Warschau. Bei der 0:1-Niederlage der deutschen Elf ragt Polens Torwart Wojciech Szczesny heraus. Der Druck auf Bundestrainer Hansi Flick steigt.
Hansi Flick ballte seine Hand zu einer Faust und schob sie immer wieder energisch nach vorne. Die Geste des Bundestrainers in der Schlussphase des Testspiels in Polen symbolisierte den großen Wunsch, den der 58-Jährige am Freitagabend hegte: dass es die Offensive der deutschen Nationalmannschaft doch noch mal mit Druck probieren möge - aber sie fand einfach keine Möglichkeit, die Abwehr der Polen zu knacken.
Und so verdeutlichte das 0:1 (0:1) durch ein Kopfballtor von Jakub Kiwior (31.) vor 57.098 im Nationalstadion von Warschau, die dritte Partie in Serie ohne Sieg, noch einmal deutlich die großen Probleme der harmlosen DFB-Elf rund ein Jahr vor der Europameisterschaft. Am Dienstagabend (20.45 Uhr/RTL) schließt das Heimspiel in Gelsenkirchen gegen Kolumbien diese Länderspiel-Phase ab, die schon jetzt mehr Sorge als Zuversicht für das Heim-Turnier 2024 beschert hat.
Neun Änderungen in der DFB-Startelf
Nach dem schwachen 3:3 gegen die Ukraine am Montagabend würfelte Flick die Startelf für die Partie Warschau kräftig durcheinander. Nur Mittelfeldspieler Joshua Kimmich und Abwehrchef Antonio Rüdiger durften ihre Plätz behalten, insgesamt nahm Flick neun personelle Veränderungen vor – setzte allerdings sein gegen die Ukraine missglücktes Dreierketten-Experiment fort.
Für Kevin Trapp rückte Marc-André ter Stegen ins Tor, der aufgrund einer Asien-Reise mit dem FC Barcelona verspätet bei der DFB-Elf erschienen war. Vor ihm gab das frühere Schalke-Talent Malick Thiaw, der inzwischen bei der AC Mailand unter Vertrag steht, sein Länderspiel-Debüt an der Seite von Thilo Kehrer (für Nico Schlotterbeck und Matthias Ginter) und Rüdiger. Ansonsten neu dabei: die Schienenspieler Jonas Hofmann und Benjamin Henrichs, Mittelfeld-Abräumer Emre Can, Florian Wirtz, Jamal Musiala und Kai Havertz. Dafür saßen David Raum, Marius Wolf, Leon Goretzka, Julian Brandt, Leroy Sané und Niclas Füllkrug zunächst auf der Bank.
Blaszczykowski beim Abschied gefeiert
Bei den Polen stand ausnahmsweise nicht Stürmer-Star Robert Lewandowski im Mittelpunkt. Jakub Blaszczykowski, langjähriger Bundesliga-Profi von Borussia Dortmund, bestritt sein 109. und letztes Länderspiel. Immer wieder feierten ihn die Fans mit Sprechchören, jeder Ballkontakt wurde frenetisch bejubelt. Bei Blaszczykowskis Auswechslung nach symbolischen 16 Minuten (die 16 war auch seine Trikotnummer) standen beide Mannschaften Spalier.
Bis dahin war es eine Partie ohne echte Höhepunkte. Die deutsche Mannschaft begann vorsichtig, Polen stand tief in der eigenen Hälfte – wogegen das Flick-Team kein Mittel fand. Chelsea-Profi Havertz probierte es nach 29. Minuten verzweifelt mit einem Distanzschuss, den Torwart-Routinier Wojciech Szczesny mühelos parieren konnte. Eine Minute später klärte Jan Bednarek eine deutsche Zufallschance auf der Linie. Mehr brachte der kommende EM-Gastgeber nicht zustande, es mangelte an den Edel-Technikern wie Havertz, Musiala oder Wirtz an Offensiv-Ideen – und damit der gesamten Mannschaft.
Die Polen gefielen sich in ihrer lauernden Rolle. Ihnen fehlte zwar auch die Durchschlagskraft, aber ihnen gelang, was Mannschaften in dieser Situation eben schaffen müssen: Gefahr nach Standards beschwören. Sebastian Szymanski schlug eine Ecke, die deutsche Zuordnung stimmte überhaupt nicht – und Kiwior köpfte den Ball per Aufsetzer zum 1:0 ins Tor (31.).
Gosens für Hofmann eingewechselt
Während Polens Nationaltrainer Fernando Santos Angreifer Lewandowski zur Halbzeit für das wichtige Qualifikationsspiel am Dienstag in Moldau schonte, wollte Flick neuen Schwung auf dem Flügel erzeugen. Robin Gosens kam in der Pause für Hofmann und feuerte drei Minuten nach seiner Einwechslung einen Schuss ab, den Szczesny gerade so halten konnte. Kimmich schlenzte kurz darauf den Ball an die Latte (49.). In der 66. Minute prüfte Havertz noch einmal den sicheren Szczesny.
Unter Druck setzten konnte die DFB-Elf die Polen aber nicht mehr, auch die Einwechslungen von Sané und Füllkrug (68.) für Henrichs und Musiala sowie die damit einhergehende Rückkehr zur Viererkette brachten nicht mehr den Ausgleich. Die beste Gelegenheit hatte Thiaw, doch Szczesny tauchte rechtzeitig in die rechte Ecke ab. Der Schuss des Innenverteidigers aus der Drehung resultierte aus einem Eckball – bezeichnend für die Offensive an diesem Abend.