Frankfurt/Main. Die verpasste Meisterschaft hängt den BVB-Profis auch bei der DFB-Elf noch nach. Am Freitag in Polen ist eine Steigerung nötig.
Emre Can löste der Termin der Stadt Frankfurt am Mittwochnachmittag Kindheitserinnerungen aus. In der Nähe der Hauptwache, dem Wahrzeichen in der Innenstadt, hatte der heute 29-Jährige mit seinen Freunden einst die Spiele des Sommermärchens verfolgt. „Es war eine wunderschöne WM und ich hoffe, dass wir das wiederholen können“, sagte Can.
Dann könnten neue Kindheitserinnerungen entstehen. Nicht mehr bei Can natürlich, dem gestandenen Profi von Borussia Dortmund, aber bei anderen - falls die deutsche Nationalmannschaft in einem Jahr eine gelungene Heim-Europameisterschaft abliefert. Von einer Form, die zu solchen Taten befähigt, ist die DFB-Elf derzeit allerdings noch weit entfernt. Besonders die Defensive bereitet Bundestrainer Hansi Flick Sorgen - die womöglich der BVB-Mittelfeldspieler lindern kann.
Gegen die Ukraine (3:3) fing sich die Mannschaft am Montagabend wie schon im März gegen Belgien drei Gegentore auf eine besorgniserregende Weise. Am Freitag im zweiten Test-Länderspiel in Warschau gegen Polen (20.45 Uhr/ARD) sollte sich die DFB-Elf dringend turniertauglicher zeigen, damit keine unangenehme Grundsatzdebatte aufkommt.
BVB-Verteidiger Wolf mit Ansage
Can könnte daher als zweikampfstarker Stabilisator in die Startelf rücken. Denn gegen die Ukraine haperte es an den Grundtugenden: Aufbauspiel, Kommunikation, Konzentration. „Wir müssen kompakter und besser stehen, damit wir keine drei Gegentore mehr bekommen, sondern am besten zu Null spielen“, forderte Marius Wolf und stellte klar: „Das ist unser Anspruch.“
Der 28-Jährige meinte dabei natürlich das gesamte Team, seine Ansage aber lässt sich auch auf die vierköpfige Delegation von Borussia Dortmund herunterbrechen. Wolf, gegen die Ukraine als Rechtsverteidiger in der neuformierten Fünferkette aufgeboten, leitete zwar die Führung durch Niclas Füllkrug ein, tauchte dann aber ab. Can saß zunächst nur auf der Bank. Innenverteidiger Nico Schlotterbeck (23) ließ vor zwei Gegentoren seinen Mitspieler entwischen – und den Rest erledigten die zwei verunglückten Pässe von Julian Brandt (27) vor dem Ausgleich und dem ukrainischen Tor zum 3:1. „Es gilt, diese Sachen abzustellen. Das ist das Wichtigste“, forderte Wolf.
Für die nominierten BVB-Profis bietet diese Reise mit der Nationalmannschaft ja eigentlich auch einen netten Nebeneffekt. In erster Linie geht es für sie natürlich darum, sich für einen Kaderplatz beim Heim-Turnier zu empfehlen. Andererseits ergibt sich die Möglichkeit, für neue Fußball-Lust statt Frust zu sorgen.
Vor zweieinhalb Wochen erlebten sie ja noch mit ihrem Klub den ultimativen Tiefschlag, als sie Bayern München am letzten Spieltag durch das Remis gegen Mainz 05 die Meisterschaft schenkten. „Man denkt immer noch dran, wenn mich jemand darauf anspricht“, gestand Wolf. Wie am Mittwoch nach dem Vormittagstraining im DFB-Campus in Frankfurt, als der Dortmunder den Medienvertretern erklären sollte, was zwei Tage zuvor in Bremen gegen die Ukraine schieflief und wie genau sich das am Freitag in Warschau geradebiegen lässt. „Aber es ist vielleicht jetzt auch ganz gut, bei der Nationalmannschaft zu sein, weil du hier einen anderen Fußball hast, ein bisschen abgelenkt ist. Der Abstand hat gutgetan – aber es wird noch ein wenig dauern.“
BVB-Flügelspieler Adeyemi noch verletzt
Doch bislang war die DFB-Tour dabei nicht sonderlich hilfreich. Vielmehr heißt es seit Montagabend, seit dem Remis gegen die Ukraine: weiter Frust statt Lust für die Dortmunder, die im kommenden Sommer den größten Vereinsblock im deutschen Kader stellen könnten. Neben Can, Wolf, Schlotterbeck und Brandt dürfen sich auch der verletzte Flügelspieler Karim Adeyemi (21) und U21-Stürmer Youssoufa Moukoko (18) Hoffnungen auf eine Nominierung machen. Und dann wäre da noch der vom Bundestrainer kürzlich gerüffelte Niklas Süle (27), dessen Nicht-Nominierung auch bei Wolf für Verwunderung gesorgt hatte, „aber der Trainer hat ja auch gesagt, dass es im nächsten Lehrgang anders aussehen kann“.
Dieser findet im September statt. Auch im Dortmunder Stadion wird eine Partie ausgetragen. Der Gegner hat es in sich: Frankreich um Ausnahmestürmer Kylian Mbappé kommt am 12. September. Die größten Defensiv-Probleme müssen bis dahin dringend beseitigt werden. Sonst schieben nicht nur die BVB-Profis weiter Frust statt Lust.