Bremen. Die deutsche Nationalmannschaft hat in ihrem 1000. Länderspiel 3:3 gegen die Ukraine gespielt. Die Abwehr präsentierte sich desolat.
Die treffendste Szene einer Partie, die ohnehin mit reichlich Symbolkraft ausgestattet war, ereignete sich in der 31. Minute. Bezeichnend für den Abend im Bremer Weserstadion war, dass sie sie sich nicht mal auf dem Platz abspielte, sondern auf der Ehrentribüne.
Da war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wieder ganz in seiner Rolle als Deutschlands Chefdiplomat tätig. Der 67-Jährige lachte, schaute rechts herüber und schüttelte Oleksii Makeiev, dem ukrainischen Botschafter in Berlin, die Hand. Steinmeier gratulierte, denn unten auf dem Rasen nämlich war die ukrainische Nationalmannschaft gerade durch ein Eigentor von Antonio Rüdiger mit 2:1 in Führung. Am Ende trennten sich die beiden Mannschaften mit 3:3 – glücklich aus deutscher Sicht. Nicht das Ergebnis am Montagabend, das eigentlich ja nur als Aspekt gedacht war, drückte auf die Stimmung einer wenig spielfreudigen deutschen Nationalmannschaft ein Jahr und zwei Tage vor der Heim-Europameisterschaft, dafür aber die Art und Weise: Der Spagat beim Benefiz-Spiel zwischen Symbolik und Seriosität, er gelang nicht wirklich.
Besondere Atmosphäre im Weserstadion
„Wir haben unglaublich viele Reaktionen erhalten, was das für ein wichtiges Signal ist für die Menschen“, erzählte DFB-Präsident Bernd Neuendorf vor Anpfiff. „Der Delegationsleiter der Ukraine hat mir erzählt, dass das Spiel Soldaten an der verfolgen werden an ihren Handys, das ist für sie auch eine Ablenkung.“ Die Atmosphäre im mit rund 35.000 Zuschauern ausverkauften Weserstadion war eine besondere. Überall in der Arena sah man die blau-gelben Fahnen. Tribünen schwenkten Zuschauer die blau-gelbe Fahne, im Oberrang der Westtribüne, wo die meisten ukrainischen Fans saßen, riefen sie immer wieder „Ukraina, Ukraina“. Während der Nationalhymnen entrollten sie ein großes Banner, auf dem ein Leopard abgebildet war. „Danke, jetzt habe ich Leopard“, stand darauf geschrieben – so heißen die Kampfpanzer, die von der Bundesregierung in die Ukraine geliefert worden sind.
Mit den Spielern – die Ukrainer hatten sich in ihre Landesflagge gehüllt – liefen geflüchtete Kinder ein. Die deutsche Mannschaft trug Sondertrikots, die im Anschluss der Partie versteigert werden. Auch die Erlöse aus TV- und Ticketeinnahmen gehen an die Menschen in der Ukraine, die im Februar 2022 von Russland überfallen worden war. Für Steinmeier war das Spiel „ein wichtiges Spiel der Freundschaft und der Solidarität.“
Flick baut auf neue Formation
Die DFB-Elf war wie von Hansi Flick angekündigt mit einer neuen Formation ins erste von drei Länderspielen in diesem Juni gestartet. Der Bundestrainer setzte auf eine Dreikette mit Rüdiger, Matthias Ginter und Nico Schlotterbeck, die Außenpositionen bekleideten Marius Wolf und David Raum. Leon Goretzka gab den einzigen Sechser vor der Abwehr, Julian Brandt und Joshua Kimmich agierten einen Tick davor. Am Angriff bot Flick Leroy Sané sowie Niclas Füllkrug auf – und der Bremer Publikumsliebling machte in seinem „Wohnzimmer“ auch gleich damit weiter, wo in der Bundesliga als Torschützenkönig aufgehört hatte.
Kimmich streichelte einen Chip-Ball auf die rechte Seite zu Wolf. Der Dortmunder zog nach innen, wuchtete den Ball mit links aufs Tor – davor stand Füllkrug und fälschte den Ball unhaltbar für Anatoliy Trubin ab: 1:0 nach sechs Minuten. Die DFB-Elf versuchte nachzulegen, die Ukrainer allerdings zogen sich weit zurück an den eigenen Strafraum – wogegen die deutsche Mannschaft kein Mittel fand.
Brandt leitet mit schlechten Pässen zwei Gegentore ein
Die machte es stattdessen den Gästen leicht. Brandt spielte einen Fehlpass, Oleksandr Tymchyk bereitete für Viktor Tsygankov den Ausgleich vor (18.). Fünf Minuten später gingen die Ukrainer gar in Führung, wieder war ein ungenaues Zuspiel, diesmal von Schlotterbeck, der Ausgangspunkt. Über Andrey Yarmolenko, Tsygankov kam der Ball zu Mykhailo Mudryk. Rüdiger fälschte den Schuss des Chelsea-Profis, der wohl am Tor vorbeigeflogen wäre, ins Netz ab – und es sollte in Halbzeit zwei noch dicker für das Flick-Team kommen.
Da brachte Brandt erst mit einem hohen Rückpass Ginter in die Bredouille, der verlor im Strafraum den Ball an Artem Dovbyk. Querpass zu Tsygankow, 3:1 (56.). Das Bremer Publikum begann vereinzelt zu pfeifen, Tausende riefen dann lieber „Werder!, als die deutsche Elf zu unterstützen – verständlich bei diesem ziemlich inspirationslosen Auftritt. Kai Havertz (83.) und Kimmich (90.+1, Foulelfmeter) retteten immerhin ein Remis.(sid)