuvor unbarmherzig brennende Sonne war bereits untergegangen, als erst Gudaf Tsegay (Äthiopien) die 10.000 Meter gewann und dann Ryan Crouser nach seiner erfolgreichen Titelverteidigung im Kugelstoßen zum Jubeln auf die Knie ging. Anschließend gewannen die USA die 4x400-Mixed-Staffel.
Geher Christopher Linke kann in Budapest überzeugen
Für Christopher Linke hatte es zwar nicht zum WM-Titel gereicht, doch mit seinem fünften Platz im Rennen über 20 Kilometer konnte er mehr als zufrieden sein. In 1:18,12 Stunden unterbot der 34-Jährige beim Sieg des Spaniers Alvaro Martin (1:17,32) seinen eigenen deutschen Rekord um 30 Sekunden. Außer bei der WM 2003 in Paris hätte seine Zeit immer für einen Podestplatz gereicht. Dabei waren die Bedingungen in Ungarns Hauptstadt alles andere als ideal: „Es gab viele Pfützen, denen man ausweichen musste“, sagte der Potsdamer. „Gerade am Anfang war die Strecke sehr glatt.“
Von dem Wetterchaos waren auch die Athleten im Stadion betroffen – darunter die Kugelstoßer, die ihre Qualifikation am Morgen ebenfalls später begonnen hatten. Abends, nach der Eröffnungsfeier, ging bei der Kür des Weltmeisters aber alles glatt. Und der hieß – wie könnte es anders sein: Ryan Crouser.
Olympiasieger Ryan Crouser überragend
Bereits im zweiten Versuch hatte er mit Meisterschaftsrekord (22,98 Meter) die Konkurrenz distanziert, zum Abschluss setzte er mit 23,51 Metern nochmal ein dickes Ausrufezeichen. Leonardo Fabri aus Italien wurde Zweiter (22,34) vor Joe Kovacs aus den USA (22,12).
Ryan Crouser, zweimaliger Olympiasieger und alter sowie neuer Weltmeister, ist eine Klasse für sich. Erst im Mai hatte er seinen eigenen Weltrekord auf sagenhafte 23,56 Meter verbessert – nun kam er wieder nah dran. Der 30-Jährige ist der Dominator seiner Sportart, ein Tüftler, der sich selbst trainiert und sogar eine eigene Technik entwickelt hat. Er hat Ingenieurswesen studiert und einen Abschluss in Wirtschaft, die Liebe zu Wissenschaft und Zahlen hilft ihm, sich stetig zu verbessern. Von den 15 besten jemals gestoßenen Weiten sind elf von ihm erzielt worden, natürlich auch die drei weitesten.
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Doch Ryan Crouser ist mehr als ein Nerd seiner Disziplin. Er ist ein echter Typ. Mit seinem Vokuhila-Haarschnitt, der bulligen Statur und einer Vorliebe für Cowboyhüte wirkt er wie geschaffen für einen Wettkampf, in dem es darum geht, eine Metallkugel möglichst weit zu stoßen. Doch er ist mehr als ein Testosteronbolzen. Wenn er trainiert, ist er oft allein, nur Labrador Koda ist dabei. Er coacht College-Athleten – um sie besser zu machen und um selbst zu lernen. Schlagen, das stand vor der WM fest, kann er sich nur selbst.
Doch wie Crouser kurz vor dem WM-Start bekannt gab, hatte er sich vor wenigen Wochen zwei Blutgerinnsel im Unterschenkel entfernen lassen müssen, in Ungarn nahm er Blutverdünner, um kein Risiko einzugehen. Seine Vorbereitung war alles andere als optimal. Doch Ryan Crouser wäre nicht Ryan Crouser, wenn er nicht auch diesen Widrigkeiten mit einem Triumph getrotzt hätte.